Arno Schmidt als Übersetzer

Arno Schmidt hat sich in Deutschland vor allem mit seinen zuweilen überaus eigenwilligen Romanen einen Namen gemacht. Er war allerdings auch als Übersetzer tätig.


Seine eigenen Bücher sind schwer zu lesen, vielen sind sie ganz und gar unverständlich. Dementsprechend klein ist die Zahl derer, die schon mal einen Roman von Arno Schmidt gelesen haben. Ein Kassenerfolg ist ihm zeit seines Lebens jedenfalls versagt geblieben.

Aber satt werden musste er trotzdem. Um des ›lieben Brotes willen‹, wie er es selbst gerne nannte (in seinem 1955 entstandenen Aufsatz ›Die Brotarbeit‹ beispielsweise), war er deshalb dazu gezwungen, sich auch anderen Tätigkeiten zu widmen. Und was konnte einer wohl machen, der nach dem Krieg schon einmal als Dolmetscher in einer Hilfspolizeischule gearbeitet hatte? Er übersetzte Bücher aus dem Englischen ins Deutsche.

Nur ist das auch für einen Könner mit gewissen Problemen verbunden. So findet sich in dem bereits erwähnten Aufsatz auch die Klage, dass dem Auftrag oft sogar ein Termin beigefügt sei und die Scharteke dann vorliegen müsse (in vier Wochen, des uraufgeführten Films wegen). Doch wie ist das zu machen? Ob Klassiker oder Scharteke – eine gewisse Zeit braucht nun mal jede Übertragung von einer Sprache in eine andere. Wer aber hat schon Zeit? Niemand.

Das alles sorgt oft genug für Ärger. Auch Arno Schmidt konnte ein Lied davon singen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an den Streit mit dem Wolfgang Krüger Verlag. Der hatte Schmidt damit beauftragt, den Roman ›The Man in the Gray Flannel Suit‹ des amerikanischen Schriftstellers Sloan Wilson (1920 bis 2003) zu übersetzen. Eigentlich eine rasch erledigte Sache, möchte man meinen – aber weit gefehlt.

Schon nachdem er seine Übersetzung beendet hatte, bezeichnete Schmidt das Buch als ›Mühlstein um meinen Hals‹ (Brief an Ernst Kreuder, 13. Januar 1956). Doch der große Ärger stand ihm ja erst noch bevor. Nach Durchsicht des Manuskripts kritisierte der Verlag die Übersetzung nämlich als unzureichend und verlangte umfangreiche Änderungen. Ein Blick in die Tagebücher seiner Ehefrau Alice genügt, um zu erkennen, wie sehr ihn diese Kritik in Rage brachte. Es kam zum offenen Disput, der schließlich so weit führte, dass der Übersetzername in der deutschen Ausgabe nicht genannt wurde.

Dabei hatte er sich durchaus lobend über das Buch geäußert. Zwar nannte er es eine ›Anfängerarbeit‹, dafür aber auch ›thematisch interessant‹ (Brief an Werner Steinberg, 23. Januar 1956). Das war mehr Lob als sonst. Wie er im selben Brief ausführte, war der von ihm übersetzte Roman ›The Racer‹ des Schweizer Rennfahrers und späteren Schriftstellers Hans Ruesch (1913 bis 2007) für ihn nichts anderes als ›unterster Literaturschlamm‹.

Nicht jeder kann halt ein Genius sein wie Edgar Allan Poe. Auch ihn hat Schmidt nämlich übersetzt, genauso wie Stanislaus Joyce, William Faulkner, Wilkie Collins, Edward Bulwer-Lytton und James Fenimore Cooper. Hier die komplette Liste (in chronologischer Folge):

  1. Hammond Innes: Der weiße Süden. Hamburg: Rowohlt 1952
  2. Peter Fleming: Die sechste Kolonne. Hamburg: Rowohlt 1953
  3. Neil Paterson: Ein Mann auf dem Drahtseil. Hamburg: Rowohlt 1953
  4. Hans Ruesch: Rennfahrer. Hamburg: Rowohlt 1955
  5. Sloan Wilson: Der Mann im grauen Anzug. Hamburg: Wolfgang Krüger 1956
  6. Evan Hunter: Aber wehe dem einzelnen. Wien: Ullstein 1957
  7. Hassoldt Davis: Das Dorf der Zauberer. Berlin: Ullstein 1958
  8. Evan Hunter: An einem Montag morgen. Hamburg: Nannen 1958
  9. Evan Hunter: Recht für Rafael Morrez. Hamburg: Nannen 1959
  10. Stanislaus Joyce: Meines Bruders Hüter. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1960
  11. Stanley Ellin: Sanfter Schrecken. Stuttgart: Goverts 1961
  12. Pietro Di Donato: Das Fest des Lebens. Hamburg: Nannen 1962
  13. James F. Cooper: Conanchet oder die Beweinte von Wish-Ton-Wish. Stuttgart: Goverts 1962
  14. William Faulkner: New Orleans. Stuttgart: Goverts 1962
  15. Stanislaus Joyce: Dubliner Tagebuch. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1964
  16. Wilkie Collins: Die Frau in Weiß. Stuttgart: Goverts 1965
  17. Edgar Allan Poe: Werke I. Olten/Freiburg im Breisgau: Walter 1966 (darin u. a.: BereniceLigeia, Der Fall des Hauses Ascher)
  18. Edgar Allan Poe: Werke II. Olten/Freiburg im Breisgau: Walter 1967 (darin u. a.: Umständlicher Bericht des Arthur Gordon Pym)
  19. Edward Bulwer-Lytton: Was wird er damit machen? Stuttgart: Goverts Verlag 1971
  20. Edgar Allan Poe: Werke III. Olten/Freiburg im Breisgau: Walter 1973 (darin Rezensionen Poes zu u. a. Defoe, Dickens und Cooper)
  21. Edward Bulwer-Lytton: Dein Roman. Frankfurt am Main: Goverts 1973
  22. Edgar Allan Poe: Werke IV. Olten/Freiburg im Breisgau: Walter 1973 (darin u. a.: Das Geisterschloß, Marginalien VII)
  23. James F. Cooper: Satanstoe. Frankfurt am Main: Goverts 1976
  24. James F. Cooper: Tausendmorgen. Frankfurt am Main: Goverts 1977
  25. James F. Cooper: Die Roten. Frankfurt am Main: Goverts 1978

Wen er wohl lieber übersetzt hat, Poe oder Paterson, Faulkner oder Fleming? Eine unziemliche Frage. Anderseits: Die Auftragsarbeiten der 50er-Jahre haben ihm damals das Brot gesichert. Nur deshalb konnte er auch weiterhin eigene Bücher schreiben. Beschweren durfte er sich also nicht.