Arthur Conan Doyle. Arzt, Schriftsteller und Spiritist

Darf ein Detektiv voreilige Schlüsse ziehen? Sherlock Holmes hat dies nie getan. Er hat sich stets von Fakten leiten lassen, von nichts anderem. Sein Schöpfer Arthur Conan Doyle war in dieser Hinsicht anders. Er glaubte an Elfen, Feen und anderen Unsinn. Selbst sein Freund Harry Houdini konnte ihn nicht von diesem Aberglauben abbringen.


Es gibt Detektive, die durch einen einzigen Fall berühmt werden. Monsieur C. Auguste Dupin ist so ein Fall: Die Art, wie er die Morde in der Rue Morgue enträtselte, machte ihn mit einem Schlag bekannt. Doch nicht jeder ist gut zu sprechen auf Dupin, Sherlock Holmes zum Beispiel findet, er sei ein reichlich minderwertiger Bursche.

Auch wenn Holmes zum Zeitpunkt, da er dies sagt, selbst noch ganz grün hinter den Ohren ist, darf er sich solche Töne wohl durchaus erlauben, gilt er doch inzwischen als der berühmteste Detektiv der Welt. (Wer sich für Auguste Dupin interessiert, sollte bei Edgar Allan Poe nachschlagen.)

Holmes ist das, was wir uns unter einem typischen Engländer vorstellen: ein Exzentriker, der seiner bizarren Schrullen frönt. Zuhause ist Holmes in London, in der Baker Street Nr. 221b, wo er sich mit einem gewissen Dr. Watson eine Wohnung teilt. Dr. Watson ist es auch, der die Abenteuer seines Freundes niederschreibt. Immerhin heißt es ja zu Beginn der Studie in Scharlachrot, dies sei eine Geschichte aus den Erinnerungen des ehemaligen Armeearztes John H. Watson. Nur leider ist Watson ein arg schüchterner Mensch, weshalb er nie auch nur daran denkt, sich selbst als den Urheber auszugeben. Es ist ihm nun mal viel lieber, einen anderen vorzuschicken, einen, dem er folglich auch erlaubt, Ruhm und Ehre zu ernten für etwas, was er nur verwaltet, nicht aber selbst verfasst hat. Watsons Handlanger ist bekanntermaßen kein Geringerer als Sir Arthur Conan Doyle.

Holmes und Watson
Zunächst einmal war Doyle freilich nicht gar so begeistert davon, seinen Namen für die Geschichten um Sherlock Holmes herzugeben, denn wenn er eins partout nicht ausstehen kann, dann ist dies das kalte, logische Denken, mit dem der Detektiv immer wieder aufs Neue ans Werk zu gehen sich verpflichtet fühlt. Damit hat Doyle nun wirklich nichts im Sinn. Wie anders Watson dagegen: Auch er wie Doyle ein Mediziner, doch im Gegensatz zu diesem einer, der Vernunft walten lässt, einer, der gesunden Menschenverstand einzusetzen versteht, kurz, einer, der seinem Beruf alle Ehre macht, ein nüchtern denkender Mensch von Amts wegen sozusagen. Als Autor der Geschichten von Sherlock Holmes ist er also zehnmal besser geeignet als Doyle.

Es mag vielleicht ein wenig erstaunen, doch als Martin Gardner in seinem Essay The Irrelevance of Conan Doyle, erschienen 1976 zu New York, wie nebenbei diese (keineswegs revolutionäre) Behauptung aufgestellt hat, haben dies recht viele Leserinnen offenbar für bare Münze genommen. Andererseits ist es manchmal in der Tat schwer, an Doyle als Autor des Holmes’ zu glauben. Ein Blick auf einige seiner zahlreichen Bücher über den Spiritismus spricht wohl Bände: The New Revelation (1918), The Vital Message (1919), The Wanderings of a Spiritualist (1921), Our American Adventure (1923), Our Second American Adventure (1924), The Case for Spirit Photography (1922), The History of Spiritualism (1926).

Ein kurzer Lebensabriss
Wer war nun dieser Doyle, der einerseits einen Detektiv erschaffen hat, der einzig und alleine der Vernunft verpflichtet ist, andererseits aber an Dinge glaubte, die selbst hartgesottenen Spiritisten zu abstrus erscheinen? Arthur Ignatius Conan Doyle wurde am 22. Mai 1859 im schottischen Edinburgh geboren. Seine Eltern Charles Altamont und Mary Foley Doyle schickten ihn 1868 für sieben Jahre auf eine Jesuitenschule in Lancashire, bevor er für ein weiteres Schuljahr nach Feldkirch in Österreich ging. Danach kehrte er nach Edinburgh zurück, wo er an der dortigen Universität sein Medizinstudium aufnahm, das er 1885 als frisch promovierter Doktor abschloss. In dieser Zeit lernte er auch Dr. Joseph Bell kennen, der allgemein als Vorbild für Sherlock Holmes gilt.

Doyle war zweimal verheiratet: Erst mit Louisa Hawkins, die 1906 an Tuberkulose starb, dann, ab 1907, mit Jean Leckie. Er hatte fünf Kinder, zwei aus der Ehe mit Louisa Hawkins (Mary und Kingsley), drei aus der Ehe mit Jean Leckie (Denis, Adrian und Jean). Für seine Arbeit als Arzt während des Burenkrieges wurde Doyle 1902 zum Ritter geschlagen und durfte sich fortan Sir nennen.

Er starb am 7. Juli 1930 in Crowborough, Sussex. Sechs Tage später sollen sich mehr als 1000 Menschen zu einer Séance in der Royal Albert Hall versammelt haben; und siehe da, die Séance soll auch noch erfolgreich gewesen sein: Estelle Roberts behauptete hinterher jedenfalls steif und fest, sie sei mit Doyle in Kontakt getreten; und die Frau muss es ja gewusst haben, hat sie sich doch selbst als so etwas wie ein Medium angesehen.

Übersinnliches
Wann nun begann Doyle, sich für übernatürliche Dinge zu interessieren? Kenneth Silverman datiert den Zeitpunkt auf das Jahr 1887, ausgerechnet auf das Jahr also, in dem auch die erste Geschichte mit Holmes auf den Markt gekommen war (Die Studie in Scharlachrot wurde in der Zeitschrift Beeton’s Christmas Annual abgedruckt.)

Damals muss Doyle wohl mit so einer Art Medium zusammengekommen sein, was an und für sich ja noch nicht so schlimm ist. Nur leider muss ihn dieses Medium enorm beeindruckt haben, denn sonst hätte Doyle sich danach wohl nicht so blind in seinen Spiritismus verrannt. Er sah es sogar als vorherbestimmt an, dass gerade er, Doyle, zum Autor der Geschichten über Holmes geworden war. Nun, Doyles Gedankengang ist durchaus logisch: Nur durch Holmes erlangte er die Bekanntheit, die er benötigte, um, wie er meinte, zum Fackelträger des Spiritismus zu werden.

Doyle und Houdini
Nun erscheint es allerdings ein wenig merkwürdig, dass selbst ein ausgewiesener Skeptiker wie der Zauberkünstler Harry Houdini, der mit Doyle gut bekannt war, nicht in der Lage gewesen ist, Doyle von seinem Irrglauben abzubringen. Dies lag vielleicht daran, dass Houdini zu zurückhaltend war, wenn es darum ging, Farbe zu bekennen. Als das Gespräch einmal auf die Brüder Davenport kam, weigerte sich Doyle zu glauben, dass sie nur mit Tricks arbeiteten, woraufhin Houdini in einem Brief nur antwortete, ihre Kniffe seien in der Tat nie aufgedeckt worden. Für Doyle war damit alles klar: Die Davenports besaßen übernatürliche Fähigkeiten – was sie laut Houdini nie von sich behauptet hatten.

Es kam noch schlimmer: Am 17. Juni 1922 lud Doyle Houdini zu einer Séance nach Atlantic City ein. Zu dritt saßen sie da nun in der Hotelsuite, Doyle, Doyles Ehefrau sowie Houdini. Lady Doyle diente dabei als das Medium, das den Geist der verstorbenen Mutter Houdinis, Cecilia Weiss, heraufbeschwören sollte. Da die Doyles meinten, Houdinis Ehefrau könnte der Kontaktaufnahme im Wege stehen, verzichteten sie von vornherein darauf, sie zu der Séance einzuladen.

Natürlich war es eine tolle Schau: Mit einem Male legte Lady Doyle los und schrieb, ganz offensichtlich von der Hand des Geistes Cecilias gelenkt, einen Riesenbrief an die versammelte Gesellschaft. Die Begeisterung Houdinis hielt sich allerdings in Grenzen: Lady Doyle war leider der Fauxpas unterlaufen, als Briefkopf ein Kreuz zu benutzen – eine Vorgehensweise, die für Houdinis jüdische Mutter, Ehefrau eines Rabbis überdies, ja doch eher ungewöhnlich gewesen wäre.

Zudem scheint es im Himmel gute Sprachkurse zu geben, denn wie anders ist es zu erklären, dass die gute Frau Weiss sich zur Überraschung ihres Sohnes ganz vorzüglich auf Englisch zu unterhalten verstand. Englisch hatte sie zu ihren Lebzeiten nämlich nie gesprochen. Houdini hielt sich aber auch jetzt noch mit seiner Meinung zurück, weil er nicht die Nerven hatte, mit Doyle darüber zu streiten.

Die Feen von Cottingley
Auch bei einem anderen Thema, den Feen von Cottingley, zeigte sich Doyle verbohrt. Da sind also zwei junge Mädchen, Elsie Wright und Frances Griffiths, die sich eines Tages den Fotoapparat von Elsies Vater ausleihen, um damit eine Aufnahme zu machen. Was aber ist auf dem Bild zu sehen? Nicht nur Frances alleine, sondern auch vier leicht bekleidete Feen mit großen Schmetterlingsflügeln. Damit aber nicht genug: Bald entsteht ein zweites Foto, wo uns außer Elsie auch ein recht bemerkenswerter Gnom entgegenblickt.

Doyle ist von dieser Entdeckung derart begeistert, dass er kurz danach zusammen mit dem Theosophen und Okkultismus-Journalisten Edward L. Gardner einen Artikel veröffentlicht, der viel Schlagzeilen macht: An Epoch-Making Event – Fairies Photographed erscheint in der Dezemberausgabe 1920 des Strand Magazine. Nicht lange und es melden sich viele Leserinnen, die ebenfalls Feen gesehen haben wollen. Und auch in Cottingley sind die Feen weiter am Werk: Edward L. Gardner sorgt nämlich dafür, dass die Mädchen drei weitere Fotografien anfertigen. Natürlich ist Edward L. Gardner nicht zugegen, als die Fotos gemacht werden, denn Feen sind nun mal etwas scheu und erscheinen nicht vor jedem x-Beliebigen. (Das jedenfalls war der Grund, den die Mädchen auf die Frage angaben, warum sie denn alleine bleiben wollten, als sie die Fotos machten.)

Ob man es nun glauben mag oder nicht, Doyle war jedenfalls der festen Überzeugung, dass die Feen einem Volk angehörten, das möglicherweise so zahlreich sei wie die menschliche Rasse. Dass die Bilder einfache Fälschungen sein könnten, kam Doyle dagegen nicht in den Sinn. Genau das waren sie aber: Elsie hatte in dem Kinderbuch Princess Mary’s Gift Book eine Illustration tanzender Feen gefunden, diese auf Pappe nachgezeichnet, Flügel hinzugefügt, sie dann ausgeschnitten und mit Hilfe langer Nadeln ins Gebüsch gesteckt (→ Gardner 1996, S. 188ff.).

Es kommt selten vor, dass ein Schwindler seinen Schwindel zugibt, aber hier war dies der Fall: Am 18. März und 4. April 1983 erschienen in der Londoner Times zwei Artikel, in denen Elsie und Frances die Wahrheit erzählten. Doyle hat davon freilich nichts mehr mitbekommen.


Für diesen Text wurden folgende Quellen benutzt: (1) Arthur Conan Doyle: Die Studie in Scharlachrot (Zürich: Haffmans 1984), darin: Dupin (S. 29); (2) Kenneth Silverman: Houdini!!!  (New York: HarperCollins 1996), darin: Fackelträger des Spiritismus (S. 250), Séance (S. 281 f.); (3) Harry Houdini: A Magician Among the Spirits (Amsterdam: Fredonia 2002), darin: Davenports (S. 148), Houdinis Mutter (S. 154); (4) Martin Gardner: The Night Is Large (New York: St. Martin’s 1996), darin: Feen von Cottingley (S. 188 ff.).