Brief an Wilhelm Fließ

Vorbemerkung: Das unten erwähnte Buch erschien im Jahre 1898 und ist auch heute noch zu beziehen. Mit seinen numerologischen Ideen war Dr. Fließ seiner Zeit weit voraus, damals hat ihn außer Freud wohl kaum einer für voll genommen.


Sehr geehrter Herr Doktor,

darf ich Ihnen – im Namen der gesamten Welt, wie ich meine – Dank sagen für Ihr bahnbrechendes Werk, das wohl, wie ich mit Fug und Recht zu behaupten wage, einen ungeahnten Durchbruch für die Wissenschaft bedeutet? Ja, es ist schon wahr: Die Beziehungen zwischen Nase und weiblichen Geschlechtsorganen in ihrer biologischen Bedeutung dargestellt ist ein wahres Wunder an Prägnanz, Gründlichkeit und Exaktheit. Ich lehne mich wohl nicht zu sehr aus dem Fenster, wenn ich hiermit feststelle, dass Ihr unvergleichliches Werk die Art, wie wir die Welt bisher betrachtet haben, von Grund auf verändern wird.

Warum niemand vor Ihnen, werter Herr Doktor, darauf gekommen ist, wie eng all unsere Neurosen mit Problemen der Nase zusammenhängen, ist mir ein Rätsel. Denn Sie legen eben diesen Zusammenhang in Ihrem Buch ja so deutlich klar, dass es mir einfach nicht in den Kopf will, weshalb keiner Ihrer berühmten Kollegen davon etwas auch nur zu ahnen schien. Nach reiflicher Überlegung glaube ich aber sagen zu dürfen, dass dies wohl gar nicht am mangelnden Verständnis Ihrer Kollegen liegen mag. Nein, einzig und alleine Ihrem Genie, werter Herr Doktor, ist diese Entdeckung letztlich zuzuschreiben. Seien Sie dafür nochmals bedankt.

Auch für die Analyse der beiden Zyklen, die, wie Sie zu Recht festgestellt haben, sämtliches organisches Leben beherrschen, kann ich Ihnen nur Lob und Dank sagen. Ich habe jedenfalls die Probe schon mal aufs Exempel gemacht und in meinem engsten Familienkreise nachgeforscht, inwieweit unser Wohlergehen vom Wechsel zwischen weiblichem und männlichem Zyklus abhängig ist. Dabei bin ich zu wirklich erstaunlichen Ergebnissen gelangt.

Sie, werter Herr Doktor, werden freilich nicht sehr überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, was ich dabei festgestellt habe. Ich befinde mich nämlich immer dann in depressiver Stimmung, wenn mein weiblicher Zyklus ganz unten ist; ist hingegen mein männlicher Zyklus oben, dann fühle ich mich körperlich topfit. Dies zu wissen, ist einfach wunderbar.

Wussten Sie übrigens, dass der Mond die Erde in 28 Tagen umrundet (weiblicher Zyklus) und ein vollständiger Sonnenfleckzyklus fast 23 Jahre beträgt (männlicher Zyklus)? Oh, Herr Doktor Fließ, Sie sind ein wahres Genie.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Unterschrift

PS: Wie hat denn der werte Herr Dr. Freud auf Ihre Erkenntnisse reagiert? Ich wette, er war ganz begeistert. Er steckt seine Nase sonst ja auch immer überall rein.