Gewunken

Sprache verändert sich. Das ist normal. Mitunter ist ein Sprachwandel auch nur eine Rückkehr zu alten Zeiten.


Wer bestimmt eigentlich, wie wir sprechen und schreiben sollen? Duden-Redakteure, Professoren, Sprachkritiker? Am ehesten doch wohl das Volk, das sich nicht gerne an die Regeln und Gesetze selbsternannter Oberlehrer halten mag, sondern so redet wie ihm der Schnabel nun mal gewachsen ist. So ist das Volk auch gerade dabei, das schwache Verb ›winken‹ in ein starkes zu verwandeln, lieber also ›gewunken‹ statt ›gewinkt‹ verwendet.

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Verein Deutsche Sprache

Bei Durchsicht unseres Archivs haben wir eine alte Polemik gefunden, die wir im Jahr 2006 schon einmal an anderer Stelle veröffentlicht hatten. Der Beginn des letzten Absatzes ist inzwischen nicht mehr aktuell, der Rest aber trifft auch heute noch zu.


Mit der Sprache ist es ja immer so eine Sache. Logisch ist sie jedenfalls nicht, Wer gerne einmal lachen will, der sollte einen Blick ins Periodikum des VDS (Verein Deutsche Sprache) werfen. Dort nämlich hat offenbar die Spaßgesellschaft wieder Einzug gehalten, denn allzu ernst kann das, was wir in jenem Blättchen lesen können, ja kaum gemeint sein. Oder ist tatsächlich zu fürchten, dass der VDS bald schon so eine Art Gesetz zum Schutz der nationalen Symbole fordern wird? Angesichts der Texte, die wir in der Postille des VDS lesen müssen, ist davon in der Tat auszugehen. Nun ja, möglicherweise ist er letztlich doch kein Ulk, der Versuch, der deutschen Sprache den nötigen Raum zum Leben zu verschaffen?

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Goethe und die Rechtschreibung

Die Rechtschreibreform war eine schwere Geburt. Tatsächlich halten noch heute manche Zeitschriften an der alten Rechtschreibung fest. Wie hat es Goethe zu seiner Zeit damit gehalten?


Wie es Goethe mit der Rechtschreibung hielt, ist umstritten. In Briefen an seinen Verleger hat er durchaus genaue Anweisungen erteilt, wie die Korrektoren und Setzer mit seinen Texten umzugehen hätten. Man beachte zum Beispiel diese Stelle:

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Anglizismen von früher

Anglizismen sind Sprachnörglern ein Dorn im Auge. Dabei hat es sie schon früher gegeben – vor allem im Sport.


Früher sprach man noch Deutsch, ganz ohne Anglizismen. Oder doch nicht? Die Sportberichterstattung jedenfalls hatte schon immer ein Faible für Ausdrücke englischer Abkunft, so zum Beispiel der Fußball.

Man beachte nur die Worte des Frankfurter Sportjournalisten Richard Kirn, der in seinem Buch Rund um den Sport (Frankfurt am Main: Lebendiges Wissen 1956, S. 55) berichtet, dass man bis zum Ersten Weltkrieg noch vom ›Keeper‹ statt vom Tormann, vom ›Centerforward‹ statt vom Mittelstürmer sowie vom ›half‹ statt vom Läufer gesprochen habe.

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Der Deppen-Apostroph bei Arno Schmidt

Wie andernorts bereits dargelegt, ist der gerne so genannte Deppen-Apostroph seit jeher sehr beliebt gewesen, zumal bei Schriftstellern und Autoren. Einer kommt in dem erwähnten Beitrag allerdings nicht vor: Arno Schmidt.

Das freilich liegt nicht an einer sträflichen Missachtung unsererseits; vielmehr sind wir davon ausgegangen, dass es in seinem Falle vollkommen unnötig wäre, extra auf ihn hinzuweisen, finden sich in seinen Werken doch mehr als genug Beispiele für den Deppen-Apostroph (man denke nur an Titel wie Brand’s Haide oder Zettel’s Traum).

Hannah, Otto, Anna – die Welt der Palindrome

Palindrome sind Wörter oder Sätze, die ihren Sinn auch dann behalten, wenn man sie rückwärts liest. Je länger das Wort oder der Satz, desto seltener sind sie zu finden.


Was haben die Namen ›Hannah‹, ›Otto‹ und ›Anna‹ gemeinsam? Sie alle lassen sich von links nach rechts genauso wie von rechts nach links lesen, ohne dass sich dabei ihr Sinn ändert: sie sind Palindrome. Ein einzelnes Wort zu finden, das diese Eigenschaft erfüllt, ist noch nicht allzu schwer, auch wenn es natürlich einen Unterschied ausmacht, ob es aus drei oder sieben Buchstaben besteht, wie die unten beigefügte Liste beweist.

Natürlich gibt es noch längere Palindrome, doch handelt es sich dabei um Wortkopplungen wie beim bekannten ›Reliefpfeiler‹. International sehr berühmt ist das finnische Wort für einen Seifenhändler, ›saippuakauppias‹, das gar 15 Buchstaben umfasst und damit als längstes ungekoppeltes Wortpalindrom gilt. Hier eine unvollständige Liste mehrbuchstabiger Einzelwort-Palindrome der deutschen Sprache (→ Stengel 2004):

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Der gespaltene Infinitiv – eine Grammatiksünde auf Englisch?

Sprachhüter in englischsprachigen Ländern regen sich gerne über eine vermeintliche Sünde auf: den Split Infinitive. Dabei besteht gar kein Grund, sich darüber aufzuregen.


In der englischen Sprache ist es nicht viel anders als in der deutschen: hier wie dort wird gerne der Verfall und Niedergang der Sprachkultur beklagt. Besonders groß ist die Aufregung in englischsprachigen Ländern vor allem dann, wenn wieder einmal ein Infinitiv getrennt wird – eine Todsünde, die manch einen Puristen in die Nähe eines Herzinfarkts zu bringen scheint. (Was aber noch keinen Muttersprachler daran gehindert hat, den Infinitiv dennoch aufzuteilen.)

Was hat es mit dem Split Infinitive auf sich? Wenn uns ein Verb in seiner nackten, reinen, ungebeugten Ursprünglichkeit begegnet (gehen, lieben), sehen wir seine Grundform vor uns, die das Geschehen oder Sein ohne Bindung an Zeit, Zahl oder Person ausdrückt.

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Von Verhörern, Mondegreens und Soramimis

Jeder verhört sich mal. Das ist normal. Manchmal handelt es sich dabei um ein Mondegreen, manchmal um ein Soramimi.


Nicht immer ist alles so gemeint wie es sich im ersten Augenblick anhört. Bestes Beispiel hierfür sind die vielen missverstandenen Laute, Worte oder Textzeilen aus Gedichten oder Liedern. Diese Verhörer werden üblicherweise in zwei Kategorien unterteilt: in Mondegreens und Soramimis (jap. für ›leeres Wort‹, 空耳).

Ein Soramimi liegt vor, wenn ein fremdsprachiger Text nicht als solcher erkannt, sondern einer anderen (der eigenen zumeist) zugeordnet wird. Zwei hierzulande allgemein bekannte Beispiele stammen aus den Songs ›The Power‹ von SNAP! und ›California Dreaming‹ von The Mamas and the Papas.

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Paralipomenon

In die Kategorie von Notat und Marginalie fällt das Paralipomenon, das aber im Gegensatz zu diesen nicht aus dem Lateinischen, sondern aus dem Griechischem stammt und so viel wie eine Auslassung oder einen Nachtrag bedeutet.

Entsprechend wurden die nach Goethes Tod erhaltenen Aufzeichnungen zum Faust unter der Pluralbezeichnung Paralipomena veröffentlicht. Bekannt ist auch Schopenhauers Werk Parerga und Paralipomena (1851), in dem es um kleinere Schriften und Nachträge geht.

Marginalie

Eine Randbemerkung in einem Text wird auch als Marginalie bezeichnet. Das Wort ist lateinischen Ursprungs und bedeutet in der Tat nichts anderes als ›zum Rand gehörig‹ (marginalis).

Dazu passt die Geschichte um Fermats Letzten Satz. Angeblich hatte der französische Jurist und Hobby-Mathematiker Pierre Fermat (1601 bis 1665) einen Beweis für seinen berühmten Satz gefunden, nur leider konnte er ihn nicht an den Rand seines Buches (die Arithmetica von Diophantes) schreiben, da der Platz zu knapp bemessen war.

So blieb seine Lösung im wahrsten Sinne des Wortes eine Marginalie der Weltgeschichte.