Stephen Leacock

Wer sich für nordamerikanische Literatur interessiert, muss auch etwas von Stephen Leacock gelesen haben. Hier in Deutschland ist das allerdings gar nicht so einfach.


Die Leserinnen in den 20er-Jahren hatten es gut: Sie konnten Stephen Leacock auf Deutsch lesen. 1925 sind nämlich im Verlag Williams & Co gleich zwei Bücher des kanadischen Humoristen erschienen: Humor und Humbug sowie Die Abenteuer der armen Reichen, beide übersetzt von E. L. Schiffer-Williams.

Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich Edith Jacobsohn, die Ehefrau Siegfried Jacobsohns, der als Gründer der Weltbühne auch heute noch unvergessen ist (oder es zumindest sein sollte). Eifrigster Schreiber des Blättchens war Kurt Tucholsky, der deshalb natürlich auch gerne Leacocks Bücher besprach, allerdings nicht in der Weltbühne, sondern in der Vossischen Zeitung (›Ein moderner Humorist‹, 26. Juli 1925, S. 9).

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Die hölzernen Kreuze

Beim Blättern in Tucholskys Texten finden wir auch zwei Hinweise auf ein Buch von Roland Dorgelès: Die hölzernen Kreuze. 1929 stellt er die französische Fassung vor, ein Jahr später bespricht er dann auch die deutsche Übersetzung.


Daten zum Buch

  • Autor: Roland Dorgelès
  • Titel: Les croix des bois
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Paris
  • Verleger: Albin Michel
  • Erscheinungsjahr: 1919
  • Deutsche Erstausgabe: Die hölzernen Kreuze (Horw-Luzern: Montana Verlag 1930, Übersetzung: Tony Kellen und Erhard Wittek)

Für Tucholsky war es von den Kriegsbüchern ›das schönste von allen; nicht das größte, aber das schönste‹ (→ TT1, S. 703). Was aber bedeutet das: das schönste Kriegsbuch? Kann ein Buch über den Krieg überhaupt schön sein? Vielleicht schon.

Vertrauen wir zunächst einmal auf Tucholsky, der Zeit seines Lebens viele Kriegsbücher besprochen hat. Darunter war also auch das vorliegende, das hierzulande weitgehend unbekannt ist: Les croix des bois von Roland Dorgelès.

Tucholsky war begeistert. So zählte er in seiner ersten Rezension, die sich mit dem französischen Original befasste, viele Beispiele auf, die veranschaulichen sollten, was Dorgelès geleistet hatte, etwas ›ganz und gar Einzigartiges‹ nämlich:

Woher er dies hier hat, weiß ich nicht; es muß ihm der selige Shakespeare nachts im Traum erschienen sein.

[TT1, S. 704]

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Heeresbericht

Beim Blättern in Tucholskys Texten finden wir auch einen Hinweis auf ein Buch von Edlef Köppen: Heeresbericht.


Daten zum Buch

  • Autor: Edlef Köppen
  • Titel: Heeresbericht
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Berlin
  • Verleger: Horen-Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1930

Adolf Reisiger ist begeistert. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, verpflichtet er sich wie so viele andere auch aus freien Stücken zum Militärdienst. Er kommt zunächst zu einem Feldartillerieregiment an die Westfront, wo er bis zu einer schweren Verwundung stationiert ist. Noch immer ist er von seinem Einsatz überzeugt, jeden möglichen Zweifel blendet er vorerst weiter aus.

Nach seiner Genesung kämpft er bis zum Frieden von Brest-Litowsk an der Ostfront, ehe sein Regiment wieder in den Westen verlegt wird. Dort erlebt er hautnah mit, wie 1918 die deutsche Frühjahrsoffensive scheitert. Auch der Versuch, Mitte Juli noch einmal an Boden zu gewinnen, geht daneben.

Ein Schlag für die Armee, eine Bestätigung aber für Reisinger, dessen Einstellung sich im Laufe der Jahre gründlich geändert hat. Von seiner ursprünglichen Begeisterung ist nun nichts mehr zu spüren, jetzt muss er seinen Abscheu vor dem Krieg einfach herausschreien – und das kommt ihn teuer zu stehen.

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Ein Plagiat, das keines war

Beim Blättern in Tucholskys Texten stoßen wir auch auf einen vermeintlichen Skandal der 30er-Jahre: Irmgard Keun war damals eine bekannte deutsche Schriftstellerin, die auch international viel Anerkennung genoss. Nach Veröffentlichung ihres zweiten Romans gab es allerdings einen Kollegen, der sie des geistigen Diebstahls bezichtigte. Doch wie gerecht war die Anschuldigung? War Das kunstseidene Mädchen tatsächlich ein Plagiat?


Die Inspiration kommt immer irgendwoher. Oft aus dem Leben, manchmal auch aus einem Buch. Selbst der zweite Fall ist meist ganz harmlos, auch wenn Autoren schon ein bisschen darauf achten sollten, wie viel sie von anderen übernehmen; ein ganzes Buch zu kopieren, ist eindeutig zu viel des Guten.

Wer aber macht das schon? Solche Fälle sind jedenfalls absolute Ausnahmen, fast immer werden nur Kleinigkeiten abgeschrieben, hier mal ein Halbsatz, dort mal ein ganzer Abschnitt. Lässliche Sünden. Was aber, wenn ein imaginärer Ton geklaut wird? Geht so etwas überhaupt? Irmgard Keun ists einmal fast gelungen.

Anfang der 30er-Jahre erregte Keun in Deutschland mehr Aufmerksamkeit als jede andere Schriftstellerin. Und das aus gutem Grund, war doch ihr 1931 vorgelegter Roman Gilgi, eine von uns ein ganz erstaunliches Debüt, das auch bei der Kritik gut ankam.

›Eine schreibende Frau mit Humor, sieh mal an!‹, zeigte sich beispielsweise Kurt Tucholsky in seiner Kolumne ›Auf dem Nachttisch‹ positiv überrascht (→ TT1, S. 180). Sicher, es gab auch Tadel, aber warum auch nicht? Tucholsky wusste: Hier war ein Talent, das sich zu kritisieren lohnte.

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Schreibweisen

Beim Blättern in Tucholskys Texten stoßen wir auf einen Artikel, dessen Titel ungewöhnlich geschrieben ist. Doch das hat seinen guten Grund. Die amtliche Rechtschreibung ist prinzipiell zwar eine gute Sache, doch letztlich ist niemand gezwungen, sich daran zu halten. Bei Publikationen sind ohnehin Hausschreibungen üblich. So auch bei der Bücherkiste.


Oft sind es die eigentlich eher humorvoll angelegten Texte, die für die größte Aufregung sorgen. Welche Arbeit beispielsweise brachte Kurt Tucholsky die schärfsten Kritiken ein? Eine Satire. Die nämlich forderte fast so viel Widerspruch heraus wie alle seine großen politischen Artikel zusammengenommen. Und warum? Weil er der Deutschen liebstes Kind anzugreifen gewagt hatte – den Hund.

Na, Tucholsky zog aber auch so richtig schön vom Leder. Tier und Tierhalter bekamen gleichermaßen ihr Fett weg, alle Hunde waren ihm ein Graus, alle Hundebesitzer nicht minder. Nein, aus seinem Herzen machte er in der Tat keine Mördergrube. Eins steht jedenfalls fest: Wenn einer mal so richtig Tacheles geredet hat, dann Tucholsky in seinem ›Traktat über den Hund‹ (der am 2. August 1927 zunächst in der Weltbühne erschien, ehe er am 13. August 1927 im Prager Tagblatt nachgedruckt wurde, S. 3).

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Peter Panter und Peter Ganter

Beim Blättern in Tucholskys Texten finden wir auch einen Hinweis auf einen Mann, dessen Name einem seiner zum Verwechseln ähnlich war: Peter Ganter. Der war ein Autor. Peter Panter alias Kurt Tucholsky genauso. Aber Panter und Ganter waren nicht ein und dieselbe Person.


Wer war Peter Panter? Na, das ist einfach. Nur ein Pseudonym, und zwar ein von Kurt Tucholsky genutztes. Wer aber war Peter Ganter? Hm, das ist auf den ersten Blick schon sehr viel schwieriger zu beantworten. Aber gar nicht mehr so schwer, wenn man weiß, dass Peter Panter selbst einmal über Peter Ganter geschrieben hat (am 30. März 1922 in der Weltbühne, S. 334).

Darin erinnerte Tucholsky seine Leserinnen an den Fall um jenen Peter Ganter, der in den Jahren 1908 und 1909 für viel Aufregung gesorgt hatte. Als unbekannter Autor wollte Ganter seinem Roman Doppelte Moral nämlich mit einem kolossalen Werbefeldzug auf die Sprünge helfen. Und zwar so:

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Kurt Tucholsky und seine Pseudonyme

Beim Blättern in Tucholskys Texten stellt sich natürlich immer auch die Frage nach seinen Pseudonymen. Im Grunde war er nämlich eine gespaltene Persönlichkeit. Nur selten unterschrieb er mit seinem richtigen Namen, viel lieber verwendete er ein Alias. Tatsächlich bediente er sich zahlreicher Pseudonyme, die vier bekanntesten sind Peter Panter, Ignaz Wrobel, Theobald Tiger und Kaspar Hauser.


Es gibt einen Sammelband von Kurt Tucholsky, Mit 5 PS, 1928 bei Ernst Rowohlt erschienen, dessen Titel Tucholsky mit Bedacht gewählt hat. Gemeint waren damit seine Pseudonyme, worunter er offenbar auch seinen wirklichen Namen zählte. Denn im Vorwort schreibt er von fünf Fingern an einer Hand, dem auf dem Titelblatt und den vier anderen: Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger, Kaspar Hauser.

Die vielen Namen gingen auf seine Arbeit beim Wochenblatt Weltbühne zurück, deren mit Abstand produktivster Mitarbeiter er bis zu seinem Verstummen war. Sein erstes Pseudonym bestand allerdings nur aus einem Vornamen, Ignaz, mit dem er am 6. Februar 1913 seinen Beitrag ›Kino‹ in der Rubrik Kasperletheater zeichnete. Komplett war das Pseudonym erst zwei Wochen später, als er seinen Artikel ›Die Theaterkritik, wie sie sein soll‹ demgemäß unterschrieb. Auch Peter Panter und Theobald Tiger debütierten noch im selben Jahr: Panter mit drei Beiträgen am 20. März, Tiger am 18. September mit dem Gedicht ›Der lange Clown‹.

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Das schlechteste Buch

Beim Blättern in Tucholskys Texten werden wir plötzlich mit einem ungewöhnlichen Anliegen der Weltbühne konfrontiert. Denn normalerweise werden nur Bücher empfohlen, die ein Rezensent für lesenswert hält. Doch natürlich sind die schlechten Bücher in der Mehrzahl. Die Suche nach dem schlechtesten ist aber gar nicht so einfach. Die Weltbühne hat aber einmal danach gesucht, wie wir einem Text von Tucholsky entnehmen können.


Welches ist das schlechteste Buch? Gibt es so etwas überhaupt? Und wenn ja, läse es denn ein Wagemutiger, nachdem es als ein solcherart tituliertes im Regal stände? All diese Fragen schießen einem wie selbstverständlich bei der Lektüre der Weltbühne vom 29. März 1927 in die Ohren. Dort nämlich haben Ossietzky und Tucholsky nach eben jenem schlechtesten Buch gesucht, das möglichst ein deutsches Buch der letzten 100 Jahre sein sollte (wenn dies auch keine Bedingung darstellte).

Was aber gilt als schlecht? Die Geschmäcker sind nun mal unterschiedlich, was dem einen sin Ul, ist dem andern sin Nachtigall. Sicher, die Bücher von Charlotte Roche (Feuchtgebiete), Sarah Kuttner (Mängelexemplar) oder Helene Hegemann (Axolotl Roadkill) werden von vielen Leserinnen als fulminanter Schrott angesehen, doch was beweist das schon? Andere finden diese Bücher vielleicht ganz dufte. Oder etwa nicht?

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Bilder in der Weltbühne

Beim Blättern in Tucholskys Texten kommt eine wichtige Frage auf. Was ist wichtiger: Text oder Bild? Für eine Zeitschrift wie die Weltbühne war das keine Frage: Sie verzichtete fast komplett auf Bilder. Und das, obwohl Tucholsky schon 1912 in einem Text mehr Fotos gefordert hatte. Zwei Ausnahmen gab es trotzdem.


›Wir brauchen mehr Photographien‹, behauptete Tucholsky einmal in einem Beitrag für Vorwärts, das Zentralorgan der SPD. Das war allerdings noch vor seiner Zeit bei der Weltbühne, die in ihrer Geschichte fast völlig auf Bilder verzichtete – was durchaus bemerkenswert war, dienten doch in den 20er-Jahren die bunten amerikanischen Blätter mit ihren neuartigen Grafiken und Illustrationen als Vorbild für deutsche Zeitschriften.

War die Weltbühne etwa unmodern und rückwärtsgewandt? Wohl kaum, sonst nämlich hätte sie nicht schon ab 1920 zugunsten der Antiqua auf die angestaubte Frakturschrift verzichtet, sehr viel früher also als manch andere Blätter. Nur von Bildern wollte bei der Weltbühne keiner etwas wissen.

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Die ehrenwerte Landpartie

Wieder stoßen wir beim Blättern in Tucholskys Texten auf eine Rezension, die uns neugierig auf das besprochene Buch macht. Und so können wir die Liste unserer Lieblingsbücher um einen wunderschönen Roman erweitern: Die ehrenwerte Landpartie von Thomas Raucat.


Die schönsten Bücher sind die, die uns schmunzeln lassen.

Ein Paradebeispiel dafür ist die hier vorliegende Geschichte, die Tucholsky in seiner Besprechung der französischen Ausgabe als ›Japonerie‹ bezeichnet hat. Damals gab es noch keine deutsche Übersetzung:

Die Satire ist so liebenswürdig, der Scherz so fein, daß man sich eine – stark gekürzte – deutsche Ausgabe mit bunten Bilderchen wünschen mag.

Stark kürzen? Um des lieben Gottes willen. Wie Tucholsky wohl auf so eine abstruse Idee gekommen sein mag? Schwer zu sagen. Fest steht nur, dass seiner Meinung nach die Handlung ›ein klein wenig zu schwerfällig‹ abläuft. Aber das ist ein ziemlich zweifelhaftes Urteil, das einer näheren Prüfung kaum standhält. Ganz sicher gehörte das Buch auch auf eine Liste jener Bücher, die man gerne mit auf eine einsame Insel nähme – so es einen denn je dorthin verschlagen sollte.

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