Buddenbrooks: Vorbilder

Um die Charaktere in seinem Roman Buddenbrooks zu zeichnen, hat sich Thomas Mann oft an realen Vorbildern orientiert. Nicht alle waren davon begeistert.


Nachdem Thomas Mann seinen Roman Buddenbrooks veröffentlicht hatte, hielt sich die Begeisterung über den Roman in Lübeck erst mal in Grenzen. Das hatte einen simplen Grund: Viele Lübecker glaubten sich in den dargestellten Figuren wiederzuerkennen.

Besonders erbost zeigte sich Friedrich Mann, ein Onkel Thomas Manns. Trotzdem dauerte es bis zum 28. Oktober 1913, ehe er sich zu einem Inserat in den Lübeckischen Anzeigen veranlasst sah, in dem er den Verfasser einen traurigen Vogel schimpfte, der die allernächsten Verwandten in den Schmutz gezogen und sein eigenes Nest beschmutzt habe (→ Wysling/Schmidlin 1997, S. 118).

Die Figuren und ihre realen Vorbilder (→ Wysling/Schmidlin 1997, S. 102 ff.):

  • Johann Buddenbrook, der Ältere – Johann Siegmund Mann sen. (1761 bis 1848)
  • Konsul Johann Buddenbrook – Johann Siegmund Mann jun. (1797 bis 1863), Großvater Thomas Manns
  • Konsulin Bethsy Buddenbrook – Elisabeth Mann, geb. Marty (1811 bis 1890), Großmutter Thomas Manns
  • Thomas Buddenbrook – Thomas Johann Heinrich Mann (1840 bis 1891), Thomas Manns Vater
  • Gerda Arnoldsen – Julia Mann, geb. da Silva-Bruhns (1851 bis 1923), Thomas Manns Mutter
  • Christian Buddenbrook – Friedrich Wilhelm Leberecht Mann (1847 bis 1926), ein Onkel Thomas Manns
  • Antonie Buddenbrook – Elisabeth Amalia Hippolyta Haag, gesch. Elfeld, geb. Mann (1838 bis 1917), eine Tante Thomas Manns
  • Clara Tiburtius, geb. Buddenbrook – Olga Sievers, geb. Mann (1845 bis 1886), eine Tante Thomas Manns
  • Sesemi Weichbrodt – Therese Bousset (1801 bis 1895), Pflegemutter von Julia Mann
  • Lebrecht Kröger – Johann Heinrich Marty (1797 bis 1844), Urgroßvater Thomas Manns
  • Madame Kröger – Catharina Elisabeth Marty, geb. Croll (1782 bis 1869), Urgroßmutter Thomas Mann

Marie Duplessis alias Marguerite Gautier

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Marguerite Gautier hatte ein reales Vorbild: Marie Duplessis (→ Amos 1985, S. 202 f.).

Mit richtigem Namen hieß sie allerdings Alphonsine Plessis (1824 bis 1847). Duplessis war nur ihr Künstlername als Kurtisane. Einer ihrer Liebhaber war Alexandre Dumas fils (1824 bis 1895), der ihr mit seinem einzigen gelungenen Roman als Kameliendame ein immerwährendes literarisches Denkmal setzte.

Moby Dick, die wahre Geschichte

Einer der bekanntesten Romane der Weltliteratur handelt von der Jagd nach einem Wal: Moby Dick. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.


20. November 1820, 0° 40′ südliche Breite, 119° 0′ westliche Länge, etwa 8 Uhr morgens: Das Walfangschiff Essex fährt auf Äquatorhöhe in Richtung Westen, die Stimmung an Bord ist gut, das Wetter könnte nicht besser sein – da plötzlich entdeckt der Ausguck eine Schule von Walen.

Es wird nicht lange gefackelt, kaum dass sie nur noch eine halbe Meile von den Walen entfernt ist, lässt die Besatzung drei Boote zu Wasser und geht auf Jagd. Das Boot des Ersten Offiziers Owen Chase wird dabei allerdings so schwer beschädigt, dass Wasser einzudringen beginnt.

Moby Dick, die wahre Geschichte weiterlesen

Der echte Robinson Crusoe wird gerettet

Robinson Crusoe verbrachte 28 Jahre auf einer einsamen Insel, sein reales Vorbild musste nicht ganz so lange ausharren: Alexander Selkirk wurde nach vier Jahren und vier Monaten gerettet.


Robinson Crusoe kennt wohl jeder. Doch nur wenige wissen, dass Daniel Defoes Figur ein reales Vorbild hatte, Alexander Selkirk, einen Matrosen, 1676 in der schottischen Hafenstadt Largo geboren, den es im Jahre 1703 als Navigator auf den englischen Freibeuter Cinque Ports verschlagen hatte, welcher die Nordwestküste Südamerikas auf der Suche nach spanischen Handelsschiffen durchkämmte.

Auf dieser Reise muss es allerdings zu einem Streit zwischen Selkirk und Kapitän Thomas Stradling gekommen sein, jedenfalls wollte Selkirk eines Tages nicht länger mehr an Bord bleiben. Lieber, sagte er, wolle er sein Dasein auf jener Insel fristen, vor der die Cinque Ports den Anker gesetzt hatte.

Der echte Robinson Crusoe wird gerettet weiterlesen

Die Affäre Berthet

Stendhals Roman Rot und Schwarz liegt eine wahre Begebenheit zu Grunde, in der es um einen versuchten Mord ging. 


Antoine Berthet war ein junger Stutzer, dessen Fall im frühen 19. Jahrhundert in Frankreich für reichlich Aufregung sorgte. Tatsächlich erregte die so genannte Affäre Berthet auch die Aufmerksamkeit des französischen Schriftstellers Stendhal, der sich ausführlich über den Fall informierte und in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1829 mit der Niederschrift seines Romans Le Rouge et le Noir. Chronique du XIXe siècle begann, der nur ein Jahr später in zwei Bänden erschien.

Was also war vorgefallen? In der Familie Michoud als Hauslehrer tätig, verliebte sich der junge Stutzer Antoine Berthet in die Dame des Hauses und musste die Familie nach knapp einem Jahr wieder verlassen. Später ging er bei einer anderen Familie ein Liebesverhältnis mit der Tochter des Hauses ein und wurde auch dort sofort entlassen. Damit war natürlich auch seine Chance auf eine Stelle im Priesterseminar dahin, woraufhin er in Briefen an Madame Michoud drohte, sie sowohl als auch sich selbst zu töten.

Tatsächlich machte er seine Drohungen bald darauf wahr und feuerte am 22. Juli 1827 während der Sonntagsmesse auf Madame Michoud, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. Ein guter Schütze kann er aber nicht gewesen sein, sonst hätten beide wohl kaum überlebt. Vorläufig zumindest, da Berthet später vor Gericht kam und schließlich zum Tode durch die Guillotine verurteilt wurde.

Mocha Dick

Der von Melville erfundene Killerwal Moby Dick hatte wohl ein reales Vorbild. Das war ein Pottwal, der zuerst bei den Mocha Inseln vor Chile gesichtet wurde und deshalb Mocha Dick genannt wurde. Was ihn von allen anderen Walen unterschied, war eine zweieinhalb Meter lange Narbe, die quer über seinem Kopf verlief. Mocha Dick soll zwischen 1810 und 1859 Dutzende von Fangbooten zerstört und selbst vor Walfangschiffen nicht Halt gemacht haben.

Ob Mocha Dick auch die Essex angegriffen hat, ist nicht ganz klar, er könnte es aber durchaus gewesen sein. Angeblich hat er mehr als 100 Kämpfe ausgefochten, wobei mindestens 30 Seeleute ums Leben gekommen sein sollen. Erst 1859 wurde der Wal von einem Harpunier eines schwedischen Walfangschiffs erlegt. Bei der Verarbeitung fand die Mannschaft nicht weniger als 19 Harpunenspitzen in seinem Speck.

Mary Temple alias Isabel Archer

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Isabel Archer hatte ein reales Vorbild: Mary Temple (→ Amos 1985, S. 19).

Durch ihr temperamentvolles und lebhaftes Wesen wusste die früh verwaiste Mary Temple (1845 bis 1870), die von allen nur Minny genannt wurde, all ihre Bekannten und Verwandten in den Bann zu ziehen, darunter auch Henry James. Vom frühen Tuberkulosetod seiner Kusine erschüttert, ließ James sie anschließend in der Figur der Isabel Archer (Bildnis einer Dame) weiterleben.

Irving Thalberg alias Monroe Stahr

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Monroe Stahr hatte ein reales Vorbild: Irving Thalberg (→ Amos 1985, S. 485).

Scott Fitzgerald nahm sich das Genie des frühen Hollywood zum Vorbild, als er seinen letzten Roman The Last Tycoon schrieb: Der amerikanische Filmproduzent Irving Thalberg (1899 bis 1936) war bereits im Alter von nur 20 Jahren bei den Universal Studios als Produktionsleiter tätig, bevor er 1924 als Stellvertreter von Louis B. Mayer zum neu gegründeten Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer ging.

Bekannte Filme von ihm sind Ben Hur (1925), Anna Karenina (1927) und Meuterei auf der Bounty (1935). Thalberg starb im Alter von nur 37 Jahren an einer Lungenentzündung.

Vorbild: Charlotte Craddock

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Sophie Western hatte ein reales Vorbild: Charlotte Craddock (→ Amos 1985, S. 542).

Mit all der Anmut, in die die Natur sie kleiden könne, hat Henry Fielding die junge Sophia in seinem Roman Tom Jones versehen; geschmückt ist sie mit Schönheit, Jugend, Morgenfrische, Unschuld, Bescheidenheit und Zärtlichkeit, auf ihren Rosenlippen liegt ein Hauch von Süße, glitzernder Glanz leuchtet in ihren strahlenden Augen.

So spricht wohl nur einer, der seine Frau aufrichtig liebt – und genau das tat Fielding, der Sophia seiner früh verstorbenen ersten Ehefrau Charlotte Craddock (1715 bis 1744) nachgeformt hat.

Tom Blankenship alias Huck Finn

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Huckleberry Finn hatte ein reales Vorbild: Tom Blankenship (→ Amos 1985, S. 182).

In jedem Ort existiert ein Faktotum, das auf seine ganz eigene Art und Weise Geschichte schreibt. In Mark Twains Heimatstadt Hannibal in Missouri sorgten Vater und Sohn Blankenship für entsprechendes Gerede.

Als Sohn der stadtbekannten Saufnase hatte es der junge Tom Blankenship nicht immer ganz leicht, sein Herz aber, und das war das Wichtigste, saß am rechten Fleck. So wurde er zum idealen Vorbild für Huckleberry Finn.