Der echte Robinson Crusoe wird gerettet

Robinson Crusoe verbrachte 28 Jahre auf einer einsamen Insel, sein reales Vorbild musste nicht ganz so lange ausharren: Alexander Selkirk wurde nach vier Jahren und vier Monaten gerettet.


Robinson Crusoe kennt wohl jeder. Doch nur wenige wissen, dass Daniel Defoes Figur ein reales Vorbild hatte, Alexander Selkirk, einen Matrosen, 1676 in der schottischen Hafenstadt Largo geboren, den es im Jahre 1703 als Navigator auf den englischen Freibeuter Cinque Ports verschlagen hatte, welcher die Nordwestküste Südamerikas auf der Suche nach spanischen Handelsschiffen durchkämmte.

Auf dieser Reise muss es allerdings zu einem Streit zwischen Selkirk und Kapitän Thomas Stradling gekommen sein, jedenfalls wollte Selkirk eines Tages nicht länger mehr an Bord bleiben. Lieber, sagte er, wolle er sein Dasein auf jener Insel fristen, vor der die Cinque Ports den Anker gesetzt hatte.

Wohl hatte Selkirk zwar damit gerechnet, dass der Rest der Mannschaft ihn spätestens jetzt bei seiner Auseinandersetzung mit dem Kapitän unterstützen würde, doch weit gefehlt. Keiner solidarisierte sich mit ihm, eine Meuterei blieb aus. Und so fand sich Selkirk auf einmal in der Tat auf seiner einsamen Insel wieder – irgendwo in den Gewässern Chiles.

Es handelte sich dabei um die Isla Robinsón Crusoe des Juan-Fernández-Archipels im südlichen Pazifischen Ozean. Zu dem Archipel zählen außer der Robinsoninsel noch zwei weitere Inseln: Santa Clara und die Isla Alejandro Selkirk. Die beiden letztgenannten Inseln sind allerdings unbewohnt. Ganz so schlecht ist es ihm dort wohl nicht ergangen, denn immerhin muss ihm mehr als genug Wasser und Nahrung zur Verfügung gestanden haben. Angeblich zähmte er Zicklein, las ihnen auch aus der Bibel vor, sang und tanzte mit ihnen.

Selkirk blieb vier Jahre und vier Monate auf seiner Insel, ehe er im Februar 1709 endlich von dem englischen Freibeuterkapitän Woodes Rogers aufgelesen wurde. Der war mit der Duke und der Duchess unterwegs, hatte über der Insel Rauch aufsteigen sehen und deshalb das einsame Fleckchen näher erkunden wollen.

Wie Rogers 1717 beschrieb, hatte Selkirk seine Sprache wohl ziemlich verlernt, sodass er von seinen Rettern kaum zu verstehen war – was anders auch kaum möglich ist: wenn man niemanden hat, mit dem man reden kann, ist es ganz normal, dass man nach und nach sein Sprachvermögen verliert. Klar, man könnte jeden Tag mit sich selbst quatschen – aber auch darüber würde man wohl irgendwann verrückt werden.

Selkirk, der sein Sprachvermögen relativ schnell wiederfand, kehrte 1713 nach England zurück. Dort sollte er bald schon eine gewisse Berühmtheit erlangen, da seine Geschichte nach einem Interview mit Richard Steele in der Zeitschrift The Englishman zu lesen war. Und nicht lange danach, nur zehn Jahre nach seiner Rettung, fand er sich sogar als Vorbild eines Romanhelden wieder. Doch vom Ruhm wollte Selkirk nichts wissen. Er ging zunächst nach Schottland zurück, heiratete dort, fuhr wieder zur See, ehe er 1721 vor der Goldküste an Gelbfieber starb.


Die Informationen finden sich in P. J. Blumenthals Buch Kaspar Hausers Geschwister (München: Piper 2005), S. 177 ff.