Die Brüder Karamasow – die Vorgeschichte

Romane entstehen nicht über Nacht. Auch Fjodor Dostojewski hat sich lange mit den Vorarbeiten zu seinem Roman Die Brüder Karamasow beschäftigt.


Wann genau Dostojewski mit der Arbeit an seinem Roman Die Brüder Karamasow begonnen hat, lässt sich im Nachhinein nicht mehr genau feststellen. So viel ist immerhin klar: Mit der Niederschrift begann er im Dezember 1878, wenige Monate nachdem sein zweiter Sohn Aljoscha im Alter von zwei Jahren und neun Monaten gestorben war. Das ist nicht ganz unwichtig, da er nach dem Tode seines Sohnes für eine Weile in ein Kloster gezogen war, wo er einem Mönch begegnete, der ihm später als Vorbild für die Figur des Abts Sosima dienen sollte.

Noch wichtiger für Dostojewski war aber eine Bekanntschaft aus der Zeit seiner Festungshaft in Omsk in den Jahren 1850 bis 1854: Einer seiner ehemaligen Mithäftlinge, der Unterleutnant a. D. Iljinski, saß als angeblicher Vatermörder zehn Jahre lang unschuldig im Zuchthaus, ehe der wahre Täter gefunden wurde.

Schon im ersten Kapitel der Aufzeichnungen aus einem Totenhaus beschäftigte sich Dostojewski mit diesem Fall, ehe er im Jahre 1874 einen Plan zu einem Drama entwarf, in dem es um zwei Brüder ging, von denen der jüngere den Vater ermordet, die Schuld aber dem älteren in die Schuhe schiebt. Tatsächlich wird der ältere Bruder, der mit seinem Vater wegen einer Erbschaftssache zerstritten ist, zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Erst nachdem die 20 Jahre vergangen sind, bekennt der wahre Täter endlich seine Schuld.

Was Dostojewski vor allem beschäftigte, war, wie er Christina Altschewskaja in einem Brief vom 9. April 1876 anvertraute, ›die junge Generation und zugleich die moderne russische Familie‹. Leben und Familie, sagte er, seien ›zweifellos in Auflösung begriffen‹, wer aber sei imstande, ›auch nur ansatzweise die Gesetze dieses Zerfalls und dieser Neuorganisation zu bestimmen, auszudrücken?‹ (→ Dostojewski 1996, S. 1287).