Die Gräfin von Cagliostro oder Die Jugend des Arsène Lupin

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein Krimi um den Gentleman-Gauner Arsène Lupin: Die Gräfin von Cagliostro von Maurice Leblanc.


Daten zum Buch

  • Autor: Maurice Leblanc
  • Titel: La Comtesse de Cagliostro
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Paris
  • Verleger: Éditions Pierre Lafitte
  • Erscheinungsjahr: 1924
  • Deutsche Erstausgabe: Die Gräfin Cagliostro (Berlin: Schreitersche Verlagsbuchhandlung 1925, Übersetzung: unbekannt)

Das sind doch die schönsten Helden der Kindheit: jene Heroen, die die Reichen und Bösen behumpsen, die Armen und Unschuldigen aber unterstützen. Robin Hood ist so ein Held, genauso wie der französische Gentleman-Dieb Arsène Lupin, dessen Heldentaten uns sein Chronist Maurice Leblanc in 20 Romanen, 2 Theaterstücken und weiteren Kurzgeschichten überliefert hat.

Wer aber war Arsène Lupin? Geboren wurde er 1874 in Blois, einem kleinen Städtchen zwischen Orléans und Tours. Seine dem Adel entstammende Mutter Henriette d’Andrésy (oder Andrézy) zog es bald nach der Geburt in die Vereinigten Staaten, von wo aus sie sich natürlich nur sehr schlecht um ihn kümmern konnte. Seine Weltgewandtheit und seinen Charme hat er vielleicht trotzdem von ihr geerbt.

Alle anderen wichtigen Dinge des Lebens lernte Arsène aber von seinem bürgerlichen Vater Théophraste Lupin, der ihn als Sportlehrer und Boxtrainer die Kunst der Selbstverteidigung lehrte. Als erprobter Kampfsportler gelingt es Arsène immer wieder, seinen Gegnern auch in aussichtslosesten Situationen noch ein Schnippchen zu schlagen.

Aber Arséne ist nicht nur sportlich auf Zack, auch sonst hat er allerlei auf dem Kasten. Außer Altgriechisch und Latein spricht er noch zahlreiche moderne Fremdsprachen, darüber hinaus widmete er sich Arsène dem Studium der Rechtswissenschaften und der Medizin, hier im Besonderen der Dermatologie, wodurch er sich die Kenntnisse für seine späteren Identitätswechsel Maskenspiele verschafft. Zudem gilt er als Kunstkenner, der immer wieder durch seinen großen Sachverstand in den Bildenden Künsten zu glänzen versteht. Er ist ein echter Tausendsassa.

Die Geschichte um die Gräfin von Cagliostro spielt im Jahre 1894, zu einer Zeit also, da unser Held Arsène Lupin gerade mal 20 Jahre alt war. Noch ist er ein kleiner harmloser Gauner, der kaum weiß, wie er den nächsten Tag überstehen soll, noch ist er nicht der Matador, als der wir ihn von seinen anderen Abenteuern kennen. Denn 1924, als Leblanc diese Geschichte veröffentlichte, kannten die Franzosen ihren Lupin als ausgereiften Gauner, immerhin waren seit 1905 bereits elf Abenteuer um ihn erschienen. Doch von seinen Anfängen wusste keiner etwas, das wollte Leblanc nun also ändern.

Übrigens wurde der Roman in Deutschland ungekürzt erst vier Jahrzehnte nach der französischen Originalausgabe veröffentlicht, das von mir benutzte Taschenbuch des Inselverlags stammt aus dem Jahre 2009 und ist als Lizenzausgabe zwei Jahre nach dem im Berliner Verlag Mattes & Seitz erschienenen gebundenen Roman auf den Markt gekommen.

Die deutsche Fassung basiert auf der 1963 entstandenen Übersetzung von Erika Gebühr, wurde von Nadine Lipp noch einmal anhand der französischen Neuedition von 2004 überarbeitet und dankenswerterweise mit Anmerkungen versehen, die uns das Verständnis des Textes erleichtern. Als Kritikpunkt sei allerdings vermerkt, dass die Endnoten im Text nicht extra angezeigt werden, sodass die Leserin ohne die ebenfalls fehlenden Seitenangaben kaum weiß, worauf sich die einzelnen Erläuterungen im Einzelnen denn nun beziehen.

Durch den Roman erfahren wir also, dass sich Lupins Leben in dem Augenblick ändert, da er an der normannischen Atlantikküste in der Gegend um das Schloss des Barons Godefroy d’Etigues herumlungert, dessen Tochter Clarisse er gerne ehelichen würde, was aber der Baron, man kann es wohl gut verstehen, nie im Leben zulassen wird. Als sich Lupin also in der Nähe des Schloss aufhält, wird ihm plötzlich gewahr, dass der Baron ein rechtes Früchtchen zu sein scheint. D’Etigues ist nämlich einer der Kumpane des Jesuiten Beaumagnan, der einen Kirchenschatz aus dem Mittelalter zu heben versucht.

Doch die Suche gestaltet sich schwierig, auch für Beaumagnans Rivalin Joséphine Balsamo, die Gräfin von Cagliostro, die eine recht rätselhafte Figur abgibt: Geboren vor mehr als 100 Jahren als Tochter eines Alchemisten sieht sie noch immer so aus, als stände sie in der Blüte ihres Lebens. Kann das aber mit rechten Dingen zugehen? Ist sie eine Hexe, ist sie mit dem Teufel im Bunde – man weiß es nicht.

Jedenfalls wollen Beaumagnan und seine Kumpanen die arme Gräfin ermorden (was, wenn sie tatsächlich mit dem Teufel im Bunde ist, kaum möglich sein sollte), doch der Teufel muss gar nicht erst eingreifen, Lupin ist ja zur Stelle und kann sie noch rechtzeitig retten. Unser Held verguckt sich natürlich in die Gräfin, die sich in der Tat als wahre Teufelsbraut entpuppt.

Als Chefin einer Diebesbande bringt sie unserem Helden alles bei, was es braucht, um ein guter Gauner zu werden. Nur ihre Rigorosität übernimmt er nicht, mit einem Mord belastet er sein Gewissen jedenfalls nicht. Wer aber findet den Schatz? Das ist eine Frage, die nur der beantworten kann, der den Roman auch gelesen hat – also bitte …