Die Pflasterkästen

Viele Autoren haben ihre Erlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg literarisch verarbeitet. Einen der besten Romane hat der deutsche Schriftsteller Alexander Moritz Frey geschrieben: Die Pflasterkästen.


Daten zum Buch

  • Autor: Alexander Moritz Frey
  • Titel: Die Pflasterkästen
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Berlin
  • Verleger: Gustav Kiepenheuer Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1929

Zu dritt werden sie verschickt, der Trambahnschaffner, der Bader und der wortkarge Funk. Es ist September 1915, die Krankenträger fahren in den Krieg. Funks Bataillon steht an der Front, dort, wo es besonders weh tut, wo das Ziel alles Soldatischen nur noch viehisch zu nennen ist.

Funk, der Studierte, ist ganz und gar fehl am Platz, er ist unbrauchbar. Unbrauchbar nicht alleine seiner körperlichen Schwäche wegen, unbrauchbar vor allem auch deshalb, weil er nichts anzufangen weiß mit dem Kriegshandwerk zum einen, mit den französischen Soldaten sich verbunden fühlt zum zweiten. (Was ja durchaus verständlich ist. Im Krieg geht es halt nur ums Überleben, für die einen genauso wie für die anderen.)

Trotzdem schlägt er sich durch, bald als Begleiter, bald als Meldegänger, bald als Hiwi des Stabsarztes. Doch einmal muss Schluss damit sein, Funk will nicht mehr, weder als Gesunder noch als Kranker, für ihn sind das Militär und der Krieg die dümmste Gemeinheit von der Welt.

Ein bemerkenswertes Buch. Als es 1929 in einer Auflage von 5000 Exemplaren auf den Markt kam, kannte es jeder. Die Kritiker stellten es in eine Reihe neben Arnold Zweigs Roman Der Streit um den Sergeanten Grischa (1927) oder Erich Maria Remarques Reportage Im Westen nichts Neues (1929).

Und das ganz zu Recht. Sicher leidet das Buch unter einigen Schwächen, ist aber im Ganzen sehr viel packender zu lesen ist als der Bericht Remarques. Warum aber ist dann der Name des Autors heute so sehr viel unbekannter als derjenige Remarques? Das ist schwer zu sagen. Zu seiner Zeit war Alexander Moritz Frey jedenfalls in aller Munde.

Am 29. März 1881 als Sohn des späteren Mannheimer Galeriedirektors und Professors Wilhelm Frey in München geboren, wuchs Frey zunächst in München auf, bevor er in Heidelberg und Freiburg Jura sowie Philosophie studierte. In der Vorkriegszeit veröffentlichte er zwei ganz und gar außergewöhnliche Arbeiten, zuerst den Erzählungsband Dunkle Gänge (1913), danach den Roman Solneman der Unsichtbare (1914).

Danach diente der mit Thomas Mann befreundete Frey drei Jahre lang als Sanitätsunteroffizier an der Westfront, wo er demselben Infanterieregiment angehörte wie Adolf Hitler. Tatsächlich versuchte dieser in den 20er-Jahren mehrfach, ihn für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Wie absurd diese Idee war, kann jeder erahnen, der Freys humanistische Grundeinstellung kennt oder hier angezeigte Feldsanitätsreportage Die Pflasterkästen gelesen hat. Später merkten dies auch die Nazis, weshalb sie Freys Roman im Mai 1933 auf dem Scheiterhaufen verbrannten.

1933 ging Frey ins Exil, erst nach Österreich, danach in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod am 24. Januar 1957 lebte. Auch nach seiner Emigration hat Frey noch einige Bücher veröffentlicht, an alte Erfolge konnte er jedoch nicht mehr anknüpfen. Heute ist er weitgehend vergessen – und das ist nun wirklich eine Schande.