Die zweitschönste Buchbesprechung

Wer in alten Magazinen blättert, stößt häufig auf faszinierende Texte. So ist im Tage-Buch die zweitschönste Buchbesprechung zu lesen, die jemals irgendwo erschienen ist. Die Rezension ist ein wahres Kleinod.


Die zweitschönste Buchbesprechung, die ich je gelesen habe, findet sich in der 1920 vom Wiener Publizisten Stefan Großmann (1875 bis 1935) begründeten Wochenschrift Das Tage-Buch. In Heft 36 des ersten Jahrgangs (S. 1191 f.) befasst sich der namenlose Rezensent mit einer von Hanns Martin Elster verfassten Biografie über einen durchaus bekannten, nicht aber zur ersten Garde zählenden Schriftsteller: Walter von Molo und sein Schaffen (München: Albert Langen 1920).

Noch zwar gebe es keine Lebensbeschreibung über Ibsen, heißt es darin, keine auch über Strindberg, Hamsun, Tolstoi, Liliencron, Stefan George, Hofmannsthal und Schnitzler, Schlenthers Hauptmann-Biografie wiederum sei nur Bruchstück, dafür aber liege nun endlich ein 300 Seiten starker Band über Walter von Molo vor – welch ein Glück. Nur eins bedauerte der Rezensent: dass eine Biografie von Rudolf Stratz noch immer fehle.

Ebenjener Stratz ahnte wohl, dass niemand je eine Biografie über ihn schreiben würde, weshalb er sich später mit seiner zweiteiligen, im Berliner Scherlverlag erschienenen Rückschau selbst ein Denkmal setzte. Titel derselbigen: Schwert und Feder: Erinnerungen aus jungen Jahren (1925), Reisen und Reifen, der Lebenserinnerungen zweiter Teil (1926). Na, das sagt wohl alles.