Dubliners

James Joyce ist meist schwer zu lesen. Seine Erzählungen sind aber wunderschön. Wer ihn einmal im Original genießen will, sollte zu diesem Hörbuch aus dem Hause Bertz + Fischer greifen: Dubliners.


Daten zum Buch

  • Autor: James Joyce
  • Titel: Dubliners
  • Genre: Erzählungen
  • Verlagsort der Erstausgabe: London
  • Verleger: Grant Richards
  • Erscheinungsjahr: 1914

Mit Joyce ist das immer so eine Sache. Manche lieben ihn, vielen ist er egal, wieder andere finden ihn einfach nur überkandidelt. Was soll man aber auch von einem Menschen halten, der so Sachen schreibt wie Ulysses oder Finnegans Wake, Bücher also, die kein Mensch heutzutage mehr liest? Oder stimmt dieses Verdikt vielleicht gar nicht?

Nun, Ulysses dürfte wohl noch immer seine Leserinnen finden, wenn sicherlich auch nur sehr wenige. Schlechter steht es freilich um Finnegans Wake, jenes Werk, das nur lesen sollte, wer sich gerne sein Gehirn verbrezeln lassen will. Trotzdem, psst, soll es doch tatsächlich Verrückte geben, die das Buch von vorne bis hinten gelesen haben, in toto. Schwer zu glauben, aber möglich ist ja alles. Von Thornton Wilder hieß es sogar, er habe das Buch verstanden, als einziger Mensch auf der Welt wahrscheinlich. Aber nee, Finnegans Wake braucht wirklich keiner zu lesen, da fällt man nur irgendwann tot um.

Aber Joyce, das heißt eben nicht nur Ulysses oder Finnegans Wake, Joyce, das heißt auch Dubliners, jene Sammlung von 15 Kurzgeschichten, mit der jede Joyce-Lektüre beginnen sollte. Das wusste natürlich auch die Combo, die sich erst nach jenem Kompendium benannt und danach die irische Folkmusik neu definiert hat. Ohne Joyce also keine Dubliners (Novellensammlung), ohne Dubliners (Novellensammlung) keine Dubliners (Folkband), ohne Dubliners (Folkband) keine Neudefinition der irischen Folkmusik.

Die Geschichten von Joyces Dubliners, an dieser Stelle sei es rasch vermerkt, entstanden übrigens in den Jahren Anfang des 20. Jahrhunderts, da Joyce gerade aus Liebe zu seiner Heimatstadt nach Kontinentaleuropa geflohen war. Am 11. Oktober 1904 in Zürich angekommen, musste er zu seinem Missvergnügen feststellen, dass ihm die hiesige Berlitzschule keine Stelle anbieten konnte, woraufhin ihn der Direktor nach Triest sandte, wo er, nach einem Zwischenaufenthalt in Pola, ab März 1905 endlich arbeiten konnte. Obwohl Joyce schon im selben Jahr zwölf Erzählungen beendet hatte, sollte es noch neun Jahre dauern, bis die Dubliners endlich veröffentlicht wurden.

Wer den frühen (und vielleicht einzig lesbaren) Joyce gerne einmal kennen lernen möchte, dem sei die neue MP3-CD aus dem Hause Bertz + Fischer ans Herz gelegt. Joyce im Original, vorgelesen von einem professionellen Vorleser – das ist mal ein ganz neues Erlebnis. Die Lesung des Theaterschauspielers Ralph Cosham ist, das darf durchaus mal gesagt werden, ein einzigartiger Genuss von knapp sechsstündiger Dauer. Besonders sei übrigens auf jene Erzählung hingewiesen, die der Rezensent für eine der schönsten Stücke irischer Literatur zählt, weshalb er sie sich gleich noch ein zweites Mal angehört hat.

Gemeint ist natürlich die Geschichte von den Toten (The Dead) die mit einem Satz beginnt, der aufgrund seiner Eigenart für alle Zeiten wohl unvergesslich bleiben wird. Was aber kann Joyce denn nur gemeint haben, als er davon schrieb, dass Lily, die Tochter des Verwalters, ›buchstäblich‹ sich die Beine habe ablaufen müssen? Das kann ja nicht stimmen, ihre Beine hat Lily doch behalten. Hat Joyce also, was ja erfreulich wäre, einen Fehler gemacht – und das im ersten Satz? Kaum zu glauben. Nein, Joyce hat wohl dem Volk aufs Maul geschaut, und das Volk redet glücklicherweise, wenn auch zum Verdruss mancher Sprachpedanten, eben nicht immer so wie ein Wörterbuch.

Das Rezensionsexemplar wurde uns freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.