Grace Darling

Grace Darling ist in Deutschland kaum bekannt. In England aber ist sie eine Heldin, deren Name auch in der englischsprachigen Literatur immer wieder genannt wird.


Der englische Romantiker William Wordsworth (1770 bis 1850) veröffentlichte 1843 eine Hymne auf eine junge Frau, die in England noch heute als Heldin verehrt wird: Grace Darling. Hier die beiden Schlussverse der Lobpreisung, die insgesamt doch ein wenig peinlich geraten war:

Might carry to the clouds and to the stars,
Yea, to celestial Choirs, GRACE DARLING’S name!

[Wordsworth 1888: ›Grace Darling‹, S. 862]


50 Jahre später setzte ihr auch der viktorianische Autor Algernon Charles Swinburne (1837 bis 1909) ein Denkmal. Sein 108-zeiliges Gedicht war freilich nicht viel besser als das Machwerk seines Kollegen. Es beginnt folgendermaßen:

Take, O star of all our seas, from not an alien hand,
Homage paid of song bowed down before thy glory’s face,
Thou the living light of all our lovely stormy strand,
Thou the brave north-country’s very glory of glories, Grace.

[Swinburne 1894: ›Grace Darling‹, S. 69]

Ganz England liebt Grace Darling. Tatsächlich wird ihr Name in der englischsprachigen Literatur an vielen Stellen genannt, so auch im Geheimnis der Bow Street (7. Kapitel) und im Ulysses (13. Kapitel). In Deutschland ist das anders. Hier kennt kaum jemand ihren Namen. Wer also ist Grace Darling (1815 bis 1842)?

Ihre Heldengeschichte begann in der Nacht vom 6. auf den 7. September 1838 (→ Mitford 1988, S. 29 ff.). Die Uhr schlug gerade 4, als der Raddampfer Forfarshire vor der Küste von Northumberland an einem Felsen zerschellte und in zwei Teile zerbrach. Von den knapp 60 Besatzungsmitglieder und Passagieren an Bord konnten sich nur 9 auf ein Rettungsboot retten, die restlichen Schiffbrüchigen kämpften in den Fluten verzweifelt um ihr Leben. Doch lediglich 9 von ihnen, 4 Besatzungsmitglieder und 5 Passagiere, konnten sich auf einen Felsen retten.

Niemand konnte sie sehen noch hören mitten in der Nacht, zu weit waren sie von der Küste entfernt. Das Unglück blieb den Bewohnern des Leuchtturms aber nicht verborgen. Um 4.45 Uhr in der Früh erspähte Grace Darling, die Tochter des Leuchtturmwärters, das Wrack, doch erst um sieben Uhr, als das Licht allmählich besser wurde, entdeckte sie gemeinsam mit ihrem Vater auch die Gestrandeten, die fast eine dreiviertel Meile von ihnen entfernt waren.

Sie mussten gerettet werden, so viel war klar. Doch wer sollte Darling helfen? Seine Söhne waren alle außer Haus, nur seine Tochter konnte ihm beistehen. Tatsächlich zögerte sie nicht lange, nur kurze Zeit später machten sie eines jener für die Gegend typischen kleinen, flachen Ruderboote klar, um im Sturm den Überlebenden zu Hilfe zu eilen.

Als sie die Schiffbrüchigen endlich erreicht hatten, sprang Darling auf die Felsen und kümmerte sich um die Verletzten, derweil Grace alleine im Boot zurückblieb, die Riemen übernahm und mit geschickten Ruderschlägen zu verhindern wusste, dass das Boot an den scharfkantigen Felsen zerschellte.

Mit vier Männern und der einzigen überlebenden Frau kehrten sie zum Leuchtturm zurück, ehe Darling zusammen mit zwei der geretteten Besatzungsmitglieder zurückruderte, um auch die restlichen Überlebenden an Land zu bringen. Grace und ihre Mutter kümmerten sich unterdessen um die Geretteten.

Grace Darling starb nur vier Jahre später an der Schwindsucht.