Heeresbericht

Beim Blättern in Tucholskys Texten finden wir auch einen Hinweis auf ein Buch von Edlef Köppen: Heeresbericht.


Daten zum Buch

  • Autor: Edlef Köppen
  • Titel: Heeresbericht
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Berlin
  • Verleger: Horen-Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1930

Adolf Reisiger ist begeistert. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, verpflichtet er sich wie so viele andere auch aus freien Stücken zum Militärdienst. Er kommt zunächst zu einem Feldartillerieregiment an die Westfront, wo er bis zu einer schweren Verwundung stationiert ist. Noch immer ist er von seinem Einsatz überzeugt, jeden möglichen Zweifel blendet er vorerst weiter aus.

Nach seiner Genesung kämpft er bis zum Frieden von Brest-Litowsk an der Ostfront, ehe sein Regiment wieder in den Westen verlegt wird. Dort erlebt er hautnah mit, wie 1918 die deutsche Frühjahrsoffensive scheitert. Auch der Versuch, Mitte Juli noch einmal an Boden zu gewinnen, geht daneben.

Ein Schlag für die Armee, eine Bestätigung aber für Reisinger, dessen Einstellung sich im Laufe der Jahre gründlich geändert hat. Von seiner ursprünglichen Begeisterung ist nun nichts mehr zu spüren, jetzt muss er seinen Abscheu vor dem Krieg einfach herausschreien – und das kommt ihn teuer zu stehen.

Nach Jahren als Frontkämpfer gilt Reisiger in den Augen seiner Vorgesetzten nun als Defätist. Warum? Weil er genau das laut ausgesprochen hat, was viele nur zu denken wagen: dass nämlich der Krieg das größte aller Verbrechen sei. Was ist zu tun? Die Antwort liegt auf der Hand: den Verräter verhaften und ins Irrenhaus stecken. Ein Problem weniger für die Obrigkeit.

Ein Ende so realistisch wie das gesamte Buch. Dessen großes Plus ist die darin verwendete Montagetechnik. In der Tat hat es der Autor meisterhaft verstanden, Originaldokumente wie die Berichte des deutschen Heeres, Briefe, Tagebucheinträge, Zeitungsartikel, Zitate Kaiser Wilhelms oder auch Zeitungsinserate in seinen Text einzubauen. So liest man den Text so, als wäre man selbst dabei gewesen. Von welchem Kriegsroman kann man so etwas schon behaupten?

Kein Wunder also, dass das Buch auch von der zeitgenössischen Kritik mit viel Lob bedacht worden ist. Nur als ein Beispiel unter vielen sei auf Tucholsky verwiesen, der den Autor gar über Ernst Jünger gestellt hatte:

Hier ist einmal das geglückt, was Jünger nie recht geglückt ist, auch in den ersten seiner Kriegsbücher nicht, wo er seine Schreiberei noch nicht zum Handwerk erniedrigt hat. In der Schilderung Köppens steht an dieser Stelle kein Wort gegen den Krieg oder für den Krieg – es ist einfach wiedergegeben, was sich da begeben hat. Und das war schrecklich und groß, noch in seiner sinnlosen Widerwärtigkeit groß.
Das ist ein echtes Stück Dichtung.

Einer der lesenswertesten Antikriegsromane der Weimarer Republik – und heute sind Buch und Autor nahezu unbekannt: Wie ist so etwas nur möglich? Um eine Antwort zu finden, müssen wir uns in die damalige Zeit zurückversetzen. Tatsache ist nun mal, dass Kriegsbücher ihre Hochkonjunktur zu Beginn der 30er-Jahre schon hinter sich hatten. Arnold Zweig, Erich Maria Remarque und andere hatten das Feld im Jahr 1930 längst schon besetzt und keinen Raum mehr für weitere Bücher gelassen. Vielleicht also kam das Buch einfach zu spät auf den Markt.

Auch ein zweiter Aspekt spricht für diese These. Denn letztlich war dem Roman nur eine kurze Lebenszeit beschieden. Nur zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung kam es 1932 zu einer zweiten Auflage, ehe die Nationalsozialisten Tabula rasa machten und das Buch noch im Jahr der Machtergreifung auf den Scheiterhaufen warfen. Damit war das Schicksal des Romans besiegelt, Buch und Autor gerieten auf Jahrzehnte in Vergessenheit.

Zum Glück hat sich das inzwischen wieder geändert. Seit dem Jahr 2012 ist das Buch nämlich wieder im Handel erhältlich (ISBN: 978-3868201291), dem Nikol-Verlag sei Dank. Jetzt können sich auch die Leserinnen von heute von einem der besten Bücher der Weimarer Republik ein Bild machen. Bleibt zu hoffen, dass Edlef Köppens Heeresbericht in Zukunft noch viele Leserinnen finden möge.


Tucholskys Text: ›Ein Stück Dichtung‹, Autorenname: Peter Panter, Die Weltbühne 16/1931, S. 590