Ich habe den englischen König bedient

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein Buch, das ebenfalls durch einen Film bekannt geworden ist: Ich habe den englischen König bedient von Bohumil Hrabal.


Daten zum Buch

  • Autor: Bohumil Hrabal
  • Titel: Obsluhoval jsem anglického krále
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Prag
  • Verleger: Jazzová sekce
  • Erscheinungsjahr: 1971
  • Deutsche Erstausgabe: Ich habe den englischen König bedient (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1988, Übersetzung: Karl-Heinz Jähn)

Das ist mal ein feiner Roman. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: das ist ein feiner Roman bis zu einer bestimmten Stelle, danach hätte ich mir das Weiterlesen im Grunde sparen können.

Tatsächlich geht es mir im Falle von Ich habe den englischen König bedient (Obsluhoval jsem angkického krále) ganz ähnlich wie Hemingway mit Huckleberry Finn: Die ganze moderne amerikanische Literatur stamme von Mark Twains Buch ab, so Hemingway, nur müsse man dort zu lesen aufhören, wo man dem Jungen den Nigger Jim forthole, das sei der wirkliche Schluss, alles Weitere sei bloß Schwindel.

Die Geschichte um den Ich-Erzähler Jan Dítě beginnt äußerst flott und ist im Anfang wirklich recht angenehm zu lesen. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, versucht sich der Protagonist in den 30er-Jahren als Pikkolo in einem Hotel in einer tschechischen Kleinstadt in der Nähe von Prag durchzuschlagen. Doch Dítě ist ehrgeizig, er verfolgt höhere Ziele: als Millionär könnte er sich doch selbst irgendwann einmal ein kleines Hotel zulegen, ein Schmuckkästchen irgendwo im böhmischen Paradies oder so, auf dass man ihn achte wie andere Hoteliers auch.

Seine Karriere lässt sich gut an. Schritt für Schritt arbeitet er sich mit einer gewissen Portion Naivität (scheinbarer Naivität allerdings) auf der Erfolgsleiter empor, wechselt erst als zweiter Kellner ins Hotel Tichota in Prag, bevor er im Hotel Paris die Position des Platzkellners unter Oberkellner Skrivanek einnimmt. Von dem kann er viel lernen, denn Skrivanek ist ein wahres Wunder an Menschenkenntnis. So erkennt er nicht nur die Nationalität sämtlicher Gäste, er weiß auch, was sie bestellen werden. Auf die Frage, woher er das alles nur wisse, erhält Dítě von Skrivanek jene berühmte Antwort, er habe den englischen König bedient.

Für Dítě kommt es noch besser, denn als der abessinische Kaiser Haile Selassie zu Gast ist, ist er es, Dítě, der ihn bedient, wenn auch mehr zufällig als geplant. So übertrifft er sogar sein Vorbild Skrivanek, der im Gegensatz zu Dítě nur den englischen König, nicht aber den abessinischen Kaiser bedient hat.

Bis hierhin ist die Geschichte wirklich lustig zu lesen, doch als Dítě einer sudetendeutschen Turnlehrerin nachzulaufen beginnt, ändert sich der heitere Tonfall mit einem Male. Und hier liegt mein Problem. Das Thema der Kollaboration mit den Nazis ist zwar wichtig, doch die Art, wie Hrabal es erzählt, gefällt mir irgendwie nicht.

Am Beiwörtchen ›irgendwie‹ ist freilich unschwer zu erkennen, dass ich meine Abneigung nicht so recht zu erklären weiß. Das ist wohl wahr: ich kann es in der Tat nicht erklären. Wahrscheinlich liegt der Fehler bei mir, doch was tut das zur Sache? Ich weiß nur, dass mir die Lektüre zunehmend schwerer gefallen ist.

Etwa zu Mitte des Buches bleibt mir also das Lachen im Halse stecken, nichts Spaßiges kann ich mehr entdecken. Ein kleiner Schelm, der mit einer fanatischen Nationalsozialistin anbändelt, sie heiratet und ein Kind mit ihr zeugt gar – das ist, wie gesagt, irgendwie nicht mein Ding.

Nachdem das Naziweib bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen ist, nimmt Dítě den Koffer an sich, den sie bis zuletzt bei sich getragen hat. Er enthält eine wertvolle Briefmarkensammlung, die sie nach der Enteignung einer jüdischen Familie erbeutet hat. Dítě macht die Briefmarken zu Geld und erreicht damit endlich sein hartnäckig verfolgtes Ziel: er wird Millionär und Hotelier.

Doch der Krieg ist bald aus, und die Kommunisten stecken alle Millionäre, auch Dítě also, in ein Lager, wo er als Kriegsgewinnler allerdings von den anderen Inhaftierten gemieden wird. Sein ganzes Trachten war also für die Katz (na, immerhin).

So meldet er sich freiwillig als Straßenarbeiter und verpflichtet sich auf ein Jahr, eine unbefahrene Bergstraße instandzuhalten. Viel Zeit also für ihn, in der Einöde sein Leben zu reflektieren.

Hrabal stellte den Roman 1971 fertig, durfte ihn aber wegen eines damals bestehenden Publikationsverbots offiziell nicht veröffentlichen. Immerhin erschien das Buch im Selbstverlag, 1978 auch in einem Kölner Exilverlag. Die unzensierte Version konnte freilich erst nach 1989 veröffentlicht werden.

Inzwischen ist das Buch unter der Regie von Jiři Menzel auch verfilmt worden. Ob der Streifen, in dem Julia Jentsch die Lisa gibt, etwas taugt, vermag ich allerdings nicht zu sagen.


Das Bonmot Hemingways, die ganze moderne amerikanische Literatur stamme von Huckleberry Finn ab, ist in Die grünen Hügel Afrikas (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989, S. 22) zu finden.