Madame Bovary

Eine der berühmtesten Frauenfiguren der Weltliteratur findet sich in einem französischen Roman: Madame Bovary von Gustave Flaubert.


Daten zum Buch

  • Autor: Gustave Flaubert
  • Titel: Madame Bovary. Mœurs de province
  • Genre: Roman
  • Erstveröffentlichung: Revue de Paris, 1. Oktober 1856 bis 15. Dezember 1856
  • Verlagsort der Erstausgabe: Paris
  • Verleger: Michel Lévy Frères
  • Erscheinungsjahr: 1857
  • Deutsche Erstausgabe: Madame Bovary, oder: Eine Französin in der Provinz (Wien/Leipzig: Hartlebens Verlags-Expedition 1858, Übersetzung: Dr. Legné)

Die Geschichte der Madame Bovary ist zwar fiktiv, beruht aber auf einer wahren Begebenheit. Vorbild für die Heldin des Romans war eine gewisse Delphine Delamare. Ihre Geschichte bildete die Grundlage zu Flauberts Roman, an dem er nicht weniger als fünf Jahre lang gearbeitet hat, vom 19. September 1851 bis zum April 1856. Im Juni reichte er dann das Manuskript an seinen Verleger weiter, der es Ende des Jahres in der Revue de Paris in Fortsetzungen abdrucken ließ, ehe es im Jahr darauf komplett veröffentlicht wurde.

Die Rolle des Landarztes übernimmt bei Flaubert der arme Charles Bovary, den wir als 15-Jährigen an seinem ersten Tag im Gymnasium zu Rouen kennen lernen. Er ist ein Dutzendmensch, ein Langweiler und Spießer. Charles macht sein Examen, wird Arzt, geht nach Tostes und heiratet dort Héloïse Dubuc, eine 45-jährige Witwe eines Gerichtsvollziehers aus Dieppe, eine Witwe aber, die immerhin eine Rente von 1200 Francs mitbringt.

(Bei einer Hochzeit ist halt immer darauf zu achten, wie es um die finanziellen Verhältnisse der Braut bestellt ist. Wer die nötige Kohle nicht mitbringt, der darf sich nicht wundern, wenn der Bräutigam im letzten Augenblick doch noch einen Rückzieher macht. Aber das ist ja wohl selbstverständlich.) 

Bei einer ärztlichen Konsultation auf dem Hof Les Bertaux begegnet er dann aber der jungen Mademoiselle Emma. Als Héloïse im Februar 1837 stirbt, dauert es nicht lange, bis Charles der Mademoiselle einen Antrag macht. Sie heiraten im Juni 1838, leben zwei Jahre lang in Tostes, bevor sie nach Yonville ziehen. Warum aber tun sie das? Weil die arme Emma sich immerzu beklagt, weil sie leidet und kränkelt, weil sie kurz vorm Nervenkollaps zu stehen scheint. Zu diesem Zeitpunkt ist Emma bereits schwanger.

Als Emma ihre Tochter Berthe zur Welt bringt, hat sie mit Charles schon nicht mehr allzu viel am Hut. So beginnt sie eine Liebelei mit Léon Dupuis, der aber auch nicht mehr als Mittelmaß darstellt. Nachdem Léon Yonville verlassen hat, lernt Emma auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung einen Neuen kennen, Rodolphe Boulanger. Sie ist ganz begeistert von ihm, immer wieder wiederholt sie, dass sie einen Geliebten habe, einen Geliebten! Es ist fast so, als ob sie zum zweiten Male zur Frau geworden wäre:

Elle se répétait : J’ai un amant! un amant! se délectant à cette idée comme à celle d’une autre puberté qui lui serait survenue.

[Erstausgabe: Deuxième partie, IX, S. 228]

Doch auch diese Affäre ist nicht von Dauer; gerade als sie Fluchtpläne zu schmieden beginnt, lässt der Kerl sie sitzen und macht sich aus dem Staub. Da aber trifft Léon wieder ein, und ihre Liaison beginnt von Neuem. Um sich mit ihm treffen zu können, tischt sie Charles haarsträubende Märchen von irgendwelchen Klavierstunden auf. Weil Charles anderes im Kopf hat, merkt er nicht, wie ihm mitgespielt wird.

So richtig glücklich wird Emma aber wieder nicht. Trost findet sie nur noch in immer neuen Luxusgütern, die so viel Geld verschlingen, dass Emma bald hoffnungslos verschuldet ist. Als sie eines Tages aufgefordert wird, innerhalb von 24 Stunden ihre Schulden in Höhe von 8000 Francs zu begleichen, bricht sie zusammen. Sie versucht zwar noch alles, um das Geld aufzutreiben, doch als ihr das nicht gelingt, sieht sie nur noch einen Ausweg: Selbstmord.

Sie schluckt Arsen, worauf sich ihre Brust rasch hebt und senkt, die Zunge aus dem Munde heraustritt, ihre Augen hin und her rollen und wie Lampenglocken verblassen; fast könnte man sie für tot halten, wenn nicht ihr Brustkorb unter ihrem wütenden Atem sich so schrecklich bewegte, als wollte sich ihre Seele daraus befreien:

Sa poitrine aussitôt se mit à haleter rapidement. La langue tout entière lui sortit hors de la bouche; ses yeux, en roulant, pâlissaient comme deux globes de lampe qui s’éteignent, à la croire déjà morte, sans l’effrayante accélération de ses côtes, secouées par un souffle furieux, comme si l’âme eût fait des bonds pour se détacher.

[Erstausgabe: Troisième partie, VIII, S. 456]

Ein großartiges Buch. Die Leserin nimmt es zur Hand, schlägt die erste Seite auf, liest diese wie nebenbei herunter, kommt auf die zweite, auf die dritte und immer so weiter. Und eh sie sichs versieht, ohne dass sie es bemerkt, ist sie schon irgendwo auf Seite 377, wo Frau Emma einem Tod entgegenfiebert, der einem den Atem raubt. Diese Stelle ist unvergleichlich. Alleine deshalb, dieser einen Stelle wegen, lohnt es sich, dieses Buch zur Hand zu nehmen.