Morels Erfindung

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein Buch des argentinischen Schriftstellers Adolfo Bioy Casares: Morels Erfindung.


Daten zum Buch

  • Autor: Adolfo Bioy Casares
  • Titel: La invencíon de Morel
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Buenos Aires
  • Verleger: Editorial Losada
  • Erscheinungsjahr: 1940
  • Deutsche Erstausgabe: Morels Erfindung (München: Nymphenburger Verlagshandlung 1965, Übersetzung: Karl August Horst)

Es ist wohl kein Geheimnis, dass ich nicht gerade ein Freund unnötig langatmiger Romane bin. Seit jeher kann ich nicht verstehen, warum ein Autor 800 Seiten braucht, um eine Begebenheit zu schildern, die er auch in 200 oder weniger Worten hätte darlegen können. Umso lieber sind mir daher all jene Werke, die das gebotene Maß nicht überschreiten. Zu diesen anerkennenswerten Büchern gehört auch der Kurzroman Morels Erfindung, den der argentinische Autor Adolfo Bioy Casares 1940 veröffentlichte.

La invención de Morel darf mit allem Recht der Welt als fantastisch bezeichnet werden, fantastisch aber nicht alleine deshalb, weil der Autor hier ein höchst sonderbares und ungewöhnliches Thema verarbeitet, sondern vor allem auch deshalb, weil Bioy Casares sein Metier so meisterhaft beherrscht. Der Aufbau ist streng logisch, jeder Satz schließt sich harmonisch an den vorhergehenden an, kein Wort ist fehl am Platz, alles fließt. Kein Wunder also, dass Jorge Luis Borges die Fabel in seinem Vorwort als vollkommen bezeichnet.

Protagonist ist ein namenloser Ich-Erzähler, der, eines nicht näher bezeichneten Verbrechens angeklagt, auf eine einsame, von Überschwemmungen heimgesuchte Insel im Pazifik flieht und dort eine Existenz wie Robinson zu führen beginnt. Doch ganz so alleine, wie er zunächst glaubt, ist er dort gar nicht. So entdeckt er auf seinen Streifzügen eine Kapelle, ein Schwimmbecken und ein museumsartiges Gebäude, in dessen Kellerräumen er riesige Maschinen vorfindet, deren Zweck er sich zunächst nicht erklären kann.

Mehr noch: Unverhofft tauchen mit einem Male allerlei Menschen auf – Polizisten vielleicht, die gekommen sind, ihn festzunehmen? Er vermutet es, kann es aber nicht mit Gewissheit sagen. So beobachtet er sie eine Weile, bis er merkt, dass sie eher Feriengästen als Polizisten gleichen. Was aber mag das alles bedeuten?

Unter den Urlaubern ist auch eine Frau namens Faustine, deren Schönheit ihn magisch in den Bann zieht. Was aber macht ein Mann in einer solchen Situation? Er gibt seine Deckung auf und will sich ihr nähern, nur leider würdigt sie ihn keines Blickes, fast scheint es so, als schaute sie einfach durch ihn hindurch.

Die anderen Touristen nehmen ihn ebenfalls nicht wahr, auch Morel nicht, in dem der Erzähler einen Rivalen um Faustine ausmacht. Durch eine Erzählung eben jenen Morels erfährt der Protagonist endlich aber, was es mit den unheimlichen Menschenwesen auf sich hat. Mit Hilfe seiner Erfindung hat Morel die Inselbewohner irgendwann einmal eine Woche lang fotografiert, um das Aufgezeichnete später in einer perfekten dreidimensionalen Projektion wiederzugeben, einem Hologramm vergleichbar. Solange die Maschinen im Museum weiterlaufen, werden diese Abbilder in alle Ewigkeit in die Wirklichkeit projiziert. Virtuell sind sie quasi unsterblich geworden.

Um aber der geliebten Faustine nahe zu sein, muss sich auch der Erzähler in die künstliche Ewigkeit dieser Projektion versetzen lassen. Bleibt nur die Frage, ob er die eigene Sterblichkeit wirklich gegen die technische Unsterblichkeit eintauschen wird?