Weekend oder Wochenende

Beim Blättern in alten Papieren sind wir wieder auf einen faszinierenden Artikel gestoßen. Darin beschreibt der Autor ein Phänomen, das heute viele Sprachkritiker in Begeisterungsstürme ausbrechen ließe: die Eindeutschung eines aus dem Englischen stammenden Begriffs.


Die Comedian Harmonists sprechen mit ihrem Song allen Menschen aus dem Herzen: Wochenend und Sonnenschein – kann es etwas Schöneres geben? Wohl kaum.

Die Melodie verbreitet entsprechend gute Laune. Geschrieben hat sie der amerikanische Komponist Milton Ager, dessen 1929 entstandenes Originalstück Happy Days Are Here Again später von Franklin Delano Roosevelt als Wahlkampfschlager eingesetzt wurde. Den Originaltext schrieb Jack Yellen.

Auch die Comedian Harmonists nahmen das Lied in ihr Repertoire auf, allerdings in einer deutschen Fassung. Autor des Texts war Charles Amberg.

Der konnte bei der Wahl des Titels auf ein Wort zurückgreifen, das noch wenige Jahre zuvor in Deutschland unbekannt gewesen war. Wie wir im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm erfahren, ist das Wort erst seit dem Weltkrieg modisch geworden – und zwar durch den englischen Begriff weekend.

Ein englischer Ausdruck, der einfach so in die deutsche Sprache übernommen wird? O Zeiten, o Sitten.

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Schlechte erste Sätze

Der erste Satz eines Romans ist immer eine heikle Sache. Das weiß keiner besser als Edward Bulwer-Lytton, nach dem sogar ein ganzer Wettbewerb benannt ist.

In der Tat heißt es in allen Ratgebern zur Stilkunde immer wieder, der erste Satz sei der wichtigste überhaupt. ›Bedenke wohl die erste Zeile‹, hat ja auch schon Goethe gesagt (→ Faust I. Studierzimmer).

Doch es gibt durchaus Ausnahmen. Immerhin haben auch Tolstoi (Krieg und Frieden) und Thomas Mann (Buddenbrooks) bewiesen, dass dieses Diktum nicht unbedingt stimmt. Zudem sind viele Einstiegssätze, die für gut und schön befunden werden, alles andere als gut und schön (siehe Grass, Der Butt).

Ein Preisausschreiben von 1925

Beim Blättern in alten Papieren sind wir wieder auf einen faszinierenden Artikel gestoßen. Darin geht es um einen von zwei Verlagen ausgelobten Buchpreis.


100.000 ist eine stolze Zahl. Sechsstellige Ziffern sind fast immer beeindruckend, vor allem wenn es ums Geld geht. Nun war das freilich nicht immer so. Man schaue sich nur einmal das Inflationsjahr 1923 an. Hatte ein Kilogramm Butter vor dem Krieg in Berlin noch 2,60 Mark gekostet, so war der Preis im Januar 1923 zunächst auf 5500 Mark gestiegen, bevor die Entwicklung geradezu explosionsartig über 30.300 Mark im Juni bis hin zu 5,6 Billionen Mark am 26. November weiterging.

100.000 Mark waren damals also so gut wie nichts wert. Ein Buchpreis in dieser Höhe hätte jedenfalls keinen Hund hinterm Ofen hervorgelockt. Wie anders aber kaum zwei Jahre später. 100.000 Mark waren nun plötzlich wieder ein wahrer Geldsegen, entsprachen sie doch dem Wert von mehr als 400.000 Euro – eine unerhörte Summe.

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Schätze aus dem Antiquariat

Schon oft haben wir Bücher vorgestellt, die nur noch im Antiquariat erhältlich sind. Meistens sind sie umso lesenswerter.


Es gibt viele großartige Bücher, die im regulären Buchhandel derzeit nicht angeboten werden. Das ist schade. Denn zumeist handelt es sich dabei um wahre Perlen, die auch heute noch überaus lesenswert sind. Was ist da zu tun?

Nun, die interessierte Leserin kann versuchen, sich das entsprechende Buch im Antiquariat zu besorgen. Nicht alle Juwelen sind auf diese Art noch zu bekommen, viele aber doch. Auch auf unserem Nachttisch sind im Laufe der Zeit viele solcher Bücher gelandet.

Werfen wir an dieser Stelle also kurz einen Blick auf all die Schätze aus dem Antiquariat, die wir bisher besprochen haben. Weitere werden folgen.

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Werthers wahre Geschichte

Der Briefroman Die Leiden des jungen Werther machte Goethe berühmt. Die Geschichte beruht zum Teil auf wahren Begebenheiten.


Goethe war ungehalten. Anstatt ihm über sein Büchlein etwas Verbindliches zu sagen, wollten sie sämtlich nur wissen, ›was denn eigentlich an der Sache wahr sey?‹ Über welche Frage er ›sehr ärgerlich wurde‹ und sich ›meistens höchst unartig dagegen äußerte‹ (DuW).

Nun, was ist denn wahr an Goethes Werther? Genau können wir es natürlich nicht sagen, aber so viel zum Hintergrund: Von Mai bis September 1772 als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar tätig, hatte Goethe reichlich Zeit, um sich den verschiedensten Lustbarkeiten zu widmen.

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Mark Twain schreibt eine Fortsetzung

Jugendliche Helden gibt es in der Literatur einige. Die beiden bekanntesten stammen aus der Feder von Mark Twain: Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Über beide hat er ein eigenes Buch geschrieben. Das zweite hätte er aber um ein Haar gar nicht veröffentlicht.


Im Alter von 40 Jahren veröffentlichte Mark Twain einen Jugendroman über einen jungen Lausbuben: The Adventures of Tom Sawyer. Das Buch wurde ein großer Erfolg. Was also lag näher, als eine Fortsetzung zu veröffentlichen? In der Tat war die Nachfrage so groß, dass er sich ein Formschreiben drucken lassen musste, in dem er darauf hinwies, dass er durchaus die Absicht besitze, die Geschichte des Tom Sawyer fortzuschreiben, es ihm aber leider derzeit noch nicht möglich sei zu sagen, wann er denn damit beginnen werde (→ Hearn 2003, S. xiv).

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Die Affäre Berthet

Stendhals Roman Rot und Schwarz liegt eine wahre Begebenheit zu Grunde, in der es um einen versuchten Mord ging. 


Antoine Berthet war ein junger Stutzer, dessen Fall im frühen 19. Jahrhundert in Frankreich für reichlich Aufregung sorgte. Tatsächlich erregte die so genannte Affäre Berthet auch die Aufmerksamkeit des französischen Schriftstellers Stendhal, der sich ausführlich über den Fall informierte und in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1829 mit der Niederschrift seines Romans Le Rouge et le Noir. Chronique du XIXe siècle begann, der nur ein Jahr später in zwei Bänden erschien.

Was also war vorgefallen? In der Familie Michoud als Hauslehrer tätig, verliebte sich der junge Stutzer Antoine Berthet in die Dame des Hauses und musste die Familie nach knapp einem Jahr wieder verlassen. Später ging er bei einer anderen Familie ein Liebesverhältnis mit der Tochter des Hauses ein und wurde auch dort sofort entlassen. Damit war natürlich auch seine Chance auf eine Stelle im Priesterseminar dahin, woraufhin er in Briefen an Madame Michoud drohte, sie sowohl als auch sich selbst zu töten.

Tatsächlich machte er seine Drohungen bald darauf wahr und feuerte am 22. Juli 1827 während der Sonntagsmesse auf Madame Michoud, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. Ein guter Schütze kann er aber nicht gewesen sein, sonst hätten beide wohl kaum überlebt. Vorläufig zumindest, da Berthet später vor Gericht kam und schließlich zum Tode durch die Guillotine verurteilt wurde.

Austens Arbeitstitel

Der berühmteste Roman von Jane Austen ist unter dem Titel Pride and Prejudice bekannt. Ursprünglich lautete er aber anders: First Impressions.


Jane Austen schrieb die ersten Notizen zu Stolz und Vorurteil bereits im Jahre 1796 nieder. Der Arbeitstitel First Impressions, den sie damals benutzte, verweist darauf, wie prägend der erste Eindruck sein kann. Aber wie wir ja alle wissen, täuscht der erste Eindruck mitunter schon mal.

Später hat Austen den Roman dann umbenannt, und noch etwas anderes hat sie geändert. Die ursprünglich angedachte Form des Briefromans hat sie bereits in der ersten Fassung 1797 durch die epische Form ersetzt. Bis der Roman schließlich veröffentlicht wurde, vergingen aber noch 16 Jahre (→ Grawe 2010, S. 64 ff.).

Die 1500 Exemplare, die im Januar 1813 in London erschienen, waren dann aber binnen sechs Monaten ausverkauft, sodass noch im selben Jahr eine zweite Auflage gedruckt wurde (→ Austen 2001, S. 401). Nur wusste damals keiner ihrer Leserinnen, wer das Buch eigentlich geschrieben hatte.

Es war zwar nicht jedem unbekannt, doch der breiten Öffentlichkeit gegenüber konnte Austen die Anonymität bis zu ihrem Tod 1817 wahren.

Jane Austen, Kurzzeitverlobte

Jane Austen blieb ihr Leben lang unverheiratet. Einmal wäre sie aber um ein Haar in den Hafen der Ehe eingelaufen.


Jane Austen schrieb schöne Romanzen, war selbst aber nie verheiratet. Mit Männern hatte sie in der Tat nie viel am Hut, auch wenn sie als 27-Jährige fast einmal den Bund der Ehe eingegangen wäre. Am Abend des 2. Dezember 1802 hatte nämlich der junge Harrison Bigg-Wither um ihre Hand angehalten – und tatsächlich ihr Jawort erhalten.

Das war überraschend. Warum hatte sie den Antrag ihres Verehrers angenommen? Das ist schwer zu sagen. Vielleicht fand sie den sechs Jahre jüngeren Bigg-Whither, der wohl etwas stotterte und deshalb ein wenig schüchtern war, einfach nur nett. Vielleicht hatte sie auch nur Mitleid mit ihm. Wir wissen es nicht, denn Briefe aus jener Zeit sind nicht überliefert.

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Tolstoi braucht Zeit

Manchmal entwickelt sich ein Romanprojekt anders als geplant. Leo Tolstoi kann ein Lied davon singen.


Krieg und Frieden ist ein Riesenwerk. Dabei hatte alles noch ganz harmlos angefangen. Ursprünglich hatte Tolstoi nur über die Dekabristen etwas schreiben wollen, über jene adligen Offiziere, die sich anno 1825 gegen Zar Nikolaus I. verschworen hatten, dafür aber hingerichtet oder, was ja nicht ganz so unerfreulich ist, zumindest nach Sibirien verbannt worden waren. Genau dies war auch der Ausgangspunkt für Tolstois Plan: Der Held des Romans kehrt nach 30 Jahren in sibirischer Gefangenschaft nach Russland zurück.

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