Reise um mein Zimmer

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein wunderbares kleines Buch von Xavier de Maistre: Reise um mein Zimmer.


Daten zum Buch

  • Autor: Xavier de Maistre
  • Titel: Voyage autour de ma chambre
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Lausanne
  • Erscheinungsjahr: 1794
  • Deutsche Erstausgabe: Reise um mein Zimmer (Riga 1874, Übersetzung: Adolf Ey)

Ich liebe solche Bücher. Solche, die eine Geschichte auf eine andere Art erzählen als normalerweise üblich, solche die vom linear-langweiligen Pfad abkommen und komplizierte Umwege gehen. Lorenz Sterne vor allem war ein Meister darin, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, von A nach Z nicht schnurgerade über B, C, D usw. zu gelangen, sondern abzuschweifen in alle möglichen Richtungen, vielleicht nach G erst oder T, vielleicht aber auch nach Jot oder Ypsilon.

Allerdings wollen wir hier nicht von Sterne sprechen, sondern von einem seiner Nachfolger im Geiste, Xavier de Maistre. Doch wer kennt den Mann überhaupt? Der einzige Maistre, der halbwegs bekannt ist, ist wohl nur derjenige, Joseph geheißen, der jenes berühmte Bonmot geprägt hat, dass jedes Volk genau die Regierung besitze, die es verdiene.

Josephs Bruder Xavier war zu seiner Zeit vor allem bekannt als ein rechter Bonvivant, der sich von einem aufregenden Abenteuer ins nächste stürzte. So gehörte er auch zu den Ersten, die in einem der Heißluftballone der Brüder Montgolfier sich begaben, damit über Chambéry fuhr, bevor die Montgolfiere über einem Kiefernwald abstürzte.

Es versteht sich von selbst, dass solch einen Abenteurer eine Inhaftierung natürlich besonders schwer ankommt. Doch was war da zu machen, der sechswöchige Stubenarrest musste irgendwie überstanden werden. Was also tat er? Er setzte sich hin und verfasste in dieser Zeit einen kleinen Reisebericht – nicht einen aber, der seine Leserinnen in die fernsten Winkel der Erde führt, sondern vielmehr einen, der die Grenzen der eigenen vier Wände nicht sprengt.

Sich selbst zu finden, seine Gedanken zu ordnen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – das alles war Ziel seines Berichts Reise um mein Zimmer (Voyage autour de ma chambre, 1794), den ich gerade in der wunderbar gelungenen Übersetzung von Caroline Vollmann (Frankfurt am Main: Zweitausendeins 2005) zu Ende gelesen habe.

Sicher, Maistre ist kein Sterne (den er würdigt, indem er im Kapitel XXIV einen Onkel Tobie auftreten lässt), dennoch gehört sein Bericht zum Besten, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Auffallend übrigens, dass er die 42 Tage dauernde Reise in genau 42 Kapiteln erzählt, womit wohl eindeutig bewiesen wäre, dass Xavier de Maistre schon lange vor Douglas Adams sich über die Bedeutung dieser mysteriösen Zahl im Klaren war.

Wer Lust hat, der sollte auch die nachfolgende Nächtliche Expedition um mein Zimmer (Expédition nocturne autour de ma chambre, 1825) lesen, auch wenn sie nicht an die Qualität des Originals herankommt. Aber das ist bei einem Nachfolgewerk wohl völlig normal (wie wir ja auch bei Adams sehen können).