Sherlock Holmes

Detektive gibt es in der Literatur mehr als genug. Der berühmteste von ihnen stammt natürlich aus England: Sherlock Holmes.


Berühmte Detektive gibt es zuhauf, Auguste Dupin zum Beispiel, Hercule Poirot, Miss Marple, Peter Wimsey oder Philip Marlowe. Der berühmteste aber ist ganz zweifelsohne der etwas exzentrische Mr. Sherlock Holmes, der zu seiner Zeit den Kriminalisten von Scotland Yard in seiner Funktion als beratender Detektiv immer wieder helfend unter die Arme gegriffen hat.

Dass wir seine Abenteuer auch heute noch kennen, da er schon lange nicht mehr am Leben zu sein scheint, haben wir seinem Adlatus zu verdanken, dem ehrenwerten Doktor Watson, der all die Fälle, mit denen Holmes sich befasste, wohlgefällig in sein Notizbuch einzutragen pflegte.

Watson war in der Tat ein feiner Mann, kein anderer als er hätte wohl die Schrullen seines Mitbewohners ertragen, der ja lange Zeit keine Mieter für die Wohnung in der Baker Street Nr. 221B finden konnte, wie es im ersten Kapitel der 1887 in der Zeitschrift Beeton’s Christmas Annual erstmals erschienenen Geschichte A Study in Scarlet (dt. Eine Studie in Scharlachrot) heißt. Watson hatte übrigens sechs Jahre mit der Veröffentlichung gewartet, immerhin lernten sich die beiden bereits im Jahre 1881 kennen.

Dem Doktor ging es zu jenem Zeitpunkt nicht allzu gut, war er doch gerade aus dem Zweiten Anglo-Afghanischen Krieg nach London zurückgekehrt, verwundet an Körper, Geist und Seele. Über seine Verwundung machte der Arzt, der in Afghanistan zum Medizinischen Dienst der Armee gehörte, allerdings recht unterschiedliche Angaben. Behauptete er zunächst, eine Vorderlader-Kugel habe ihm die Schulter zerschmettert und die Arterie des Schlüsselbeins versehrt, so sprach er später von einer Verletzung am Bein. Einen Grund für diese eigentlich unerklärliche Änderung wird er seinerzeit wohl gehabt haben, nur leider lässt sich das heute nicht mehr feststellen. (Wahrscheinlich lag es daran, dass ihm bei jedem Wetterumschwung ein anderer Körperteil wehtat, mal war es die Schulter, mal das Bein.)

Eine Studie in Scharlachrot ist eine nette kleine Darstellung eines mysteriösen Mordfalls, an dem sich die beiden besten Köpfe Scotland Yards, die Inspektoren Lestrade und Gregson, erstaunlicherweise die Zähne ausbeißen, obwohl die Lösung für Holmes nachgerade ein Kinderspiel ist (das sollen die besten Köpfe sein – oje). Der Mörder ist bald verhaftet, womit die Erzählung eigentlich schon ein Ende haben könnte; sie geht aber noch weiter, da Watson glaubt, auch die Vorgeschichte des Mordes noch in epischer Breite darlegen zu müssen. Das ist unnötig, aber was will man da machen?

Im Februar 1890 legte Watson im Lippincott’s Magazine seine zweite Geschichte vor, The Sign of the Four (dt. Das Zeichen der Vier), die für ihn von ganz besonderer Bedeutung sein sollte, lernte er doch bei diesem Fall seine spätere Ehefrau kennen.

Nach der Hochzeit verließ er die Baker Street Nr. 221B und gründete eine eigene Arztpraxis, blieb seinem Freund Holmes aber auch danach stets freundlich verbunden. Wie uns Watson in der Geschichte The Adventure of the Empty House (dt. Das leere Haus) mitteilt, war seiner Gattin leider kein langes Leben beschieden, noch in jungen Jahren sank sie ins Grab. Später heiratete er ein zweites Mal, behielt aber sämtliche Einzelheiten für sich. So wissen wir nicht einmal, wie seine zweite Ehefrau hieß.

Die zweite Geschichte um die Abenteuer von Sherlock Holmes ist etwas spannender als die erste, der ganz große Kitzel bleibt aber auch diesmal aus – und wieder, weil Watson sich viel zu lange mit unwichtigen Details aufhält, die niemanden so recht interessieren.

So richtig mitreißend wird es erst, als sich Watson dazu entschließt, seine Erzählungen durch entsprechende Kürzungen entscheidend zu beschleunigen. So verschaffte die Darstellung A Scandal in Bohemia (dt. Ein Skandal in Böhmen), die Watson 1891 im Strand Magazine veröffentlichte, dem guten Holmes endlich die Aufmerksamkeit, die er schon lange verdient hatte.

Im Laufe dieses Falles lernte Holmes übrigens auch die verschlagene Irene Adler kennen, jene Frau, die für ihn die Frau war, diejenige auch, die ihn, der sich zuvor gerne über den Intellekt der Frauen lustig gemacht hatte, eines Besseren belehrte und von der Klugheit des zarteren Geschlechts überzeugte.

Später vereinte Watson zwölf Geschichten zu einem ersten Sammelband The Adventures of Sherlock Holmes (dt. Die Abenteuer des Sherlock Holmes), der im Jahre 1892 erschien und den er dem berühmten Mediziner Joseph Bell (1837 bis 1911) widmete, der von 1874 bis 1901 an der Universität von Edinburgh als Chirurgus und Dozent wirkte. Es ist ganz eindeutig, dass Holmes dem Pionier der Forensik, von dem er alles lernte, viel zu verdanken hatte.

Der Gegner, der Holmes am meisten zu schaffen machte, war ganz eindeutig jener unsägliche Professor Moriarty, mit dem er sich einmal sogar eine Art Faustkampf lieferte, bei dem beide, Holmes wie auch Moriarty, nach Watsons Aussage 1893 in die Reichenbachfälle bei Meiringen in der Schweiz gestürzt sind (The Final Problem, dt. Das letzte Problem).

Hierin aber täuschte sich Watson, der selbst am meisten um den verloren geglaubten Freund trauerte. Holmes war nämlich gar nicht tot, dank seiner Kenntnis einer japanischen Kampfkunst hatte er sich Moriartys Griff doch noch entziehen können und war anschließend die Klippen hinaufgeklettert. Der Umstand, dass er für tot erklärt worden war, war ihm allerdings entgegengekommen. Warum er aber Watson nie informiert hat, ist schwer zu sagen. Vielleicht führte Watson die Öffentlichkeit ja ganz bewusst in die Irre – wer weiß?

Leider ist das genaue Todesdatum von Watson und Holmes nicht bekannt. Das verblüfft. Denn normalerweise werden die Todesanzeigen solch herausragender Persönlichkeiten der britischen Gesellschaft stets in der altehrwürdigen Londoner Times veröffentlicht – was bei Holmes und Watson unbegreiflicherweise nicht der Fall war. Eine Erklärung dafür gibt es nicht.

Wenigstens wissen wir, dass Holmes, wie es in His Last Bow (dt. Seine Abschiedsvorstellung) heißt, im August 1914 etwa 60 Jahre alt war, gestorben ist er also inzwischen ganz gewiss. Außer natürlich, er hätte durch seine chemischen Forschungen das Lebenselixier gefunden – aber das ist wohl eher auszuschließen.

Oder etwa nicht? Weilt der große Sherlock Holmes vielleicht noch unter uns, zurückgezogen auf seinem Ruhesitz irgendwo auf einer einsamen Insel im Pazifik – fern von der Zivilisation? Kaum zu glauben, aber möglich ist bekanntermaßen ja fast alles.