Sophie Scholl – ein Folteropfer?

In einigen Berichten über die Weiße Rose wird Sophie Scholl als Folteropfer dargestellt. Dieser Irrtum geht auf mehrere fehlerhafte Berichte der damaligen Zeit zurück.


Das Gerücht, Sophie Scholl sei nach ihrer Verhaftung von der Gestapo gefoltert worden, taucht in der Literatur über die Weiße Rose auch heute noch auf, vor allem in englischsprachigen Essays, die im Internet erscheinen.

Gerne wird in diesem Zusammenhang auf den US-amerikanischen Journalisten William L. Shirer verwiesen, der noch 1960 in seiner sonst so exzellenten Studie über das Dritte Reich behauptet, sie sei während ihrer Vernehmung so unmenschlich behandelt worden, dass sie mit gebrochenem Bein vor Gericht erschienen sei (→ Shirer 1990, S. 934).

Auch Allen W. Dulles (Germany’s Underground) und John W. Wheeler-Bennet (The Nemesis of Power) verbreiteten in ihren Büchern diese Legende. Aus welcher Quelle sich diese Vermutung speist, lässt sich nur schwer sagen. Bekannt ist, dass Sophie Scholls Zellengenossin Else Gebel nach Kriegsende davon gesprochen hat; freilich ist Gebels Aussage bekanntermaßen mit Vorsicht zu genießen.

Das Gerücht bestand allerdings schon lange vorher. So beschreibt die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich in einem Tagebucheintrag vom 23. März 1943 die Erzählung eines Geheimkuriers, der in seinem Lagebericht davon sprach, dass Sophie Scholl beim Verhör das Bein gebrochen worden sei und sie zur Hinrichtungsmaschine habe getragen werden müssen (→ Andreas-Friedrich 1986, S. 106).

Weiter verbreitet wurde der Mythos dann in einigen frühen Nachkriegsartikeln, die sich teilweise auch mit einer angeblichen Kusine der Geschwister Scholl beschäftigten. Annemarie Scholl behauptete darin, dass sie genauso wie Sophie Scholl von der Gestapo gefoltert worden sei (→ Hikel, S. 53 f.).

Dass Berichte über die Weiße Rose in jener Zeit noch überaus fehlerhaft waren, ist natürlich den damaligen Umständen geschuldet. Heute sollten nachweislich falsche Angaben freilich nicht mehr wiederholt werden.