Vorbild: Charlotte Craddock

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Sophie Western hatte ein reales Vorbild: Charlotte Craddock (→ Amos 1985, S. 542).

Mit all der Anmut, in die die Natur sie kleiden könne, hat Henry Fielding die junge Sophia in seinem Roman Tom Jones versehen; geschmückt ist sie mit Schönheit, Jugend, Morgenfrische, Unschuld, Bescheidenheit und Zärtlichkeit, auf ihren Rosenlippen liegt ein Hauch von Süße, glitzernder Glanz leuchtet in ihren strahlenden Augen.

So spricht wohl nur einer, der seine Frau aufrichtig liebt – und genau das tat Fielding, der Sophia seiner früh verstorbenen ersten Ehefrau Charlotte Craddock (1715 bis 1744) nachgeformt hat.

Tom Jones

Zu unseren Lieblingsbüchern gehört auch der große humoristische Roman von Henry Fielding: Tom Jones.


Daten zum Buch

  • Autor: Henry Fielding
  • Titel: The History of Tom Jones, a Foundling
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: London
  • Verleger: Andrew Millar
  • Erscheinungsjahr: 1749
  • Deutsche Erstausgabe: Historie des menschlichen Herzens, nach den Abwechslungen der Tugenden und Laster in den sonderbaren Begebenheiten Thomas Jones, eines Findlings (Hamburg: Hertel 1749, Übersetzung: Matthias Arnold Wodarch)

Mal ganz ehrlich: Was schon ist die Statue der Mediceischen Venus, was die Galerie der Schönen im Hampton Court, was die strahlenden Churchills gegen sie, die daherkommt versehen mit all der Anmut, in die Natur sie kleiden kann; geschmückt mit Schönheit, Jugend, Morgenfrische, Unschuld, Bescheidenheit und Zärtlichkeit, auf ihren Rosenlippen einen Hauch von Süße und glitzernden Glanz in ihren strahlenden Augen? Nichts.

So charming may she now appear! and you the feathered choristers of nature, whose sweetest notes not even Handel can excell, tune your melodious throats to celebrate her appearance. From love proceeds your music, and to love it returns. Awaken therefore that gentle passion in every swain: for lo! adorned with all the charms in which nature can array her; bedecked with beauty, youth, sprightliness, innocence, modesty, and tenderness, breathing sweetness from her rosy lips, and darting brightness from her sparkling eyes, the lovely Sophia comes!

[Ausgabe von 1791: Book IV, Chapter II, S. 177 f.]

Nun, auch Fielding sagt ja, dass er in sie verliebt sei (was kein Wunder ist, da er sie ganz offensichtlich seiner ersten Ehefrau Charlotte Craddock nachgeformt hat); und er meint, dass auch die Leserin im Laufe der Zeit sich in sie verlieben würde – womit er wohl durchaus Recht hat, denn es kann wahrscheinlich kaum eine Leserin geben, die das Geschick der jungen Sophia Western kaltsinnig lässt. Sie hat es in der Tat nicht ganz leicht. Als ihr Vater sich nämlich auf der Suche nach seiner Tochter befindet, sie aber nicht findet, ruft er etwas aus, das wohl ungefähr so viel heißen soll wie: Pah, zum Teufel mit dem Luder.

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