Von Goethe – oder nicht?

Johann Wolfgang Goethe hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Der bekannte Kanon ist in der Tat gewaltig. Könnte er aber nicht sogar noch größer sein? Zugeschrieben werden ihm jedenfalls noch viele weitere Texte. Doch stammen sie wirklich von Goethe?


Goethe hat enorm viel geschrieben, so viel ist klar. Doch nicht alles, was mit seinem Namen gezeichnet ist, ist auch tatsächlich seiner Feder entflossen. Als Beispiel sei nur jener berühmte Aufsatz genannt, der sich mit der rechtlichen Stellung des Flohs in der Gesellschaft befasste. Schon im Vorwort der Juristischen Abhandlung über die Flöhe, deren erste Auflage im Jahre 1839 in Berlin erscheinen ist (also sieben Jahre nach des Dichters Tod), wird auf Goethe verwiesen:

Es ist nicht unbekannt, daß Goethe in den verschiedenen Zeiten seines Aufenthalts zu Leipzig, Straßburg und Wetzlar mehrere juristische Abhandlungen schrieb, von denen jedoch keine unter seinem Namen erschienen ist. Dahin gehört auch nachfolgendes, die rechtlichen Verhältnisse der Flöhe betreffendes Werkchen, dessen Entstehung wahrscheinlich in die Zeit, wo sich Goethe zu Straßburg aufhielt, fällt.

[Ausgabe von 1864: Vorwort, S. iii]

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Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde

Bettine von Arnim war eine beeindruckende Frau, die ganz erstaunliche Bücher veröffentlicht hat – darunter auch ihr bekanntestes: Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde.


Daten zum Buch

  • Autorin: Bettine von Arnim
  • Titel: Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde
  • Genre: Briefroman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Berlin
  • Verleger: Ferdinand Dümmler
  • Erscheinungsjahr: 1835

50 Jahre alt war es schon, das Kinde, als es 1835 seinen Briefwechsel mit dem drei Jahre zuvor verstorbenen Goethe publizierte. (Und dabei den damals noch gebräuchlichen Genitiv-Apostroph verwendete. Benutzte sie ihn heute, so gälte sie wohl bald als Blödling, Dussel oder Simpel. So ändern sich die Zeiten.)

Freilich handelte es sich nicht um die originalen Briefe, die Bettine von Arnim (geb. Brentano) in Druck gab. Sie änderte die Briefe nach Gutdünken, schrieb vieles um, ließ einiges weg, dichtete neue Motive hinzu. Auf diese Weise erschuf sie sich quasi ihre eigene Welt.

Bettine hatte Goethe schon früh schätzen gelernt. Kein Wunder, dass sie restlos begeistert war, als sie im Juni 1806 in Offenbach die Briefe entdeckte, die Goethe in den Jahren zwischen 1772 und 1775 an ihre Großmutter Sophie von La Roche geschickt hatte. Wie sie selbst an einer Stelle meinte (zweiter Teil), gehörte die Liebe zu Goethe letztlich zum Erbteil ihrer Mutter Maximiliane.

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Über den Alexandriner

Dichter benutzen verschiedene Formen, um ihren Gedichten eine bestimmte Gestalt zu geben. Dazu gehört auch der Alexandriner.


Der Alexandriner ist ein sechshebiger jambischer Vers mit einer Binnenzäsur nach der dritten Hebung, bestehend aus 12 (bei stumpfen, männlichen Ausklang) oder 13 Silben (bei klingendem, weiblichen Ausklang). Hier ein Beispiel aus der Feder Goethes:

Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,
Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen.

[Faust. Der Tragödie zweiter Teil: Vierter Akt,  V. 11.029 f.]

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Der schriftliche Nachlass der Anne Frank

Anne Frank hat außer ihrem Tagebuch noch andere Schriften hinterlassen, die inzwischen samt und sonders in gedruckter Form vorliegen. Nachfolgend ein kurzer Überblick.


Das kleine Album fällt einem sofort ins Auge. Es ist fast quadratisch, nicht sehr viel größer als eine moderne CD-Hülle (14,3 mal 16,6 Zentimeter), dafür aber umso bunter: rote, weiße, grüne, graue Karos auf dem Umschlag – außergewöhnlicher geht es kaum noch.

Anne Frank hatte sich dieses Büchlein mit den unlinierten Seiten selbst in einer Buchhandlung ausgesucht und zu ihrem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 schenken lassen.

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Jahrmarkt der Eitelkeit

Zu unseren Lieblingsbüchern gehört auch das Meisterwerk von William Makepeace Thackeray: Jahrmarkt der Eitelkeit.


Daten zum Buch

  • Autor: William Makepeace Thackeray
  • Titel: Vanity Fair, or, A Novel without a Hero
  • Genre: Roman
  • Erstveröffentlichung: Januar 1847 bis Juli 1848
  • Verlagsort der ersten Buchausgabe: London
  • Verleger: Bradbury and Evans
  • Erscheinungsjahr: 1848
  • Deutsche Erstausgabe: Der Markt des Lebens, ein Roman ohne Helden (Leipzig: B. G. Teubner Verlag 1848, Übersetzung: August Diezmann)

Ein schöner Tag ist es schon, dieser Junimorgen im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, als eine Familienkutsche vor Miss Pinkertons Erziehungsinstitut für junge Damen vorfährt, um gleich zwei Elevinnen besagten Instituts abzuholen – zwei junge Frauen, die allerdings kaum unterschiedlicher sein könnten in ihrem Wesen: Amelia Sedley die erste, eine ganz Liebe, folgsam, brav und sanft, 17 Jahre alt, der Vater Kaufmann von Beruf und durchaus wohlhabend zu nennen; Rebekka (vulgo Becky) Sharp die andere, eine ganz Kesse, dreist, respektlos und frech, 19 Jahre alt, früh verwaiste Tochter eines mittellosen englischen Malers und einer französischen Tänzerin.

Nun ist es in Miss Pinkertons Lehranstalt üblich, den Schulabgängerinnen jeweils ein Exemplar von Dr. Johnsons berühmtem Wörterbuch zu übergeben, doch während Amelia das Präsent demütig entgegennimmt, hat die wilde Becky mit dem Lexikographen offensichtlich nicht gar so viel am Hut und schmeißt das Buch – holterdiepolter – aus der Kutsche heraus einfach wieder in den Vorgarten zurück: Pardauz.

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Paralipomenon

In die Kategorie von Notat und Marginalie fällt das Paralipomenon, das aber im Gegensatz zu diesen nicht aus dem Lateinischen, sondern aus dem Griechischem stammt und so viel wie eine Auslassung oder einen Nachtrag bedeutet.

Entsprechend wurden die nach Goethes Tod erhaltenen Aufzeichnungen zum Faust unter der Pluralbezeichnung Paralipomena veröffentlicht. Bekannt ist auch Schopenhauers Werk Parerga und Paralipomena (1851), in dem es um kleinere Schriften und Nachträge geht.

Nachttischlektüre

Welche Bücher sollte man gelesen haben? Auf diesen Seiten werden die unterschiedlichsten Romane und Erzählungen vorgestellt, einen Kanon soll dies aber nicht darstellen.


Ein Kanon ist nichts für mich. Die zehn besten Platten der Welt (Musikalben, keine Gehsteigplatten), die zehn größten Filme, die zehn lesenswertesten Bücher — das ist doch Kokolores. Alles eine Frage des Geschmacks, was dem einen sin Ul, ist dem andern sin Nachtigall, wie der Niederdeutsche zu sagen pflegt.

Klar, Goethe, Schiller & Co. (Kleist vor allem) sind nicht zu verachten, aber darf es nicht auch mal etwas anderes sein? Unterhalten werden wollen wir doch alle, und das gelingt einem Jules Verne mit vielen seiner Bücher doch wohl besser als Goethe mit seinen Wahlverwandtschaften, oder etwa nicht?

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Bettine von Arnim und Christiane von Goethe

Was geschieht, wenn zwei Frauen um einen Mann streiten? Bettine von Arnim und Christiane Goethe haben es vorgemacht.


Wenn zwei Frauen miteinander einen Streit ausfechten, können mitunter schon mal die Fetzen fliegen. So geschehen auch vor knapp 200 Jahren, als die jungverheiratete Bettine von Arnim (geb. Brentano) mit Frau von Goethe aneinandergeriet.

Einige Monate nach ihrer Hochzeit am 24. Februar 1811 zog es das Ehepaar Arnim nach Frankfurt, wo sie Bettines Verwandten ihre Aufwartung machen wollten. Freilich ließen es sich die beiden nicht nehmen, zwischendurch auch einmal einen Abstecher nach Weimar zu machen, wo sie sich vom 25. August bis zum 21. September aufhielten und häufig bei Goethes zu Gast waren.

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Schillers faule Äpfel

Künstler sind für ihre zahlreichen Schrullen bekannt. Auch Friedrich Schiller hatte eine erstaunliche Marotte: Er liebte den Duft verfaulter Äpfel.


Es gibt wohl nicht viele Menschen, die verfaulte Äpfel angenehm finden. Bei Friedrich Schiller liegen die Dinge freilich anders. Ohne den Geruch alter, verfaulender Äpfel konnte er nämlich nicht arbeiten – so zumindest lautet die Sage, die auf keinen Geringeren als Goethe zurückzuführen ist. Dieser erzählte sie Eckermann, der sie getreulich in sein Notizbuch (Gespräche mit Goethe. Magdeburg: Heinrichshofen 1848) aufnahm:

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Hyperion

Auch der zweite deutsche Klassiker, den wir in der Alten Bücherkiste vorgestellt hatten, ist ein Briefroman: Hyperion von Friedrich Hölderlin.


Daten zum Buch

  • Autor: Friedrich Hölderlin
  • Titel: Hyperion oder der Eremit in Griechenland
  • Genre: Briefroman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Tübingen
  • Verleger: Cotta Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1797

Wird Hölderlin heute denn noch gelesen? Wahrscheinlich eher nicht, doch, bitte, warum eigentlich nicht? Ja, es mag der modernen Leserin nicht sehr interessant erscheinen, all die Briefe durchzugehen, die Hyperion seinem Freunde Bellarmin schickt, ja es mag uns merkwürdig dünken, vom ›stolzhinschiffenden Schwan‹ oder von der ›allwohlthätigen Flamme‹ zu hören (Erstausgabe: 1. Band, 2. Buch, S. 99 und S. 100).

Aber was macht das schon? Wir alle beklagen uns doch ständig über den Niedergang der deutschen Sprache, warum also nicht mal ein Deutsch lesen, das vor mehr als 200 Jahren geschrieben worden ist?

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