Von der Erde zum Mond

Das erste unserer Nachttischbücher handelt von der Raumfahrt des 19. Jahrhunderts: Von der Erde zum Mond von Jules Verne.


Daten zum Buch

  • Autor: Jules Verne
  • Titel: De la terre à la lune
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Paris
  • Verleger: Pierre-Jules Hetzel
  • Erscheinungsjahr: 1865
  • Deutsche Erstausgabe: Von der Erde zum Mond
    (Pest: Gebrüder Légrády 1873, Übersetzung: unbekannt)

Frau Luna ist ein ganz patentes Weib, nicht wahr? Zumindest ist das die Meinung all jener Esoteriker, die fest davon überzeugt sind, dass der Mond die Zahl der Geburten hienieden auf der Erde genauso beeinflusse wie die Verbrechensrate oder die Häufigkeit von Unfällen und Suiziden.

In einschlägigen Ratgebern und Mondkalendern (mit denen viel Geld zu verdienen ist) werden zudem gerne gewisse Maßregeln empfohlen, auf dass man plötzlich, bei abnehmendem Monde am besten, mit der passenden Diät zehn Kilogramm auf einmal verlieren möge. Wers glaubt …

Rein wissenschaftlich betrachtet ist das freilich nur höherer Blödsinn, einzig der Tidenhub wird vom Mond nachweislich beeinflusst. Aber wer einmal bei Vollmond nicht einschlafen konnte, der wird wohl ewig an seinem Aberglauben festhalten, es sei der Monde an diesem Übel schuld gewesen.

Nun, der Mond hat die Menschen in der Tat schon immer fasziniert. Unser Wissensdurst kennt schließlich keine Grenzen, und Fragen waren deren ja früher so viele: Wie es dort wohl aussehen mag, ähnlich wie bei uns oder doch ganz anders; und wer nur bevölkert unseren Trabanten: Wesen wie wir, tierähnliche Bestien oder doch nur fremdartige Kreaturen? Keiner wusste es, jeder aber wollte es wissen. Es galt also den Mond zu erobern, wenn auch zuerst nur im fiktiven, noch nicht im richtigen Leben.

Unter den Ersten, die eine Reise zum Mond beschrieben haben, war der französische Autor Jules Verne (1828 bis 1905). Schon Verne hat allerdings vor allzu großen Erwartungen an den Mond gewarnt. So erwähnt er einmal die abergläubische Klasse von Dummköpfen, die an den mysteriösen Einfluss des Mondes auf das menschliche Geschick glaubten und darauf beharrten, dass Knaben nur zur Zeit des Neumondes, Mädchen zur Zeit des letzten Viertels geboren würden. Verne war seiner Zeit eben in vielen Dingen weit voraus.

Wie sehr sich die Menschheit schon zu Vernes Zeiten für unseren Mond begeistert hat, erkennt man auch an jenem Aufsatz, den Verne im zweiten Kapitel erwähnt. Im Jahre 1835, sagt Verne, habe ein Amerikaner namens [Richard Adams] Locke einen Bericht vorgelegt, in welchem jener die Studien des weltberühmten Astronomen John Herschel bis ins kleinste Detail beschrieben habe: von grünen, mit Goldflaum befransten Bergen, Schafen mit Elfenbeinhörnen, weißen Rehen und Bewohnern mit Pergamentflügeln sei darin die Rede gewesen.

Schade ist allerdings, dass in meiner Ausgabe eine erklärende Fuß- oder Endnote fehlt; dort nämlich sollte sich der Hinweis finden, dass es sich dabei um den berühmten Mondschwindel handelt, den die Tageszeitung New York Sun in einer Artikelserie vom 25. August bis zum 31. August 1835 verbreitet hat.

Ebenso werden im Laufe des Romans immer mal wieder Personen genannt, die die deutsche Leserin vielleicht nicht immer kennt. Als Beispiel sei nur der im 22. Kapitel erwähnte [Phineas Taylor] Barnum genannt, von dem wahrscheinlich nicht jeder mehr weiß, dass er einst als Schausteller mit seinem Kuriositätenkabinett für Furore gesorgt hat. Eine deutsche Ausgabe ist deshalb nur dann empfehlenswert, wenn sie entsprechende Anmerkungen enthält – so wie dies bei den fünf Verne-Bänden des Deutschen Taschenbuch Verlages der Fall ist.

Worum geht es in Vernes erstem Mondbuch? Der Kanonenklub in Baltimore sucht nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs nach einer neuen Betätigung. Was wäre da besser, als mit einer riesigen Kanone ein Geschoss zum Mond zu jagen? Gesagt, getan. Nicht unbemannt aber, wie zunächst geplant, sondern mit drei Mann besetzt, dem Franzosen Ardan, dem Klubpräsidenten Barbicane und dessen erklärtem Gegner Kapitän Nicholl.

Faszinierende Zahlen tauchen freilich auf, als es um die Suche nach dem geeigneten Standort für die Kanone geht. Um das Vorrecht streiten sich Florida und Texas, das auch mit seiner höheren Einwohnerzahl für sich zu werben sucht. Ach, was waren das noch für schöne Zeiten, als Texas gerade einmal 330.000 Einwohner, Florida gar nur 56.000 hatte. Heute sind es 25.145.561 (Texas) und 18.801.310 (Florida, Stand 2010).

Die Einwohnerzahl nützt Texas aber nicht viel, Florida macht das Rennen (ganz wie im richtigen Leben). Damit hat Verne also schon mal richtig gelegen, wenn auch ein Startplatz nahe am Äquator nicht deshalb vorteilhaft ist, weil dort der Mond im Zenit stehen kann, wie es im vierten Kapitel heißt. Aber darauf kommt es nicht an, als Seher hat sich Verne trotzdem erwiesen.