Von Verhörern, Mondegreens und Soramimis

Jeder verhört sich mal. Das ist normal. Manchmal handelt es sich dabei um ein Mondegreen, manchmal um ein Soramimi.


Nicht immer ist alles so gemeint wie es sich im ersten Augenblick anhört. Bestes Beispiel hierfür sind die vielen missverstandenen Laute, Worte oder Textzeilen aus Gedichten oder Liedern. Diese Verhörer werden üblicherweise in zwei Kategorien unterteilt: in Mondegreens und Soramimis (jap. für ›leeres Wort‹, 空耳).

Ein Soramimi liegt vor, wenn ein fremdsprachiger Text nicht als solcher erkannt, sondern einer anderen (der eigenen zumeist) zugeordnet wird. Zwei hierzulande allgemein bekannte Beispiele stammen aus den Songs ›The Power‹ von SNAP! und ›California Dreaming‹ von The Mamas and the Papas.

Während im ersten Fall die Textzeile ›I’ve got the power‹ in allen Ohren zu ›Agathe Bauer‹ mutiert, tritt im zweiten Fall an einer Stelle plötzlich eine ›Anneliese Braun‹ auf, wo der Originaltext doch eigentlich von braunem Laub spricht: ›All the leaves are brown‹. Ein schönes Beispiel findet sich auch bei Johann Peter Hebel (1760 bis 1826), der im Schatzkästlein des rheinischen Hausfreunds (Tübingen: Cotta 1811) folgende Anekdote zum Besten gibt:

Im neunziger Krieg, als der Rhein auf jener Seite von französischen Schildwachen, auf dieser Seite von schwäbischen Kreissoldaten besetzt war, rief ein Franzos zum Zeitvertreib zu der deutschen Schildwache hinüber: ›Filu! Filu!‹ Das heißt auf gut deutsch: Spitzbube. Allein der ehrliche Schwabe dachte an nichts so Arges, sondern meinte, der Franzose frage: Wieviel Uhr? und gab gutmütig zur Antwort: ›Halber vieri.‹

[›Mißverstand‹, S. 104]

Ein Mondegreen liegt vor, wenn man einen in der Muttersprache verfassten Text missversteht. Auch hier gibt es zahlreiche Beispiele aus der deutschen Sprache. Durch das gleichnamige Buch Axel Hackes besonders bekannt geworden ist wohl der ›weiße Neger Wumbaba‹, den eine Leserin einmal aus Matthias Claudius’ (1740 bis 1815) ›Abendlied‹ statt des ›weiße[n] Nebel[s] wunderbar‹ herauszuhören glaubte. Auch Hoffmann von Fallerslebens (1798 bis 1874) Kindergedicht ›Ein Männlein steht im Walde‹ sorgt mitunter für Verwirrung, wenn ›hat von lauter Purpur ein Mäntlein um‹ zu ›hat von lauter Purpur ein Männlein um‹ mutiert. Besonders anfällig für Verhörer ist natürlich immer der, der Herbert Grönemeyer singen hört. So wird in seinem Lied ›Alkohol‹ aus einem ›Sanitäter‹ schon mal schnell ein ›Zahnwehtöter‹.

Der Begriff ›Mondegreen‹ ist übrigens noch ziemlich neu. Geprägt hat ihn die amerikanische Autorin Sylvia Wright, die als Kind einmal eine Textzeile völlig falsch verstanden hatte und im November 1954 einen Artikel für die Zeitschrift Harper’s Magazine darüber verfasste: The Death of Lady Mondegreen. Darin beschreibt sie, was es mit Lady Mondegreen auf sich hat: Durch ihre Mutter, die ihr aus Thomas Percys Buch Reliquies of Ancient English Poetry (1765) vorzulesen pflegte, lernte sie auch die alte schottische Ballade ›The Bonny Earl of Murray‹ kennen, die sie als kleines Kind besonders gerne hatte. Dies vor allem auch deshalb, weil sie fälschlicherweise annahm, dass darin eine tragische Heldin vorkomme (besagte Lady Mondegreen), die im späten 16. Jahrhundert von den Schergen des Grafen von Huntly ermordet worden war – zusammen mit ihrem Gatten, James Stewart, dem zweiten Grafen von Murray:

They hae slain the Earl of Murray,
And Lady Mondegreen.

Nur leider hat eine Lady Mondegreen nie existiert, was Sylvia Wright aber erst sehr viel später erfuhr. Erschlagen hatten Huntlys Schergen aber nur den Grafen von Murray – um ihn dann auf der Wiese abzulegen:

They hae slain the Earl of Murray,
And laid him on the green.

Hier noch drei weitere Beispiele aus dem englischen Liedgut:

  • ›I’ll never see your pizza burnin‹ statt ›I’ll never be your beast of burden‹ (›Beast of Burden‹, Rolling Stones)
  • ›She’s got thirty days to die‹ statt ›She’s got Bette Davis eyes‹ (›Bette Davis Eyes‹, Kim Carnes)
  • ›Moon river, why are mice so blue‹ statt ›Moon river, why am I so blue?‹ (›Moon River‹)