Weiße Rose: Erste Reaktionen im In- und Ausland

Der Widerstand der Weißen Rose wurde noch während des Zweiten Weltkriegs auch außerhalb Münchens bekannt. Die Informationen entsprachen freilich nur ganz grob den Tatsachen.


Nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl und ihres Freundes Christoph Probst am 18. Februar 1943 drangen die Nachrichten über die Aktion der Weißen Rose nur spärlich nach außen. Trotzdem waren die Taten der Münchner Studenten bald im In- und Ausland bekannt, wie die entsprechenden Tagebuchnotizen beweisen:

Eine der ersten Aufzeichnungen finden wir bei der Journalistin Ruth Andreas-Friedrich (1901 bis 1977), die in der Berliner Gruppe Onkel Emil ebenfalls Widerstand gegen die Nazis leistete und während dieser Zeit ein Tagebuch führte, das später unter dem Titel Der Schattenmann veröffentlicht worden ist. Unter dem Datum des 10. März 1943 schrieb sie eine erste kleine Notiz nieder, in der ihr deutlich die Aufregung anzumerken ist (→ Andreas Friedrich 1986, S. 104 f.).

Die Wahrheit, nach der sie dürstete, erfuhr sie aber erst einige Tage später, wie ihrem darauffolgenden Eintrag vom 23. März 1943 zu entnehmen ist. Dort beschreibt sie die Erzählung eines Geheimkuriers, der einen Lagebericht und zwei Flugblätter mitgebracht hatte. In dieser Notiz taucht auch erstmals die Behauptung auf, Sophie Scholl sei von den Gestapobeamten misshandelt worden und habe mit gebrochenem Bein zum Schafott getragen werden müssen.

Am 17. März 1943 informierte die Londoner Zeitschrift Freie Tribüne erstmals über die Weiße Rose, ehe Ernst Ichenhäuser dort am 26. Mai 1943 einen weiteren Artikel folgen ließ, der mit den Worten schließt, dass der Name der Geschwister Scholl als Ansporn und Mahnung in uns lebendig bleiben werde. Er bezeichnete sie auch erstmals als Helden (→ Drobisch 1983, S. 200 f.).

Nur drei Tage später erwähnte auch die Autorin Lisa de Boor (1894 bis 1957) die Weiße Rose in ihren Aufzeichnungen. Die Autorin, deren Tochter Monika Ende 1943 als Mitwirkende des Hamburger Ärztekreises candidates of humanity ebenfalls verhaftet wurde, wusste laut ihrem Tagebuch schon am 20. März 1943, was in München vorgefallen war, wie wir ihren nach dem Krieg veröffentlichten Tagebuchblättern entnehmen können (→ de Boor 1963, S. 136).

Bescheid wusste kurz danach auch der später hingerichtete Diplomat Ulrich von Hassell (1881 bis 1944), in dessen später ebenfalls veröffentlichtem Tagebuch sich unter dem Datum des 28. März 1943 die Mitteilung der in München aufgedeckten Studentenverschwörung findet (→ Hassell 1994, S. 359).

Auch der Autor Friedrich Reck-Malleczewen (1884 bis 1945), der in Dachau ums Leben kam, machte sich Notizen, die nach dem Krieg unter dem Titel Tagebuch eines Verzweifelten veröffentlicht wurden. Darin findet sich unter dem Datum März 1943 auch ein Eintrag zum Widerstand der Weißen Rose (→ Reck 1994, S. 207 ff.).

Die Berliner Journalistin Ursula von Kardorff (1911 bis 1988) wiederum erfuhr angeblich im Mai 1943 von der Studentenverschwörung, wie ihrem Tagebuch zu entnehmen ist, das sie allerdings nach dem Krieg gründlich überarbeitet hat (→ Kardorff 1997, S. 82).

Bei Thomas Mann kam die Nachricht im Juni 1943 an. Unter dem Datum des 12. Juni 1943 finden wir eine erste karge Notiz über einen ergreifenden Bericht aus Schweden über eine Rebellion an der Münchner Universität in seinen Tagebüchern.

Wie wir dem Tagebuch weiter entnehmen können, entstand am 26. und 27. Juni 1943 der Text zu seiner Radioansprache, in welcher er den Widerstand der Weißen Rose würdigte, ihm nach eigener Auskunft auch deshalb nahegehend, da er dachte, einer der exekutierten Studenten heiße Adrian (→ Mendelssohn 1982, S. 588).

Dazu muss man wissen, dass Thomas Mann in jenen Tagen gerade an seinem Roman Doktor Faustus arbeitete, der die Lebensbeschreibung des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn zum Inhalt hat. Den vollen Text des Flugblatts las Thomas Mann laut Tagebuch am 21. August 1943.

Unter der Überschrift Not in Vain veröffentlichte die US-amerikanische Zeitschrift Time am 14. Juni 1943 einen kurzen Artikel über den Widerstand der Studenten. Darin heißt es, dass der Münchener Gauleiter (Paul Giesler) drei Rädelsführer habe verhaften lassen (die Namen enthaltend: Hans und Maria Scholl sowie Adrian Probst. Time erwähnt weitere Hinrichtungen (mindestens neun), darunter die von Kurt Huber und die eines Jungen, der vor Stalingrad sein Bein gegen ein Eisernes Kreuz eingetauscht habe.