Weiße Mäuse im Kino

Der Roman Im Westen nichts Neues wurde 1930 erstmals verfilmt. Die Nazis reagierten prompt.


Remarques Roman Im Westen nichts Neues wurde zweimal verfilmt. In der Verfilmung von 1979, die auch heute noch gerne im Fernsehen gezeigt wird, spielt Katczinsky eine tragende Rolle, vielleicht auch deshalb, weil er von Ernest Borgnine dargestellt wird. In Lewis Milestones oscarprämiertem Film aus dem Jahr 1930, den Produzent Carl Laemmle sowohl als Stumm- wie auch als Tonfilm herausbrachte, wird Katczinsky von Louis Wolheim dargestellt (Lew Ayers spielt Paul Bäumer).

Der Film war bei den Nazis allerdings nicht sehr populär. Nachdem sie die Berliner Uraufführung am 4. Dezember 1930 im Mozartsaal am Nollendorfplatz noch ignoriert hatten, ließen sie einen Tag später dann doch ihre Masken fallen. Laut dem Prager Tagblatt vom 6. Dezember 1930 (S. 1) sorgte eine etwa 200 Mann starke Abordnung unter Führung von Goebbeles schon nach zehn Minuten mit lauten Zwischenrufen für erste Randale.

Das war aber noch harmlos, später setzten sie noch einen obendrauf: Sie warfen Stinkbomben, streuten Niespulver und ließen lebende Mäuse von der Galerie herunterfallen. Zwar konnte die Polizei den Tumult nach einer Weile beenden, der Filmabend aber war vorbei; auch die für 9 Uhr vorgesehene Spätvorstellung fiel aus.

Es kam aber noch schlimmer. Wegen Gefährdung des deutschen Ansehens in der Welt erließ die Oberste Filmprüfstelle auf Druck der Nationalsozialistischen Fraktion im Reichstag ein Verbot des Films – eine Entscheidung, die am 12. Dezember 1930 sowohl im Prager Tagblatt als auch in der Vossischen Zeitung auf der Titelseite Tagesthema war.