Blondinen bevorzugt

Ganz oben auf unserem Nachttisch befindet sich ein Buch, das die meisten wohl nur als Film kennen: Blondinen bevorzugt von Anita Loos.


Daten zum Buch

  • Autorin: Anita Loos
  • Titel: Gentlemen Prefer Blondes
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: New York
  • Verleger: Boni & Liveright
  • Erscheinungsjahr: 1925
  • Deutsche Erstausgabe: Blondinen bevorzugt
    (München: Drei Masken Verlag 1927, Übersetzung: Gustav Kauder)

Den Film, klar, den kennt wohl fast jeder. Marilyn Monroe und Jane Russell spielen die Hauptrollen, Howard Hawks führt Regie, etwas Schöneres kann es kaum geben. Wer aber hat eigentlich die Vorlage für den Streifen geliefert (der teilweise erheblich vom Buch abweicht)? Anita Loos ists gewesen, eine bekannte Drehbuchautorin, deren Geschichte nach ihrer Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Harper’s Bazaar 1925 auch von Boni & Liveright als Buch herausgebracht wurde und schon bald zum Bestseller avancierte.

Gentlemen Prefer Blondes: The Illuminating Diary of a Professional Lady ist ein Unterhaltungsroman im besten Sinne, in dessen Mittelpunkt die junge Lorelei steht, eine Blondine wie keine Zweite, die ihre etwas wirren Gedankengänge in einem schicken Tagebuch festhält. Animiert worden zum Tagebuchschreiben ist sie von Gus Eisman, einem berühmten Knopffabrikanten, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Lorelei ein wenig gebildeter zu machen.

Und weil Reisen bekanntermaßen die höchste Form von Bildung darstellt, schickt er sie zusammen mit ihrer brünetten Freundin Dorothy bald nach London, Paris und die ganze Mitte von Europa, wo sie unter anderem eine Therapiestunde beim berühmten Dr. Froyd in Wien besucht, der seinen Patientinnen  die Sorgen mir nichts, dir nichts mit Psychoanalyse auszureden versteht (oder zumindest so tut, als verstünde er etwas davon). Bei Lorelei ist das aber gar nicht so einfach, da sie ja immer genau das tut, was sie tun will.

Ob sie denn nicht irgendwann mal etwas tun möchte, was sie nicht tue, will Dr. Froyd deshalb von ihr wissen, jemanden erschießen zum Beispiel? Aber ja doch, nur sei die Kugel damals glatt durch Mister Jennings Lunge gegangen. (Damals, als sie ganz hysterisch geworden war, ihr Bewusstsein verloren und wiedererlangt hatte, und ihr irgendwo dazwischen ein Revolver in die Hand gekommen war, der wohl auf Jennings geballert hatte. So was kommt schon mal vor.)

Das Buch ist wirklich lustig zu lesen, auch der zahlreichen absichtlichen Rechtschreibfehler wegen, die Übersetzerin Lisette Mullère getreulich zu übersetzen suchen musste. Besonders schön zu lesen sind unter anderem die französischsprachigen Namen  wie ›Luhi‹ und ›Robähr‹ (statt Louis und Robert) oder ›Marki‹ (statt Marquis); schön auch, dass Mullère die englische Bezeichnung für den Eiffelturm (›Eyefull Tower‹ ––– sic) im Original hat stehen lassen (S. 61 im Diogenes Taschenbuch 23732, Zürich 2010).

Inspiriert wurde Loos zu ihrem Buch vom amerikanischen Hochintellektuellen H. L. Mencken, der, wie Lorelei sagt (S. 27), unter anderem eine gebildete Zeitschrift ganz ohne Bilder herausgegeben hat. Als nämlich Loos miterlebte, wie die blonde Schauspielerin Mae Davis eben jenen Mencken von einem Denker zu einem dummverliebten Schuljungen mutieren ließ, war der brünetten Loos klargeworden, wie viel Potenzial ein Blondchen wohl zu haben scheint. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.