Schöne Rezensionen

Sprachführer zu rezensieren, ist nicht immer ganz einfach. Anton Kuh hat die Aufgabe allerdings souverän gemeistert.


Die schönsten Rezensionen sind meistens eher kurz. Die schönste kommt mit ganzen zwei Worten aus, auch die zweischönste ist nicht allzu umfangreich. Sehr gefällig ist auch eine Rezension aus der Feder des österreichischen Autors Anton Kuh (1890 bis 1941), der sich im Querschnitt (8/1930, S. 567) mit einem der damals wie heute so beliebten Sprachratgeber auseinandergesetzt hat: 1000 Worte Deutsch. Ein Sprachführer für Nachdenkliche von Franz Leppmann, 1930 im Ullstein Verlag erschienen.

Dass die Besprechung so kurz ausfiel, hatte wohl seinen guten Grund. Ganze neunmal musste sich Kuh korrigieren – und das, obwohl sein Text aus gerade einmal 162 Worten bestand. Aber so ist das mit der deutschen Sprache, Stolperfallen gibt es mehr als genug. Beispiele gefällig?

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Tristram Shandy: abgelehnt

Laurence Sterne hat das großartigste Buch der Welt geschrieben: Tristram Shandy. Doch der Verleger lehnte das Manuskript zunächst ab.


Die Altvorderen waren begeistert. Laut Goethe war er der ›schönste Geist, der je gewirkt hat; wer ihn liest fühlt sich sogleich frei und schön; sein Humor ist unnachahmlich, und nicht jeder Humor befreit die Seele‹. Auch Heine wusste nur Gutes über ihn zu sagen: ›Er ist, wie ich schon erwähnt, ebenbürtig mit William Shakespeare, und auch ihn, den Lorenz Sterne, haben die Musen erzogen auf dem Parnaß‹.

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Schlechte erste Sätze

Der erste Satz eines Romans ist immer eine heikle Sache. Das weiß keiner besser als Edward Bulwer-Lytton, nach dem sogar ein ganzer Wettbewerb benannt ist.

In der Tat heißt es in allen Ratgebern zur Stilkunde immer wieder, der erste Satz sei der wichtigste überhaupt. ›Bedenke wohl die erste Zeile‹, hat ja auch schon Goethe gesagt (→ Faust I. Studierzimmer).

Doch es gibt durchaus Ausnahmen. Immerhin haben auch Tolstoi (Krieg und Frieden) und Thomas Mann (Buddenbrooks) bewiesen, dass dieses Diktum nicht unbedingt stimmt. Zudem sind viele Einstiegssätze, die für gut und schön befunden werden, alles andere als gut und schön (siehe Grass, Der Butt).

Werthers wahre Geschichte

Der Briefroman Die Leiden des jungen Werther machte Goethe berühmt. Die Geschichte beruht zum Teil auf wahren Begebenheiten.


Goethe war ungehalten. Anstatt ihm über sein Büchlein etwas Verbindliches zu sagen, wollten sie sämtlich nur wissen, ›was denn eigentlich an der Sache wahr sey?‹ Über welche Frage er ›sehr ärgerlich wurde‹ und sich ›meistens höchst unartig dagegen äußerte‹ (DuW).

Nun, was ist denn wahr an Goethes Werther? Genau können wir es natürlich nicht sagen, aber so viel zum Hintergrund: Von Mai bis September 1772 als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar tätig, hatte Goethe reichlich Zeit, um sich den verschiedensten Lustbarkeiten zu widmen.

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Das Wertherfieber

Goethes kleiner Briefroman Die Leiden des jungen Werther besaß zu seiner Zeit großen Einfluss. Tatsächlich setzte geradezu eine Manie um Werther ein. Was machten denn die Leser des Werthers? Sie kauften reichlich Werther-Nippes, machten das Parfüm Eau de Werther zum Renner der Saison und kleideten sich ganz wie ihr Vorbild: Blauer Frack und gelbe Weste waren der Renner der Saison. Es herrschte also regelrechtes Wertherfieber – ein Begriff, der sich auch in Metzlers Goethelexikon findet (→ Jeßing 2004, S. 471).

Dort gehen die Autoren auch auf ein anderes Phänomen ein, das im Zusammenhang mit Werther immer wieder erwähnt wird: dass nämlich unter den Fanatikern auch zahlreiche Suizidanten gewesen seien, die sich allesamt selbst entleibten. Doch das ist eben nur eine Legende. Es ist nichts davon wahr.

Der erste Satz

Der bekannteste Anfangssatz eines Romans stammt vielleicht von Edward Bulwer-Lytton. Mit seinem Einstieg hat der englische Autor sogar einen Wettbewerb inspiriert.


Snoopy war bei den Peanuts alles: Weltkriegsflieger, Anwalt, Arzt, Golfprofi und manchmal auch Schriftsteller. Als solcher arbeitete er sein Leben lang an seinem Meisterwerk, das stets mit den immer gleichen Worten begann: ›It was a dark and stormy night.‹

Die Worte von der dunklen und stürmischen Nacht gehen freilich auf einen anderen Autor zurück. 1830 veröffentlichte der englische Romancier und Politiker Edward Bulwer-Lytton (1803 bis 1873) den Roman Paul Clifford, dessen erster Satz berühmt geworden ist. Hier ist er in seiner vollen Blüte:

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Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene

Sondermerkwürdig sind all jene Bücher, die aus ganz wenigen Sätzen bestehen. Bestes Beispiel ist das Buch von Bohumil Hrabal: Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene.


Daten zum Buch

  • Autor: Bohumil Hrabal
  • Titel: Taneční hodiny pro starší a pokročilé
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Prag
  • Verleger: Československý spisovatel
  • Erscheinungsjahr: 1964
  • Deutsche Erstausgabe: Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1965, Übersetzung: Franz Peter Kürzel)

Der Soldat Schwejk war auch so einer. Richtig schöne Geschichten konnte der erzählen, genauso wie dieser alte Schuster hier, der einfach nur friedlich und nett mit einer jungen Maid plaudert.

Was kann er ihr nicht alles aus seinem Leben berichten: wie sich damals beispielsweise zwei Schöne seinetwegen gegenseitig die Blusen zerrissen hätten; wie er vor dem Hoflieferanten Weinlich und dessen Vertretern Fogl und Vertsberger wie vor einem Schwurgericht gestanden habe; wie er in Meidling Wache geschoben und den Kaiser gesehen habe, als dieser der auf der Leiter stehenden Schratt wie Goethe einst unter den Rock geguckt habe. Ja, da wird die gute alte k.-u.-k.-Zeit wieder lebendig.

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Maximiliane von La Roche

Die junge Maximiliane von La Roche wurde von vielen Männern umschwärmt. Auch Goethe bemühte sich um sie, das Rennen machte aber Peter Anton Brentano.


Ihre schwarzen Augen machten die Männer verrückt. Goethe war derart vernarrt in diese Augen, dass er sie seiner Lotte im Werther verpasste. Am liebsten hätte er die junge Maximiliane Euphrosine de La Roche sicherlich gerne noch sehr viel intimer kennen gelernt, doch im Hause La Roche war er nur zweite Wahl. Damit war er noch gut bedient, wurde doch die junge Maxe im literarischen Salon ihrer Mutter Sophie von La Roche von Männern so umschwärmt wie kaum eine andere 16- oder 17-Jährige ihrer Zeit.

Viel Zeit, ihr Leben zu genießen, hatte sie allerdings nicht. Schon am 9. Januar 1774 musste sie nämlich ihr Jawort geben. Damals war die am 3. Mai 1756 in Mainz geborene Maxe noch nicht ganz 18 Jahre alt. Der von den Eltern Auserwählte war Peter Anton Brentano, ein Kaufmann aus Frankfurt am Main, der aus seiner ersten Ehe mit Josepha Maria Walpurga Paula Brentano-Gnosso bereits sechs Kinder hatte. Und damit begann auch ihre Leidenszeit. Wie anders kann denn ein Zeitraum von 18 Jahren bezeichnet werden, in dem sie insgesamt zwölf Kinder zur Welt brachte, alle 18 Monate eines?

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Kestner und Goethe

In den Leiden des jungen Werther verarbeitete Goethe eine wahre Geschichte. Auch der Legationssekretär Johann Christian Kestner und die junge Charlotte Buff spielen darin eine entscheidende Rolle.
Goethe war bekanntermaßen kein Kostverächter. Diese Erfahrung musste auch der Legationssekretär Johann Christian Kestner machen, dem in Goethe für kurze Zeit einmal ein Rivale erwuchs. Dies kam so:

Im Alter von nicht ganz 23 Jahren als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar tätig, lernte Goethe am 9. Juni 1772 auf einem Tanzball in Volpertshausen Kestners Verlobte kennen, die 19-jährige Charlotte Buff. Goethe wollte sie dennoch erobern, was aber an Lottes Widerstand scheiterte, die ihm nicht mehr als einen zarten Kuss gönnte.

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Hier irrt Goethe

Dass Goethe sich oft geirrt hat, ist bekannt. Nach Ansicht mancher Professoren allerdings auch dann, wenn dies kaum möglich war.


Wann irrte Goethe? Oft genug wohl, mitunter sogar auf eine recht fantastische Weise. Doch was sind schon solche Schnitzer wie seine Farbenlehre gegen die von ihm aufgestellte Behauptung, seine größte Liebe habe der jungen Lili Schönemann gegolten?

Dies nämlich hatte Goethe einst seinem getreuen Eckermann anvertraut, der dies später auch der Nachwelt verkündete:

Ich sehe die reizende Lili wieder in aller Lebendigkeit vor mir, und es ist mir, als fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe. Sie war in der That die Erste, die ich tief und wahrhaft liebte. Auch kann ich sagen, daß sie die Letzte gewesen; denn alle kleine Neigungen, die mich in der Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener ersten verglichen, nur leicht und oberflächlich.

[Gespräche mit Goethe 1848: 5. März 1830, S. 299]

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