Moby Dick

Walfänger hatten früher ein hartes Leben. Manchmal machte sogar der Wal Jagd auf seine Häscher und zerstörte ihr Schiff. Herman Melville hat daraus einen berühmten Roman gemacht: Moby Dick.


Daten zum Buch

  • Autor: Herman Melville
  • Titel: Moby-Dick; or, The Whale
  • Genre: Roman
  • Verlagsorte der ersten Buchausgaben: London und New York
  • Verleger: Richard Bentley (London), Harper & Brothers, Publishers (New York)
  • Erscheinungsjahr: 1851
  • Deutsche Erstausgabe: Moby Dick oder der weisse Wal(Berlin: Theodor Knaur Nachfolger 1927, Übersetzung: Wilhelm Strüver)

20. November 1820, 0° 40′ südliche Breite, 119° 0′ westliche Länge, etwa 8 Uhr morgens: Das Walfangschiff Essex setzt zur Jagd an. Doch bald schon dreht der Gejagte den Spieß um und jagt nun seinerseits die Jäger. Der Wal kennt keine Gnade und versetzt dem Schiff schließlich den Todesstoß.

20 Jahre später stach ein junger Seemann namens Hermann Melville an Bord der Acushnet in See. Während der Fahrt traf die Acushnet auf die Lima, wo er von einem Matrosen Geschichte der Essex kennen lernte. Weitere 10 Jahre später veröffentlichte Melville seinen Roman, Moby-Dick; Or, The Whale.

Melvilles Roman besteht aus nicht weniger als 135 Kapiteln, doch mehr als 700 Seiten können wohl nicht allein von der Jagd auf einen Wal handeln. Und weil das nun mal so ist, beschränkt sich die Darstellung dieses Kampfes auf die letzten drei Kapitel. Was aber geschieht davor?

Nun, wir lernen dabei die Zoologie der Wale kennen, die uns lehrt, dass der Wal ein Fisch mit waagerechtem Schwanz ist und darüber hinaus auch noch Sprühstrahlen ausspritzt; zudem lernen wir des Autors Klassifizierung der Wale kennen: in drei Bücher teilt er die Wale auf, in den Folio-, den Oktav- und den Duodez-Wal. Dass das Kapitel ›Weiß‹ eine Abhandlung über die besonderen Besonderheiten der Farbe Weiß ist, dürfte nicht weiter wundernehmen.

Ganz offen gesagt: An manchen Stellen ist die ungekürzte Fassung zum Einschlafen langweilig, manchmal wollen wir das Buch für immer aus der Hand legen. Trotzdem glaube ich, dass wir dem Buch Ehre erweisen und es zur Gänze lesen sollten. Und wer dazu nicht imstande ist, der soll eben die kürzerer Fassung, der soll also die Ausgabe für die Jugend lesen – es lohnt sich auf jeden Fall.

Denn die Geschichte, die der Ich-Erzähler Ismael beschreibt, lässt einen ja doch nicht los. Ismael will wieder einmal zur See fahren, zieht deshalb nach New Bedford in Massachusetts, lernt dort den Harpunier Queequeg kennen, fährt mit diesem nach Nantucket, wo sie beide schließlich auf der Pequod anheuern.

Die Pequod ist bereits einige Tage unterwegs, als sich erstmals der Kapitän an Bord zeigt (es wäre wohl besser gewesen, sie hätten ihn vorher kennen gelernt):

He looked like a man cut away from the stake, when the fire has overrunningly wasted all the limbs without consuming them, or taking away one particle from their compacted aged robustness. His whole high, broad form, seemed made of solid bronze, and shaped in an unalterable mould, like Cellini’s cast Perseus. Threading its way out from among his grey hairs, and continuing right down one side of his tawny scorched face and neck, till it disappeared in his clothing, you saw a slender rod-like mark, lividly whitish. It resembled that perpendicular seam sometimes made in the straight, lofty trunk of a great tree, when the upper lightning tearingly darts down it, and without wrenching a single twig, peels and grooves out the bark from top to bottom, ere running off into the soil, leaving the tree still greenly alive, but branded. Whether that mark was born with him, or whether it was the scar left by some desperate wound, no one could certainly say.

[Erstausgabe: Chapter XXVIII, S. 135]

Wie vom Scheiterhaufen heruntergerissen, sieht er also aus, dieser Ahab. Und ein dünnes, ein gertendünnes Mal verläuft über sein Gesicht und über den Hals, bis es in seinem Rock verschwindet.

Ahab hat bei einem Kampf mit dem größten aller Wale, mit Moby Dick also, ein Bein verloren und danach blutige Rache geschworen. Ahab ist geradezu besessen von dem Gedanken, den Wal zur Strecke zu bringen. Und er bringt seine Mannschaft dazu, ihn dabei zu unterstützen – und sollte es auch um das Kap der Guten Hoffnung gehen, um Kap Hoorn, durch Norwegens Mahlstrom oder gar bis in die Flammen der ewigen Verdammnis:

›Aye, aye! and I’ll chase him round Good Hope, and round the Horn, and round the Norway Maelstrom, and round perdition’s flames before I give him up. And this is what ye have shipped for, men! to chase that white whale on both sides of land, and over all sides of earth, till he spouts black blood and rolls fin out. What say ye, men, will ye splice hands on it, now? I think ye do look brave.‹ ›Aye, aye!‹ shouted the harpooneers and seamen, running closer to the excited old man: ›A sharp eye for the white whale; a sharp lance for Moby Dick!‹ ›God bless ye,‹ he seemed to half sob and half shout. ›God bless ye, men. Steward! go draw the great measure of grog.‹

[Erstausgabe: Chapter XXXVI, S. 180]

Monatelang ist die Pequod unterwegs, fängt unentwegt Wale, sammelt Öl, gerät in Stürme, übersteht Piratenangriffe, bis sie im Pazifik endlich den entdeckt, den sie sucht – Moby Dick. Doch der Kampf nimmt kein gutes Ende für Ahab:

The harpoon was darted; the stricken whale flew forward; with igniting velocity the line ran through the grooves; – ran foul. Ahab stooped to clear it; he did clear it; but the flying turn caught him round the neck, and voicelessly as Turkish mutes bowstring their victim, he was shot out of the boat, ere the crew knew he was gone.

[Erstausgabe: Chapter CXXXV, S. 633]

Schlimmer noch: Die Boote werden allesamt zerstört, die Pequod geht unter, ein einziger überlebt das Massaker, Ismael.

Fußnote zum Thema Walfang:
Auch wenn der Walfang heute als so etwas wie ein Verbrechen gegen die Menschheit gilt, so muss man doch sagen, dass dies früher die natürlichste Sache von der Welt war. Dabei ist es den Menschen vorrangig darum gegangen, Tran zu gewinnen, das deshalb so wichtig war, weil man daraus alle möglichen lebensnotwendigen Dinge herstellen konnte. Dass im 19. Jahrhundert, zur Zeit unserer Geschichte also, vor allem Jagd auf den Pottwal gemacht wurde, hatte wiederum mit zwei besonderen Produkten zu tun, die der Pottwal lieferte: dem Walrat, das sich hervorragend für die Herstellung von Kerzen und Kosmetika eignete, und dem Ambra, das in der Parfümindustrie verwendet wurde.

Als Schlussbemerkung sei noch darauf verwiesen, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein Geschrei erhob, als der Norwegische Rat für Walfang sich der Teilnahme deutscher Fangflotten widersetzte. In den Frankfurter Heften vom Februar 1948 ist dazu die Frage zu lesen (S. 103), ob angesichts des weltweiten akuten Fettmangels die Interessen Einzelner auf Dauer stärker sein dürften als die Erfordernisse notleidender Völker?