Bettine von Arnim und Christiane von Goethe

Was geschieht, wenn zwei Frauen um einen Mann streiten? Bettine von Arnim und Christiane Goethe haben es vorgemacht.


Wenn zwei Frauen miteinander einen Streit ausfechten, können mitunter schon mal die Fetzen fliegen. So geschehen auch vor knapp 200 Jahren, als die jungverheiratete Bettine von Arnim (geb. Brentano) mit Frau von Goethe aneinandergeriet.

Einige Monate nach ihrer Hochzeit am 24. Februar 1811 zog es das Ehepaar Arnim nach Frankfurt, wo sie Bettines Verwandten ihre Aufwartung machen wollten. Freilich ließen es sich die beiden nicht nehmen, zwischendurch auch einmal einen Abstecher nach Weimar zu machen, wo sie sich vom 25. August bis zum 21. September aufhielten und häufig bei Goethes zu Gast waren.

Der Besuch stand allerdings unter keinem guten Stern. Bettines Neigung zu Goethe war ja stadtbekannt und musste wohl fast zwangsläufig zu Problemen führen. Zwar blieb es  fast drei Wochen lang ruhig, doch eines Tages sollten die Emotionen schließlich überkochen.

Als nämlich Bettine am 13. September zusammen mit Christiane Goethe eine Gemäldeausstellung besuchte, gab plötzlich ein Wort das andere und bald schon gingen sie wie zwei Harpyien aufeinander los. Tatsächlich herrschte äußerst dicke Luft, wie Schillers Ehefrau Charlotte bald schon feststellte:

Sie [Bettine] liebt den Meister auf eine rührende Weise, aber denken Sie nur, daß ihr die dicke Hälfte das Haus verboten, de but en blanc [mir nichts, dir nichts] eine Zänkerei in der Ausstellung angefangen und ihr gesagt hat, sie würde sie nicht mehr sehen usw. Die Bettina ist eigentlich bloß des Meisters wegen hier, freute sich auf ihn, sehnte sich ihn zu sehen, und seit diesem Vorfall nimmt er auch keine Notiz von ihr. Sie hat ihm vorgestern geschrieben, gesagt, sie wollte der Frau ihr Betragen ganz vergessen, er würde ihr immer lieb bleiben, und er antwortet nicht, kommt nicht.

[Brief an Prinzessin Karoline Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach, 19. September 1811; → Urlichs 1860: Erster Band, S. 597 f.]

Der Eklat sorgte laut Charlotte Schiller auch Wochen später für Wirbel in Weimar, selbst im Oktober noch:

Ich sage meiner geliebten Princeß Alles, was wie es in mir vorgeht, aber ich warte ordentlich sehnlich auf eine Ebbe, denn die Fluth des Klatschens ist u n g e h e u e r, die ganze Stadt ist in Aufruhr, und Alles erdichtet oder hört Geschichten über den Streit mit Arnims. Da die Bettina mit der dicken Hälfte [Christiane Goethe] doch viel war im Anfang und mit einer andern Macht [der Schauspielerin und Sängerin Karoline Jagemann] auch, so mag eine unendliche Tiefe des Klatsches entstanden sein, da die beiden Damen sich doch des Theaters wegen nicht lieben. Ich kann nichts thun als schweigen und dem Meister dadurch zeigen, daß ich in kein unwürdiges Licht gegen ihn mich stellen mag, aber auch mir nichts vergeben kann.

[Brief an Prinzessin Karoline Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach, 3. Oktober 1811; → Urlichs 1860: Erster Band, S. 601 f.]

Detaillierter fällt der Bericht der Pauline Gotter aus:

Wenige Wochen vor mir war auch die pilgernde Thörin – Bettine in W., doch soll sie etwas solider und vernünftiger als Frau von Arnim sich gezeigt haben. Goethen mochte ich nicht nach ihr fragen, er will nichts mehr von ihr hören und sehn, nach einem heftigen und pöbelhaften Streit, der sich zwischen ihr und Frau von Goethe an einem öffentlichen Orte begeben hat. Daß die Gemeinheit nur von Einer Seite obwaltete, hoffe ich zu Bettinens Ehre; wenigstens ist es nur von dieser zum Handgemenge gekommen, wenn man so sagen will, indem sie der unglücklichen Bettine die Brille von der Nase gerissen und auf dem Boden zertrümmert hat. Es wäre wohl zu wünschen, daß sie Jedermann so die Augen über sich öffnete, wenn auch auf eine etwas sanftmüthigere Weise.

[Brief an Friedrich Wilhelm Schelling, 23. Oktober 1811; → Plitt 1870: Zweiter Band, S. 267 f.]

Zu einer Versöhnung sollte es nie mehr kommen, wenn auch Bettine ab 1821 wieder bei Goethe vorgelassen wurde. Trotzdem war Goethes Zorn ein teurer Preis, den Bettine für ihr Verhalten und ihre Wortwahl zahlen musste. Hätte sie erahnen können, wie Goethe reagieren würde, hätte sie die Äußerungen, die Marie Helene von Kügelgen rund ein Jahr nach dem Vorfall wiedergibt, wahrscheinlich unterlassen:

Als sie [Bettine] vor einem Jahr den heftigen Streit mit der Goethe hatte, der so viel Aufsehen machte, hat sie in ganz Weimar erzählt: es wäre eine Blutwurst toll geworden und hätte sie gebissen. Und wirklich soll die Goethe keinem Ding so ähnlich sehen als einer Blutwurst.

[Brief an Friederike und Wilhelm Volkmann, 12. Oktober 1812; → Kügelgen 190: S. 178]