Sturmhöhe

Ganz oben auf der Liste unserer Lieblingsbücher steht der einzige Roman, den Emily Brontë geschrieben hat: Sturmhöhe.


Daten zum Buch

  • Autorin: Ellis Bell (d.i. Emily Brontë)
  • Titel: Wuthering Heights
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: London
  • Verleger: Thomas Cautley Newby, Publisher
  • Erscheinungsjahr: 1847
  • Deutsche ErstausgabeWutheringshöhe (Grimma/Leipzig: Verlag-Comptoir 1851, Übersetzung: unbekannt)

Eins ist klar: Schwierig zu lesen ist Emily Brontës Sturmhöhe schon. Über 32 Jahre erstreckt sich immerhin die Handlung, doch wird sie weder chronologisch noch von einem allwissenden Erzähler wiedergegeben; vielmehr sind es zwei Nebenfiguren des Romans, Nelly Dean und Mr. Lockwood, die uns das Geschehen in immer neuen Rückblenden vermitteln. Wer also beim Lesen nicht scharf Acht gibt, der kann in dem Geflecht aus Briefen, Tagebucheinträgen und Erinnerungen in der Tat schnell vom rechten Wege abkommen.

Aber mag das Buch auch etwas allzu kompliziert  aufgebaut sein, mögen die Charaktere sprechen, wie sonst wohl kaum einer spricht, mögen manche Figuren auch blass bleiben – so ist das alles unwichtig in Anbetracht des Sturms aus Donnern und Blitzen, der über das düstere Yorkshire hinwegfegt und einen derart herrlichen Geruch von Moder und Tod zurücklässt, das wir bald meinen, das Monster des Dr. Frankenstein sei nicht mehr als nur ein Teddybär.

Dazu trägt natürlich auch jener Haderlump bei, der mit keiner anderen literarischen Figur zu vergleichen ist. Heathcliff ist der Beelzebub in Person, ein Unhold, wie es ihn nicht noch einmal gibt auf dieser Welt. Schwer zu glauben also, dass dieses Buch zu Beginn des Viktorianischen Zeitalters geschrieben worden ist, passt es mit seiner unkonventionellen Mischung aus Leidenschaft, Totenkult und Dämonie doch viel eher in die Moderne.

Und dabei beginnt das Buch mit einem Akt der Barmherzigkeit. Als Mr. Earnshaw in den Elendsvierteln Liverpools ein Findelkind entdeckt, nimmt er es mit auf seinen Hof Wuthering Heights in Yorkshire. Dort wächst Heathcliff zusammen mit Hindley und Catherine auf, den Kindern der Earnshaws. Catherine und Heathcliff sind zwar Seelenverwandte, doch die Wildheit und Leidenschaft der beiden sorgt ständig für Explosionsgefahr.

Das wird besonders in dem Augenblick deutlich, da Catherine über den Tellerrand ihres Gutshofs hinauszublicken beginnt. Auf dem benachbarten Gut Thrusscross Grange wohnt einer, den sie heiraten will. Sie sei zwar nicht dazu gemacht, sagt sie, Edgar Linton zu heiraten, mehr noch würde sie es aber erniedrigen, Heathcliff zu ehelichen. Warum? Wohl weil ihre Seele aus demselben Stoff gemacht sei wie die seinige:

›I’ve no more business to marry Edgar Linton than I have to be in heaven; and if the wicked man in there had not brought Heathcliff so low, I shouldn’t have thought of it. It would degrade me to marry Heathcliff now; so he shall never know how I love him: and that, not because he’s handsome, Nelly, but because he’s more myself than I am. Whatever our souls are made of, his and mine are the same; and Linton’s is as different as a moonbeam from lightning, or frost from fire.‹

[Ausgabe von 1911: Chapter IX, S. 109]

Heathcliff, der ihre Worte hört, kehrt ihnen bald darauf den Rücken. Aber er wird wiederkommen – und zwar mit dem festen Vorsatz, beide Familien zu zerstören. Tatsächlich taucht er einige Jahre später wieder auf, Catherine ist inzwischen Edgar Lintons Frau geworden. Nun beginnt sein Rachfeldzug, denn seiner Ansicht nach hat Catherine geradezu teuflisch an ihm, Heathcliff, gehandelt:

›I want you to be aware that I know you have treated me infernally – infernally! Do you hear? And if you flatter yourself that I don’t perceive it, you are a fool; and if you think I can be consoled by sweet words, you are an idiot; and if you fancy I’ll suffer unrevenged, I’ll convince you of the contrary, in a very little while!‹

[Ausgabe von 1911: Chapter XI, S. 148 f.]

Anschließend wendet er sich Catherines Bruder Hindley zu, der ihn früher immerzu schikaniert hatte. Heathcliff rächt sich an ihm, indem er ihn, der durch den Tod seiner Frau Frances tief in der Krise steckt, mit Alkohol und Glücksspiel fertigmacht. Ziel der ganzen Aktion ist es, Herr von Wuthering Heights zu werden, was ihm nach Hindleys Tod schließlich auch gelingt.

Zuvor aber hat er bereits die Lintons gedemütigt. Nicht nur, dass er die unbedarfte Isabelle, die Schwester Edgars, ehelicht und sie anschließend auf Wuthering Heights so lange verkommen lässt, bis sie endlich von dort flieht – überdies stürzt er auch noch Catherine in einen Konflikt zwischen Liebe und Treue; es ist jedenfalls so schlimm, dass Catherine halb wahnsinnig wird:

In a few seconds she stretched herself out stiff, and turned up her eyes, while her cheeks, at once blanched and livid, assumed the aspect of death.

[Ausgabe von 1911: Chapter XI, S. 156]

Als Catherine und Heathcliff noch einmal zusammentreffen, bieten sie ein schauerliches Bild. Nichts auf der Welt hätte sie trennen können, so Heathcliff, Gott weder noch der Teufel, nur sie selbst habe ihr eigenes Herz verraten:

›Because misery, and degradation, and death, and nothing that God or satan could inflict would have parted us, you, of your own will, did it. I have not broken your heart – you have broken it – and in breaking it, you have broken mine.‹

[Ausgabe von 1911: Chapter XV, S. 208]

In jener Nacht gibt es einen Anfang und ein Ende: Catherine bringt ein schwächliches Siebenmonatskind auf die Welt, stirbt aber selbst an den Folgen der Geburt.

Eine neue Generation wächst heran, doch Heathcliff setzt sein Zerstörungswerk fort. Er zwingt Catherines Tochter Cathy zur Heirat mit seinem kränklichen Sohn Linton, und als Linton kurz nach Edgars Tod stirbt, ist Heathcliff auch Herr über Thrusscross Grange. Wer bleibt jetzt noch übrig, an dem er seine Rache üben kann? Hindleys Sohn Hareton. Heathcliff behandelt ihn grausam und brutal, doch Hareton ist nicht alleine, da ganz allmählich die Liebe von Cathy zu ihm aufkeimt.

Vielleicht trägt diese Liebelei ja dazu bei, dass Heathcliff nicht mehr leben kann oder will. Er stirbt unter mysteriösen Umständen und ist nun endlich wieder mit Catherine vereint. Ob er aber still in seinem Grab ruht? Oder streift er nicht vielmehr in der Nähe umher, bei der Kirche, auf dem Moor oder in diesem und jenem Haus? Dass jedenfalls würden die Leute aus der Gegend wohl auf ihre Bibeln schwören. Auch geht das Gerücht, dass man in regnerischen Nächten zwei Gestalten sehen könne, die aus dem Fenster der Kammer hinausschauten:

But the country folks, if you ask them, would swear on their Bible that he walks: there are those who speak to having met him near the church, and on the moor, and even within this house. Idle tales, you’ll say, and so say I. Yet that old man by the kitchen fire affirms he has seen two on ’em, looking out of his chamber window, on every rainy night since his death

[Ausgabe von 1911: Chapter XXXIV, S. 413]

Sind es nur Gespenstergeschichten, oder ist es Wirklichkeit? Wir können es nicht mit Bestimmtheit sagen.