Stephen Leacock

Wer sich für nordamerikanische Literatur interessiert, muss auch etwas von Stephen Leacock gelesen haben. Hier in Deutschland ist das allerdings gar nicht so einfach.


Die Leserinnen in den 20er-Jahren hatten es gut: Sie konnten Stephen Leacock auf Deutsch lesen. 1925 sind nämlich im Verlag Williams & Co gleich zwei Bücher des kanadischen Humoristen erschienen: Humor und Humbug sowie Die Abenteuer der armen Reichen, beide übersetzt von E. L. Schiffer-Williams.

Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich Edith Jacobsohn, die Ehefrau Siegfried Jacobsohns, der als Gründer der Weltbühne auch heute noch unvergessen ist (oder es zumindest sein sollte). Eifrigster Schreiber des Blättchens war Kurt Tucholsky, der deshalb natürlich auch gerne Leacocks Bücher besprach, allerdings nicht in der Weltbühne, sondern in der Vossischen Zeitung (›Ein moderner Humorist‹, 26. Juli 1925, S. 9).

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Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene

Sondermerkwürdig sind all jene Bücher, die aus ganz wenigen Sätzen bestehen. Bestes Beispiel ist das Buch von Bohumil Hrabal: Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene.


Daten zum Buch

  • Autor: Bohumil Hrabal
  • Titel: Taneční hodiny pro starší a pokročilé
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Prag
  • Verleger: Československý spisovatel
  • Erscheinungsjahr: 1964
  • Deutsche Erstausgabe: Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1965, Übersetzung: Franz Peter Kürzel)

Der Soldat Schwejk war auch so einer. Richtig schöne Geschichten konnte der erzählen, genauso wie dieser alte Schuster hier, der einfach nur friedlich und nett mit einer jungen Maid plaudert.

Was kann er ihr nicht alles aus seinem Leben berichten: wie sich damals beispielsweise zwei Schöne seinetwegen gegenseitig die Blusen zerrissen hätten; wie er vor dem Hoflieferanten Weinlich und dessen Vertretern Fogl und Vertsberger wie vor einem Schwurgericht gestanden habe; wie er in Meidling Wache geschoben und den Kaiser gesehen habe, als dieser der auf der Leiter stehenden Schratt wie Goethe einst unter den Rock geguckt habe. Ja, da wird die gute alte k.-u.-k.-Zeit wieder lebendig.

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Solneman der Unsichtbare

Wer in Texten Kurt Tucholskys blättert, stößt häufig auf Rezensionen, die einen neugierig auf das besprochene Buch machen. So führt einer seiner Artikel dazu, dass jetzt auch ein Roman von Alexander Moritz Frey auf unserem Nachttisch liegt: Solneman der Unsichtbare.


Daten zum Buch

  • Autor: Alexander Moritz Frey
  • Titel: Solneman der Unsichtbare
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: München
  • Verleger: Delphin-Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1914

Wer keine lustigen Geschichten mag, dem ist nicht zu helfen. Hier ist eine, die auch heute noch urkomisch ist, 100 Jahre nachdem sie erstmals erschienen ist. Ja, Tucholsky hatte ganz Recht, als er in seiner begeisterten Rezension von einem ›höchst amüsanten‹ Buch sprach.

Bücher, die so alt sind, sind heutzutage nicht immer ganz leicht zu besorgen. Das ist in diesem Fall anders. Der Roman liegt nämlich in einer Ausgabe des Elsinor Verlags vor (Coesfeld 2010, ISBN-13: 978-3939483168), auf die alle interessierten Leserinnen zurückgreifen können. Und das sollten doch eigentlich alle. Oder zumindest die, die, wie Tucholsky sagte, ›Spaß an barockem Humor‹ haben:

Ich sage absichtlich nicht: grotesk – das ist dieser Humor auch -, aber da ist doch noch ein Ton, der aufhorchen macht, und der nicht auf der Mohnwiese E. A. Poes gewachsen ist: ein schneidender, eiskalter Ton.

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Ich habe den englischen König bedient

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein Buch, das ebenfalls durch einen Film bekannt geworden ist: Ich habe den englischen König bedient von Bohumil Hrabal.


Daten zum Buch

  • Autor: Bohumil Hrabal
  • Titel: Obsluhoval jsem anglického krále
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Prag
  • Verleger: Jazzová sekce
  • Erscheinungsjahr: 1971
  • Deutsche Erstausgabe: Ich habe den englischen König bedient (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1988, Übersetzung: Karl-Heinz Jähn)

Das ist mal ein feiner Roman. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: das ist ein feiner Roman bis zu einer bestimmten Stelle, danach hätte ich mir das Weiterlesen im Grunde sparen können.

Tatsächlich geht es mir im Falle von Ich habe den englischen König bedient (Obsluhoval jsem angkického krále) ganz ähnlich wie Hemingway mit Huckleberry Finn: Die ganze moderne amerikanische Literatur stamme von Mark Twains Buch ab, so Hemingway, nur müsse man dort zu lesen aufhören, wo man dem Jungen den Nigger Jim forthole, das sei der wirkliche Schluss, alles Weitere sei bloß Schwindel.

Die Geschichte um den Ich-Erzähler Jan Dítě beginnt äußerst flott und ist im Anfang wirklich recht angenehm zu lesen. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, versucht sich der Protagonist in den 30er-Jahren als Pikkolo in einem Hotel in einer tschechischen Kleinstadt in der Nähe von Prag durchzuschlagen. Doch Dítě ist ehrgeizig, er verfolgt höhere Ziele: als Millionär könnte er sich doch selbst irgendwann einmal ein kleines Hotel zulegen, ein Schmuckkästchen irgendwo im böhmischen Paradies oder so, auf dass man ihn achte wie andere Hoteliers auch.

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Blondinen bevorzugt

Ganz oben auf unserem Nachttisch befindet sich ein Buch, das die meisten wohl nur als Film kennen: Blondinen bevorzugt von Anita Loos.


Daten zum Buch

  • Autorin: Anita Loos
  • Titel: Gentlemen Prefer Blondes
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: New York
  • Verleger: Boni & Liveright
  • Erscheinungsjahr: 1925
  • Deutsche Erstausgabe: Blondinen bevorzugt
    (München: Drei Masken Verlag 1927, Übersetzung: Gustav Kauder)

Den Film, klar, den kennt wohl fast jeder. Marilyn Monroe und Jane Russell spielen die Hauptrollen, Howard Hawks führt Regie, etwas Schöneres kann es kaum geben. Wer aber hat eigentlich die Vorlage für den Streifen geliefert (der teilweise erheblich vom Buch abweicht)? Anita Loos ists gewesen, eine bekannte Drehbuchautorin, deren Geschichte nach ihrer Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Harper’s Bazaar 1925 auch von Boni & Liveright als Buch herausgebracht wurde und schon bald zum Bestseller avancierte.

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Reise um mein Zimmer

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein wunderbares kleines Buch von Xavier de Maistre: Reise um mein Zimmer.


Daten zum Buch

  • Autor: Xavier de Maistre
  • Titel: Voyage autour de ma chambre
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Lausanne
  • Erscheinungsjahr: 1794
  • Deutsche Erstausgabe: Reise um mein Zimmer (Riga 1874, Übersetzung: Adolf Ey)

Ich liebe solche Bücher. Solche, die eine Geschichte auf eine andere Art erzählen als normalerweise üblich, solche die vom linear-langweiligen Pfad abkommen und komplizierte Umwege gehen. Lorenz Sterne vor allem war ein Meister darin, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, von A nach Z nicht schnurgerade über B, C, D usw. zu gelangen, sondern abzuschweifen in alle möglichen Richtungen, vielleicht nach G erst oder T, vielleicht aber auch nach Jot oder Ypsilon.

Allerdings wollen wir hier nicht von Sterne sprechen, sondern von einem seiner Nachfolger im Geiste, Xavier de Maistre. Doch wer kennt den Mann überhaupt? Der einzige Maistre, der halbwegs bekannt ist, ist wohl nur derjenige, Joseph geheißen, der jenes berühmte Bonmot geprägt hat, dass jedes Volk genau die Regierung besitze, die es verdiene.

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Onkels Erwachen

P. G. Wodehouse ist vielleicht der humorigste aller humorigen Schriftsteller. Eines seiner Bücher liegt auf unserem Nachttisch: Onkels Erwachen.


Daten zum Buch

  • Autor: P. G. Wodehouse
  • Titel: Uncle Fred in the Springtime
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: New York
  • Verleger: Doubleday, Doran
  • Erscheinungsjahr: 1939
  • Deutsche Erstausgabe: Schloss Blandings im Sturm der Gefühle
    (München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1983, Übersetzung: Christiane Trabant-Rommel)

Ja, damals war die Welt noch in Ordnung. Zum Adel zu gehören bedeutete etwas, den Herzögen, Grafen und all den anderen Peers ging es hervorragend (den meisten jedenfalls), das Leben war schön. Aber wer reich ist und privilegiert, der hat mit dem wirklichen Leben zumeist nicht viel am Hut – völlig normal also, dass fast der gesamte englische Adel einen an der Klatsche hatte und mit einem Bein bereits im Irrenhaus stand.

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Per Anhalter durch die Galaxis

Zu den schönsten Büchern auf unserem Nachttisch gehört ganz ohne Frage auch das Buch mit der 42: Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams.


Daten zum Buch

  • Autor: Douglas Adams
  • Titel: The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: London
  • Verleger: Pan Books
  • Erscheinungsjahr: 1979
  • Deutsche Erstausgabe: Per Anhalter durch die Galaxis (Frankfurt am Main: Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins 1981, Übersetzung: Benjamin Schwarz)

Die freundlichen Vogonen machen kurzen Prozess. Die Erde steht nun mal im Weg, die Expressroute quer durch den Hyperraum hat Vorrang. Und so radieren sie die gute alte Erde mir nichts, dir nichts von der intergalaktischen Landkarte. Das wars dann wohl.

Nicht aber für Arthur Dent. Das wiederum hat er seinem Kumpel Ford Prefect zu verdanken, der zufällig von einem kleinen Planeten in der Nähe von Beteigeuze stammt und nur deshalb auf der Erde weilt, weil er als Autor für den berühmtesten aller Reiseführer zeichnet. So erreichen Arthur und Ford tatsächlich per Anhalter noch gerade so eben das Raumschiff der Vogonen, die allerdings nicht unbedingt für ihre Gastfreundschaft berühmt sind.

Kein Wunder, dass sie ihre beiden blinden Passagiere kurzerhand wieder in den Raum hinausschießen. Das sollte eigentlich das endgültige Aus sein für Arthur und Ford. Ist es aber nicht. Vielmehr finden sie sich plötzlich auf einem Raumschiff wieder, der Herz aus Gold, die, wie ja jedermann weiß, als gestohlen gilt.

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Jakob und sein Herr

Zu unseren Lieblingsbüchern gehört auch ein Roman des französischen Schriftstellers Denis Diderot: Jakob und sein Herr.


Daten zum Buch

  • Autor: Denis Diderot
  • Titel: Jacques le fataliste et son maître
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Paris
  • Verleger: Buisson
  • Erscheinungsjahr: 1796
  • Deutsche ErstausgabeJakob und sein Herr (Berlin: Johann Friedrich Unger 1792, Übersetzung: Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius)

Man kennt das ja in der heutigen, modernen Zeit: Plagiieren ist groß in Mode, es wird kopiert und eingefügt, was das Zeug hält – fast immer und überall. Ein konkretes Beispiel hierfür brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht anzuführen. Es genügt zu sagen, dass man sich nur einmal die tagesaktuellen Zeitungen (oder die entsprechenden Netzauftritte) angucken muss, um entsprechende Fälle zu finden – sei es in der Politik, sei es – und dort im besonderen Maße – im Journalismus; solche Vorkommnisse gibt es jedenfalls mehr als genug.

Heute ist die Aufregung darüber zumeist riesengroß, früher aber war das alles noch etwas anders. Man schaue sich nur einmal den Woyzek an, den der junge Georg Büchner reichlich skrupellos den gerichtsmedizinischen Gutachten des Dr. Johann Christian August Clarus über die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck entnommen hat. Oder Dantons Tod, in welchem Büchner wortgetreu aus den Redeprotokollen der Französischen Revolution zitiert (und das alles, ohne auch nur ein einziges Mal darauf hinzuweisen – ach du lieber Gott). Das weiß jedes Kind, und trotzdem gilt Büchner als großer Dichter – und warum auch nicht?

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Tom Jones

Zu unseren Lieblingsbüchern gehört auch der große humoristische Roman von Henry Fielding: Tom Jones.


Daten zum Buch

  • Autor: Henry Fielding
  • Titel: The History of Tom Jones, a Foundling
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: London
  • Verleger: Andrew Millar
  • Erscheinungsjahr: 1749
  • Deutsche Erstausgabe: Historie des menschlichen Herzens, nach den Abwechslungen der Tugenden und Laster in den sonderbaren Begebenheiten Thomas Jones, eines Findlings (Hamburg: Hertel 1749, Übersetzung: Matthias Arnold Wodarch)

Mal ganz ehrlich: Was schon ist die Statue der Mediceischen Venus, was die Galerie der Schönen im Hampton Court, was die strahlenden Churchills gegen sie, die daherkommt versehen mit all der Anmut, in die Natur sie kleiden kann; geschmückt mit Schönheit, Jugend, Morgenfrische, Unschuld, Bescheidenheit und Zärtlichkeit, auf ihren Rosenlippen einen Hauch von Süße und glitzernden Glanz in ihren strahlenden Augen? Nichts.

So charming may she now appear! and you the feathered choristers of nature, whose sweetest notes not even Handel can excell, tune your melodious throats to celebrate her appearance. From love proceeds your music, and to love it returns. Awaken therefore that gentle passion in every swain: for lo! adorned with all the charms in which nature can array her; bedecked with beauty, youth, sprightliness, innocence, modesty, and tenderness, breathing sweetness from her rosy lips, and darting brightness from her sparkling eyes, the lovely Sophia comes!

[Ausgabe von 1791: Book IV, Chapter II, S. 177 f.]

Nun, auch Fielding sagt ja, dass er in sie verliebt sei (was kein Wunder ist, da er sie ganz offensichtlich seiner ersten Ehefrau Charlotte Craddock nachgeformt hat); und er meint, dass auch die Leserin im Laufe der Zeit sich in sie verlieben würde – womit er wohl durchaus Recht hat, denn es kann wahrscheinlich kaum eine Leserin geben, die das Geschick der jungen Sophia Western kaltsinnig lässt. Sie hat es in der Tat nicht ganz leicht. Als ihr Vater sich nämlich auf der Suche nach seiner Tochter befindet, sie aber nicht findet, ruft er etwas aus, das wohl ungefähr so viel heißen soll wie: Pah, zum Teufel mit dem Luder.

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