Solneman der Unsichtbare

Wer in Texten Kurt Tucholskys blättert, stößt häufig auf Rezensionen, die einen neugierig auf das besprochene Buch machen. So führt einer seiner Artikel dazu, dass jetzt auch ein Roman von Alexander Moritz Frey auf unserem Nachttisch liegt: Solneman der Unsichtbare.


Daten zum Buch

  • Autor: Alexander Moritz Frey
  • Titel: Solneman der Unsichtbare
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: München
  • Verleger: Delphin-Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1914

Wer keine lustigen Geschichten mag, dem ist nicht zu helfen. Hier ist eine, die auch heute noch urkomisch ist, 100 Jahre nachdem sie erstmals erschienen ist. Ja, Tucholsky hatte ganz Recht, als er in seiner begeisterten Rezension von einem ›höchst amüsanten‹ Buch sprach.

Bücher, die so alt sind, sind heutzutage nicht immer ganz leicht zu besorgen. Das ist in diesem Fall anders. Der Roman liegt nämlich in einer Ausgabe des Elsinor Verlags vor (Coesfeld 2010, ISBN-13: 978-3939483168), auf die alle interessierten Leserinnen zurückgreifen können. Und das sollten doch eigentlich alle. Oder zumindest die, die, wie Tucholsky sagte, ›Spaß an barockem Humor‹ haben:

Ich sage absichtlich nicht: grotesk – das ist dieser Humor auch -, aber da ist doch noch ein Ton, der aufhorchen macht, und der nicht auf der Mohnwiese E. A. Poes gewachsen ist: ein schneidender, eiskalter Ton.

Und wer zeichnete für diesen Ton verantwortlich? Alexander Moritz Frey (1881 bis 1957). Wie belieben, Frey – wer ist das? Eine typische Reaktion angesichts der Tatsache, dass dieser Name heute so gut wie unbekannt ist. Ist das gerecht? Nein. Aber wann geht es im Leben schon mal gerecht zu?

Manchmal ist so etwas trotzdem schwer zu erklären. Das trifft auch auf Frey zu. Immerhin zählte er zu Tucholskys Lebzeiten zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern, der einige Jahre nach dem hier vorgestellten Roman auch das Beste aller Kriegsbücher geschrieben hat: Die Pflasterkästen. Und so jemand ist heute nahezu unbekannt? So ist es.

Das ist das Problem vieler Exilanten. Als erklärter Gegner der Nazis musste er Deutschland 1933 verlassen, kehrte nach dem Krieg nicht mehr zurück und geriet damals in Vergessenheit. Vielleicht wird er jetzt, fast 60 Jahre nach seinem Tod, langsam wiederentdeckt.

Verdient hätte er es in jedem Fall. Man muss nur einmal das hier vorliegende Buch lesen. Solneman der Unsichtbare ist in der Tat eine wunderbare Satire. Sie handelt von einem Fremden, der in die Stadt kommt und den Bürgerpark für eine Summe von gerade einmal 73 Millionen kaufen will. Die Stadtoberen wissen nicht recht was tun, doch als der Unbekannte sein Angebot verdoppelt und der Einfachheit halber auf 150 Millionen aufrundet, kann die Stadt nicht mehr ablehnen.

Nach abgeschlossenem Handel zieht der Nabob in den Park. Man rätselt allenthalben. Wer ist dieser Mann? Immerhin, der Name ist bekannt: Hciebel Solneman – wobei das H vor dem C im Vornamen, der einem christlich getauften Negerstamme der Ostküste Afrikas entnommen ist, bedeutet, dass das C wie ein R auszusprechen ist. Solneman lässt eine riesige Mauer um den Park herum aufbauen und schottet sich von allen anderen Menschen ab. Er will er selbst sein in seinem Refugium, allein, ungestört und einsam. Doch machen die Bürger das Spiel auch wirklich mit?

Es ist das alte Lied: Man begegnet allem, was fremd und anders ist, erst mal mit Misstrauen, manchmal auch mit Hass. Und so wollen sie unbedingt wissen, wer dieser große Unbekannte, der selbst sein Gesicht immerzu mit einer schwarzen Larve verdeckt, in Wirklichkeit ist. Unentwegt belagern sie den gesellschaftlichen Außenseiter, versuchen in seine Privatsphäre einzudringen, wollen den Gast wieder aus ihrer Mitte herausdrängen. Und wenn sie eine Bürgerwehr organisieren müssen, um seiner endlich habhaft werden zu können, so muss es eben sein. Das Rätsel muss gelöst werden.

Aber sie können ihn nicht greifen. Der Fremde stellt sie alle bloß. Selbst der damals Höchstgestellte aller Deutschen, die berühmte Majestät, die für drei Tage auf Besuch in die Stadt kommt, steht am Ende wie ein begossener Pudel da, genauso wie der Oberbürgermeister natürlich, der alles so sorgsam mit einem Schrieb des Steueramts eingefädelt hatte.

Fangen können sie ihn also nie, auch wenn sie den Park schließlich doch noch erobern. Aber was ist das? Von Solneman, dem Unsichtbaren ist nichts zu sehen, er hat nichts weiter hinterlassen als einen Abschiedsbrief und den verschollen geglaubten Leutnant von Eckern-Beckenbruch, der im Affenhaus sitzt – ganz so wie die Natur ihn geschaffen hat. Das Entsetzen über den nackenden Beckenbruch ist groß, doch der Polizeipräsident weiß, was jetzt geraten ist: dem armen Leutnant die Uniform wieder zu beschaffen, alles muss schließlich seine Ordnung haben.

Alexander Moritz Frey – ein großer Autor, dem mit seinem Buch von Solneman dem Unsichtbaren ein Meisterstück der deutschsprachigen Literatur gelungen ist. Nun bleibt nur zu hoffen, dass er auch heute noch die eine oder andere Leserin finden möge. Verdient hätte er es allemal.


Den Anstoß zur Lektüre gab folgender Artikel von Kurt Tucholsky: ›Solneman, der Unsichtbare‹, Autorenname: Peter Panter, Die Weltbühne, 33/1919, S. 177 bis 178.