Tom Jones

Zu unseren Lieblingsbüchern gehört auch der große humoristische Roman von Henry Fielding: Tom Jones.


Daten zum Buch

  • Autor: Henry Fielding
  • Titel: The History of Tom Jones, a Foundling
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: London
  • Verleger: Andrew Millar
  • Erscheinungsjahr: 1749
  • Deutsche Erstausgabe: Historie des menschlichen Herzens, nach den Abwechslungen der Tugenden und Laster in den sonderbaren Begebenheiten Thomas Jones, eines Findlings (Hamburg: Hertel 1749, Übersetzung: Matthias Arnold Wodarch)

Mal ganz ehrlich: Was schon ist die Statue der Mediceischen Venus, was die Galerie der Schönen im Hampton Court, was die strahlenden Churchills gegen sie, die daherkommt versehen mit all der Anmut, in die Natur sie kleiden kann; geschmückt mit Schönheit, Jugend, Morgenfrische, Unschuld, Bescheidenheit und Zärtlichkeit, auf ihren Rosenlippen einen Hauch von Süße und glitzernden Glanz in ihren strahlenden Augen? Nichts.

So charming may she now appear! and you the feathered choristers of nature, whose sweetest notes not even Handel can excell, tune your melodious throats to celebrate her appearance. From love proceeds your music, and to love it returns. Awaken therefore that gentle passion in every swain: for lo! adorned with all the charms in which nature can array her; bedecked with beauty, youth, sprightliness, innocence, modesty, and tenderness, breathing sweetness from her rosy lips, and darting brightness from her sparkling eyes, the lovely Sophia comes!

[Ausgabe von 1791: Book IV, Chapter II, S. 177 f.]

Nun, auch Fielding sagt ja, dass er in sie verliebt sei (was kein Wunder ist, da er sie ganz offensichtlich seiner ersten Ehefrau Charlotte Craddock nachgeformt hat); und er meint, dass auch die Leserin im Laufe der Zeit sich in sie verlieben würde – womit er wohl durchaus Recht hat, denn es kann wahrscheinlich kaum eine Leserin geben, die das Geschick der jungen Sophia Western kaltsinnig lässt. Sie hat es in der Tat nicht ganz leicht. Als ihr Vater sich nämlich auf der Suche nach seiner Tochter befindet, sie aber nicht findet, ruft er etwas aus, das wohl ungefähr so viel heißen soll wie: Pah, zum Teufel mit dem Luder.

Auch muss die gute Sophia es ertragen, dass der Alte ihr gegenüber von seiner verstorbenen Frau (Sophias Mutter also) als so einer Art Biest oder Miststück spricht – ein Wort, mit dem er danach auch noch seiner Schwägerin gedenkt.

Es wäre aber auch alles viel einfacher, wenn nicht dieser Tom Jones wäre. Da liegt er also plötzlich als Säugling vor dem Bett des alten Allworthy, der es sich zusammen mit seiner unverheirateten Schwester auf seinem Gut in Somersetshire wohl sein lässt. Wer aber ist die Mutter des Findelkindes? Anscheinend die junge Jenny Jones, die in Allworthys Haus genau wie in dem des Dorfschullehrers Partridge als Magd arbeitet. Da das, was sie wohl getan, so etwas wie eine Schande ist, müssen sie beide ihre Heimat verlassen, Jenny Jones genauso wie Partridge.

Tom Jones hat es besser. Allworthy nimmt sich seiner an, denn für ihn ist Tom so etwas wie der Sohn, den er nie gehabt hat. Tom Jones bleibt aber nicht das einzige Kind im Hause Allworthy: Ein Hauptmann, Blifil mit Namen, macht sich an Allworthys Schwester heran – das Ergebnis dieser Verbindung ist Blifil Junior.

Die jungen Leute wachsen heran, die Alten sterben (Hauptmann Blifil und Allworthys Schwester), Tom verliebt sich in die Tochter des alten Western – und sie? Zum Schrecken des Alten und ihrer Tante erwidert sie diese Liebe auch noch. Ob sie denn wirklich daran denken könne, die Familie zu entehren, indem sie sich mit einem Bastard liiere, will ihre Tante von ihr wissen – und dass das Blut der Westerns sich einer solchen Verunreinigung unterwerfen könne, sei ja wohl unerhört.

And is it possible you can think of disgracing your family by allying yourself to a bastard? Can the blood of the Westerns submit to such contamination? If you have not sense sufficient to restrain such monstrous inclinations, I thought the pride of our family would have prevented you from giving the least encouragement to so base an affection; much less did I imagine you would ever have had the assurance to own it to my face.

[Ausgabe von 1791: Book VI, Chapter V, S. 30]

Aber es kommt noch dicker. Der alte Western will seine Tochter mit Blifil verheiraten, ausgerechnet mit diesem Teufel also, der wie nebenbei dafür sorgt, dass der arme Tom Jones von Allworthy verstoßen wird. Tom macht sich also auf den Weg, um zur See zu gehen; und auch die junge Frau Western hält nichts mehr in ihrem Hause, sie will ja nicht einen Teufel heiraten.

Tom trifft derweil auf Partridge, der ihm versichert, nicht sein Vater zu sein. Wer aber ist dann sein Vater, vor allem aber, wer ist seine Mutter? Doch hoffentlich nicht die gute Mrs. Waters, mit der zusammen Tom in einem Gasthof in Upton eine Nacht verbringt. Mrs. Waters, das ist nämlich keine andere als Jenny Jones – Schockschwerenot. Hier gehen die Irrungen und Wirrungen also noch sehr viel weiter als in den anderen Fällen, von denen wir gehört haben. Bändeln sonst nur Cousin und Kusine miteinander an, so haben wir es hier mit dem klassischen Fall eines Sohnes zu tun, der in seiner ganzen Unschuld eine Frau begehrt, die seine eigene Mutter sein könnte (auch wenn er nichts davon weiß). Wie Ödipus und Iokaste.

Aber nein, Glück gehabt, Mrs. Waters ist nicht seine Mutter. Tom hat auch in anderer Hinsicht Glück. Nachdem ihn die junge Frau Western schon in den Wind geschossen hat (sie weiß von Toms Affäre), nachdem er in London dann auch noch im Gefängnis gelandet ist, wendet sich zu guter Letzt doch noch das Blatt. Es stellt sich nämlich heraus, dass Tom der Sohn von Allworthys Schwester ist – er ist also durchaus ein angemessener Partner für die junge Frau Western; außerdem wird Blifil als Schurke enttarnt – weshalb er bei den alten Herren endlich unten durch ist.

Und so kann Tom nun doch noch seine Sophia heiraten. Und sie leben glücklich und zufrieden … wollen wir zumindest mal für sie hoffen.

Fußnote zum ersten Absatz:
Bei der Venus aus dem Besitz der Medici handelt es sich um eine römische Marmorkopie einer griechischen Aphroditenstatue des frühen 3. Jahrhunderts vor unserer Zeit; die Mediceische Venus steht heute in den Uffizien in Florenz; für die Schönheitsgalerie im englischen Lustschloss Hampton Court zeichnete der Maler Godfrey Kneller verantwortlich, der insgesamt acht Hofdamen porträtierte; nachgerade als Naturwunder galten zu ihrer Zeit auch die vier Töchter des Herzogs und der Herzogin von Marlborough, Henrietta, Elisabeth, Mary und Anne Churchill, zu deren Nachfahren sowohl Winston Churchill als auch Lady Diana gehören.