Hyperion

Auch der zweite deutsche Klassiker, den wir in der Alten Bücherkiste vorgestellt hatten, ist ein Briefroman: Hyperion von Friedrich Hölderlin.


Daten zum Buch

  • Autor: Friedrich Hölderlin
  • Titel: Hyperion oder der Eremit in Griechenland
  • Genre: Briefroman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Tübingen
  • Verleger: Cotta Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1797

Wird Hölderlin heute denn noch gelesen? Wahrscheinlich eher nicht, doch, bitte, warum eigentlich nicht? Ja, es mag der modernen Leserin nicht sehr interessant erscheinen, all die Briefe durchzugehen, die Hyperion seinem Freunde Bellarmin schickt, ja es mag uns merkwürdig dünken, vom ›stolzhinschiffenden Schwan‹ oder von der ›allwohlthätigen Flamme‹ zu hören (Erstausgabe: 1. Band, 2. Buch, S. 99 und S. 100).

Aber was macht das schon? Wir alle beklagen uns doch ständig über den Niedergang der deutschen Sprache, warum also nicht mal ein Deutsch lesen, das vor mehr als 200 Jahren geschrieben worden ist?

Historischer Hintergrund des Buchs ist der Aufstand der Griechen gegen die Türken im Jahr 1770, als gerade der Türkisch-Russische Krieg im Gange war, der von 1768 bis 1774 dauerte. Heute ist der Aufstand als ›Orlofika‹ bekannt, benannt nach den drei Orlow-Brüdern, die den Aufruhr im Auftrag Katharinas der Großen angezettelt hatten. Dem Aufstand war allerdings kein Erfolg beschieden. Ein ganz und gar schreckliches Ende nahm er für den kretischen Freiheitskämpfer Daskalogiannis, der von den Türken öffentlich gehäutet wurde. Grausameres kann es nun wirklich kaum noch geben.

Ruhmlos und einsam kehr‘ ich zurück und wandre durch mein Vaterland, das, wie ein Todtengarten, weit umher liegt, und mich erwartet vielleicht das Messer des Jägers, der uns Griechen, wie das Wild des Waldes, sich zur Lust hält.

[Erstausgabe: 1. Band, 1. Buch, S. 9]

Frohgemut ist der in seine Heimat Griechenland zurückgekehrte Hyperion sicher nicht, doch es tut ihm wohl, dem Freunde Bellarmin von sich zu erzählen und ihm die vorigen Zeiten ins Gedächtnis zu bringen.

Doch Hyperions Heimatinsel wird ihm bald zu eng, weshalb er sich nach Smyrna aufmacht, wo er einen trifft, der sich selbst als so etwas wie einen Revolutionär betrachtet, Alabanda, mit dem gemeinsam er von einer besseren, von einer befreiten Gesellschaft träumt. Die politische Verfassung wollen sie ändern, die Herrschaft des Adels abschaffen – nur wie? Indem sie das Volk zu größerem politischen Selbstbewusstsein erziehen, oder indem sie mit der Axt in der Hand durch das Land ziehen, indem sie also nach Art der Französischen Revolution Köpfe rollen lassen? Hyperion lehnt die Anwendung von Gewalt ab, seine Freundschaft mit Alabanda zerbricht vorerst daran.

Hyperion geht nach Salamis, wo er derjenigen begegnet, die ihn glücklich macht, Diotima:

O Leben der Liebe! wie warst du an ihr aufgegangen in voller holdseliger Blüthe! wie in leichten Schlummer gesungen von seeligen Genien, lag das reizende Köpfchen mir auf der Schulter, lächelte süssen Frieden, und schlug sein ätherisch Auge nach mir auf in fröhlichem unerfahrenem Staunen, als blikt‘ es eben jezt zum erstenmale in die Welt.

[Erstausgabe: 1. Band, 2. Buch, S. 128]

Diotima verlangt von Hyperion allerdings, weiter für das Wohl seines Volkes zu kämpfen. So endet das Zusammensein Hyperions und Diotimas fürs Erste. Hyperion folgt nämlich dem Aufruf Alabandas, sich dem Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken anzuschließen, jetzt ist er doch zur Gewalt bereit. Bei der Schlacht um die Stadt Misistra muss er aber erkennen, dass er und seine Kameraden auf einem schmalen Grat wandeln zwischen Freiheitskampf und Mordlust:

Es ist aus, Diotima! unsre Leute haben geplündert, gemordet, ohne Unterschied, auch unsre Brüder sind erschlagen, die Griechen in Misistra, die Unschuldigen, oder irren sie hülflos herum und ihre todte Jammermiene ruft Himmel und Erde zur Rache gegen die Barbaren, an deren Spize ich war.

[Erstausgabe: 2. Band, 1. Buch, S. 45]

Hyperion ist verzweifelt; er ist so verzweifelt, dass er Diotima schreibt, sie solle ihn verlassen, seine Lippen seien verdorrt, der Liebe süßer Hauch quelle ihm im Busen nicht mehr, er müsse hinab, den Tod zu suchen; und er bittet Diotima, seiner zu denken, wenn sie an sein Grab komme. Hyperion stürzt sich also wieder in die Schlacht, wird aber nur verwundet, nicht getötet. Jetzt sieht die Sache natürlich schon wieder ganz anders aus, nun will er von seiner Diotima doch nicht lassen. Nur leider sieht es Diotima genauso wie Hyperion zuvor:

Dein Mädchen ist verwelkt, seitdem du fort bist, ein Feuer in mir hat mälig mich verzehrt, und nur ein kleiner Rest ist übrig.

[Erstausgabe: 2. Band, 2. Buch, S. 96]

Diotima stirbt. Auch Alabanda ist tot. Um Abstand zu gewinnen, verlässt Hyperion Griechenland, geht nach Deutschland, kann seine Geliebte aber nicht vergessen. Der Schluss verspricht eine Fortsetzung, doch das weitere Schicksal Hyperions bleibt offen.