Umschreiben oder nicht?

In vielen alten Texten finden sich Begriffe oder Vorurteile, die heute sofort Anstoß erregen. Sollen diese Stellen umgeschrieben werden oder nicht?


Früher wurde noch ganz anders geredet als heute. Bestes Beispiel dafür ist wohl Mark Twains Buch über den kleinen Schlawiner Huckleberry Finn, in dem im Original mehr als 200 Mal das sogenannte N-Wort fällt.

Im Gegensatz zu früher, als es noch ganz gebräuchlich gewesen ist, gilt es heutzutage allerdings als im höchsten Grade unschicklich und wird deshalb von niemand mehr in den Mund genommen. Auch neue Ausgaben sind entsprechend gesäubert worden.

Umschreiben oder nicht? weiterlesen

Mark Twain schreibt eine Fortsetzung

Jugendliche Helden gibt es in der Literatur einige. Die beiden bekanntesten stammen aus der Feder von Mark Twain: Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Über beide hat er ein eigenes Buch geschrieben. Das zweite hätte er aber um ein Haar gar nicht veröffentlicht.


Im Alter von 40 Jahren veröffentlichte Mark Twain einen Jugendroman über einen jungen Lausbuben: The Adventures of Tom Sawyer. Das Buch wurde ein großer Erfolg. Was also lag näher, als eine Fortsetzung zu veröffentlichen? In der Tat war die Nachfrage so groß, dass er sich ein Formschreiben drucken lassen musste, in dem er darauf hinwies, dass er durchaus die Absicht besitze, die Geschichte des Tom Sawyer fortzuschreiben, es ihm aber leider derzeit noch nicht möglich sei zu sagen, wann er denn damit beginnen werde (→ Hearn 2003, S. xiv).

Mark Twain schreibt eine Fortsetzung weiterlesen

Literaturnobelpreis

Seit 1901 vergibt die Schwedische Akademie den Nobelpreis für Literatur. Die Wahl der Preisträger war oft umstritten, heute genauso wie in den Anfangsjahren, als einige der ganz großen Literaten übergangen wurden.


Der erste Literaturnobelpreis im Jahre 1901 ging an einen Franzosen: Sully Prudhomme. Sully – wer? Kennt den heute noch jemand? Selbst in Frankreich wohl kaum. Und wen hielt die Schwedische Akademie danach für preiswürdig? Im Jahr darauf den deutschen Historiker Theodor Mommsen – soso; dann den norwegischen Politiker Bjørnstjerne Bjørnson, der immerhin die Nationalhymne seines Landes geschrieben hat.

Literaturnobelpreis weiterlesen

Huckleberry

Huckleberry ist ein schöner Name. Im Grunde bezeichnet er eine amerikanische Schwarzbeere (Solanum scabrum), die in weiten Teilen der USA zu finden ist, gerade auch am Mississippi. Den Samen der Pflanze, die ursprünglich aus Westafrika stammt, kann man heutzutage übrigens auch in Deutschland kaufen.

Die Beeren erinnern ein wenig an Tollkirschen und werden deshalb gerne für giftig gehalten. Das sind sie aber nicht. Freilich dürfen nur die reifen Beeren gegessen werden, die gekocht ganz ausgezeichnet schmecken.

Recht berühmt ist auch die von Johnny Mercer getextete Zeile vom ›huckleberry friend‹ aus dem Lied Moon River, das Audrey Hepburn als Holly Golightly im Film Frühstück bei Tiffany auf der Fensterbank sitzend zum Besten gibt. Zurückzuführen ist die Zeile wohl darauf, dass Mercer als Kind mit seinen Freunden entsprechende Beeren gesammelt hat.

Umstritten ist, ob Mercer dabei vielleicht auch an Mark Twains Huckleberry Finn gedacht haben könnte.

Helen Keller paraphrasiert

In einem berühmten Fall von Ideenklau war die taubblinde Schriftstellerin Helen Keller verwickelt, die im Alter von 11 Jahren eine Kurzgeschichte (The Frost King) verfasste, die, wie sich herausstellte, nahezu identisch war mit einer Erzählung (The Frost Fairies), die Margaret Canby bereits Jahre zuvor veröffentlicht hatte.

Die Erklärung dafür war einfach: Keller hatte die ihr einst einmal vorgelesene Geschichte aus dem Gedächtnis paraphrasiert, ohne sich im Einzelnen an sie erinnern zu können. Die ganze Angelegenheit sorgte allerdings für viel Wirbel, auch wenn Canby der jungen Autorin einen großherzigen Brief schrieb, in dem sie Kellers Fassung für besser erklärte als die eigene.

In einem Brief vom 17. März 1903 an Keller bezeichnete Mark Twain die Affäre später als ›unsagbar komisch‹, ›eulenhaft idiotisch‹ und, ganz schlicht, als ›grotesk‹.

Tom Blankenship alias Huck Finn

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Huckleberry Finn hatte ein reales Vorbild: Tom Blankenship (→ Amos 1985, S. 182).

In jedem Ort existiert ein Faktotum, das auf seine ganz eigene Art und Weise Geschichte schreibt. In Mark Twains Heimatstadt Hannibal in Missouri sorgten Vater und Sohn Blankenship für entsprechendes Gerede.

Als Sohn der stadtbekannten Saufnase hatte es der junge Tom Blankenship nicht immer ganz leicht, sein Herz aber, und das war das Wichtigste, saß am rechten Fleck. So wurde er zum idealen Vorbild für Huckleberry Finn.

Verboten: Shakespeare

Wie wir bei Mark Twain, James Joyce, Voltaire und anderen schon gesehen haben, wird in den USA öfter mal ein Buch verboten. Davon betroffen war auch kein Geringerer als William Shakespeare (1564 bis 1616).

Wegen der Figur des Shylock ist die Komödie The Merchant of Venice (1600, dt. Der Kaufmann von Venedig) 
des englischen Barden schon häufig kritisiert worden. Ganz besonders arg war es 1931, als das Stück auf Druck jüdischer Organisationen sogar vom Schulplan in Buffalo und Manchester (New York) gestrichen wurde (→ Haight 1956, S. 97).

Ob die Lektüre, wie behauptet, tatsächlich die Intoleranz fördert, darf aber durchaus als fraglich gelten.

Ich habe den englischen König bedient

Auf unserem Nachttisch liegt auch ein Buch, das ebenfalls durch einen Film bekannt geworden ist: Ich habe den englischen König bedient von Bohumil Hrabal.


Daten zum Buch

  • Autor: Bohumil Hrabal
  • Titel: Obsluhoval jsem anglického krále
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Prag
  • Verleger: Jazzová sekce
  • Erscheinungsjahr: 1971
  • Deutsche Erstausgabe: Ich habe den englischen König bedient (Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1988, Übersetzung: Karl-Heinz Jähn)

Das ist mal ein feiner Roman. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: das ist ein feiner Roman bis zu einer bestimmten Stelle, danach hätte ich mir das Weiterlesen im Grunde sparen können.

Tatsächlich geht es mir im Falle von Ich habe den englischen König bedient (Obsluhoval jsem angkického krále) ganz ähnlich wie Hemingway mit Huckleberry Finn: Die ganze moderne amerikanische Literatur stamme von Mark Twains Buch ab, so Hemingway, nur müsse man dort zu lesen aufhören, wo man dem Jungen den Nigger Jim forthole, das sei der wirkliche Schluss, alles Weitere sei bloß Schwindel.

Die Geschichte um den Ich-Erzähler Jan Dítě beginnt äußerst flott und ist im Anfang wirklich recht angenehm zu lesen. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, versucht sich der Protagonist in den 30er-Jahren als Pikkolo in einem Hotel in einer tschechischen Kleinstadt in der Nähe von Prag durchzuschlagen. Doch Dítě ist ehrgeizig, er verfolgt höhere Ziele: als Millionär könnte er sich doch selbst irgendwann einmal ein kleines Hotel zulegen, ein Schmuckkästchen irgendwo im böhmischen Paradies oder so, auf dass man ihn achte wie andere Hoteliers auch.

Ich habe den englischen König bedient weiterlesen

Verboten: Voltaire

Wie wir bei Mark Twain und James Joyce schon gesehen haben, wird in den USA öfter mal ein Buch verboten. Davon betroffen war auch Voltaire (1694 bis 1778).

Der französische Philosoph war ein wackerer Querdenker, der mit seinen Schriften immer wieder den Zorn der Mächtigen heraufbeschwor. Folglich fielen seine Werke besonders häufig der Zensur zum Opfer.

So auch noch lange nach seinem Tod, im Jahre 1929 zum Beispiel, als die Zollbehörde die Sendung beschlagnahmte, die einige von Harvard-Studenten bestellte Exemplare seines Romans Candide ou l’optimisme (1759, dt. Candide oder der Optimismus)
 erhielt.

Zwar wurde eine neue Ausgabe später genehmigt, doch noch immer gab die Behörde keine Ruhe: Weil ganz offenbar die Sittlichkeit gefährdet war, wurde die Einfuhr des Romans ab sofort verboten (→ Haight 1956, S. 113).

In den USA verbotene Bücher

Im Lauf der Geschichte sind viele Bücher zensiert oder gar verboten worden. Bücher von Mark Twain und James Joyce haben wir schon erwähnt. Hier folgt eine ergänzende Auswahl der in den USA unerwünschten Werke.


1) Confessions (1765 bis 1770, dt. Bekenntnisse)
Auch das französischschweizer Universalgenie Jean-Jacques Rousseau (1712 bis 1778) bekam es 1929 mit den amerikanischen Behörden zu tun. Weil sie eine Beleidigung der öffentlichen Moral darstellten, durften die Bekenntnisse nicht eingeführt werden.

2) Eventyr, fortalte for Børn (1835 bis 1844, dt. Märchen, für Kinder erzählt)
Der dänische Märchenerzähler Hans Christian Andersen (1805 bis 1875) hatte in den USA mit einem anderen Problem zu kämpfen. Um die Kinder vor unzüchtiger Literatur zu bewahren, mussten seine Märchen 1954 in Illinois mit einem Aufdruck versehen werden, der darauf hinwies, dass das Buch nur für Erwachsene geeignet sei.

In den USA verbotene Bücher weiterlesen