Ich an Dich

Auch in der Zeit des Faschismus sind in Deutschland schöne Bücher erschienen. Ein sondermerkwürdiges Buch stammt von Dinah Nelken: Ich an Dich.


Daten zum Buch

  • Autorin: Dinah Nelken
  • Titel: Ich an Dich
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Berlin
  • Verleger: Gustav Weise Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1938

Thomas Mann galt zu seiner Zeit als so eine Art Groß-Weiser, dessen Meinung von jedermann respektiert worden ist. Doch natürlich hatte er nicht immer Recht. So bezeichnete er einmal all jene Bücher, die in den Jahren von 1933 bis 1945 in Deutschland gedruckt worden seien, als wertlos und meinte, dass sie samt und sonders eingestampft werden sollten.

Nun lässt sich über solch ein verallgemeinerndes Urteil natürlich trefflich streiten, zumal Thomas Mann wohl übersehen hatte, dass seine eigenen Bücher in jenen Jahren selbst zu jenen gehörten, die nach seinem Spruch eingestampft gehörten, waren doch die ersten beiden Bände der Joseph-Tetralogie noch 1933 und 1934 beim Fischerverlag in Berlin erschienen.

Eine, die ihr Buch ebenfalls in Deutschland veröffentlichte, war eine heute weitgehend unbekannte Berliner Autorin: Dinah Nelken (1900 bis 1989). Das war zu einer Zeit, als die Tochter eines Schauspielers bereits in Wien lebte, wohin sie 1936 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Heinrich Ohlenmacher, der zuvor im KZ Esterwegen gesessen hatte, und ihrem Bruder Rolf Gero gezogen war. Nach dem Anschluss Österreichs flohen sie zu dritt auf die dalmatinische Insel Korčula, wo sie viereinhalb Jahre verbrachte und Kontakte zu den Partisanen unterhielt. Später landete sie in Italien, ehe sie 1950 nach West-Berlin zurückkehrte.

Ihren größten Erfolg hatte die vor den Nazis geflüchtete Autorin ausgerechnet mit ihrem 1938 erschienenen Briefroman Ich an Dich gefeiert, dessen grafische Aufbereitung in den Händen ihres Bruders gelegen hatte. Mit knapp 220.000 bis 1945 verkauften Exemplaren ist das ganz und gar außergewöhnliche Werk in der Tat zu den Kassenschlagern des Dritten Reiches zu zählen. Das Buch war ein solcher Hit, das es unter dem Titel Eine Frau wie du mit Brigitte Horney in der Hauptrolle ein Jahr nach der Buchveröffentlichung auch noch verfilmt wurde.

Die Liebesgeschichte wird auf eine Art erzählt, die damals ziemlich neu gewesen sein muss. Von einem herkömmlichen Roman kann in der Tat kaum die Rede sein, viel eher wirkt es wie ein Familienalbum, allein schon der Kordel am Einband und der verschiedenfarbigen, unpaginierten Seiten wegen.

Und was enthält dieses Romanalbum? Kalligrafische Texte, Briefe und Zeichnungen in rotem und schwarzem Druck sowie etliche Beilagen wie eingeklebte Fotografien, Kinokarten, Rechnungen, Fahr- und Flugscheine, Telegramme und Notizzettel. das sieht nun wirklich nicht wie ein alltäglicher Roman aus.

Die dort behandelte Liebesgeschichte ist freilich nicht jedermanns Sache; oder, besser gesagt, nicht die Sache einer jeden Frau. Als Beweis hierfür sei nur an die Reaktion einer Freundin erinnert, die beim Überblättern mit einem Male einen Aufschrei tat, kopfschüttelnd das Buch zur Seite legte und mit sichtlichem Widerwillen auf jene Stelle unter dem Datum vom 12. August hinwies, woselbst der Liebhaber davon zu sprechen sich erdreist, dass Liebe ein Geschenk sein soll, das durch den Kampf nur zu erobern sei, durch den Kampf des Mannes um die Frau, die nicht anders genannt wird als – eine Beute. Das sei ja wohl unerhört, so die Freundin, dieser Typ gehöre an den Pranger gestellt, geteert, gefedert und wer weiß was noch.

Ich: So schlimm?
Sie: Noch viel schlimmer.
Ich: In den Wind schießen, den Typ?
Sie: Aber sofort und ohne jeden Umstand.
Ich: Aber wenn die Umstände es nicht zulassen?

Worauf sie mich nur ganz eigenartig anstierte und schweigend von dannen zog. Aber sie hat ja Recht, der Bursche ist ein rechter Mistkerl, den die Frau so bald als möglich abservieren sollte – zumindest heutzutage wäre das anzuraten. Damals gingen die Uhren allerdings noch ein wenig anders, eine Frau musste auch dem größten Taugenichts noch schöne Augen machen. Herrjemine.


Die Behauptung von Thomas Mann, all jene Bücher, die in den Jahren von 1933 bis 1945 in Deutschland gedruckt worden seien, gehörten samt und sonders eingestampft findet sich bei: Erika Mann (Hg.): Thomas Mann. Briefe II. 1937 – 1947 (Frankfurt am Main: Fischer 1992, S. 443); über den Erfolg des Romans berichtet Christian Adam in seinem Buch Lesen unter Hitler (Berlin: Galiani 2010, S. 324).