Die Leiden des jungen Werther

Der erste Roman aus dem Fundus der Alten Bücherkiste zählt zu den großen deutschen Klassikern: Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang Goethe.


Der Liebeskummer hat ihn überwältigt; seine Liebste will nicht so, wie er gerne möchte – was also bleibt ihm in dieser Situation zu tun übrig? Nur eins wohl: Er setzt sich die Pistole an die Schläfe und drückt ab:

Als der Medikus zu dem Unglüklichen kam, fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls schlug, die Glieder waren alle gelähmt, über dem rechten Auge hatte er sich durch den Kopf geschossen, das Gehirn war herausgetrieben.

[Erstausgabe: zweyter Theil, letzter Eintrag, S. 222]

Daten zum Buch

  • Autor: Johann Wolfgang Goethe
  • Titel: Die Leiden des jungen Werthers
  • Genre: Briefroman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Leipzig
  • Verleger: Weygandsche Buchhandlung
  • Erscheinungsjahr: 1774

Und da wird heutzutage über zu viel Gewalt in den Medien gejammert. Nun ja, Blut floss eben schon vor mehr als 200 Jahren, auch Goethe profitierte von der Sensationsgier der Menschen. Und weil wir eben so neugierig und blutlüstern sind, so wollen wir natürlich mehr wissen über die Geschichte vom Werther (und vielleicht auch über die reale Vorgeschichte).

Nur: Wir wissen ja gar nichts über den Werther. Wie alt er ist – das wissen wir nicht; woher er stammt – das wissen wir nicht; welchem Beruf er nachgeht – wir wissen es nicht. Wir wissen nur eins: Da ist ein Mensch, ein junger Mensch wohl, der in etwelchen Briefen an einen uns unbekannten Freund, Wilhelm geheißen, ganz schön kitschig vor sich hin sinniert:

Wenn das liebe Thal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsterniß meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligthum stehlen, und ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräsgen mir merkwürdig werden. Wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten, all der Würmgen, der Mückgen, näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns all nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält. Mein Freund, wenn’s denn um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und Himmel ganz in meiner Seele ruht, wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehn ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papier das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes.

[Erstausgabe: erster Theil, 10. May, S. 9 f.]

Nun will es aber das Schicksal, dass er eine kennen lernt, die ihm seinen Verstand raubt, Charlotte S. mit Namen. Das ist nun aber ausgerechnet eine, die längst schon an einen anderen vergeben ist – an den braven Albert nämlich. Doch dem Werther ist das zunächst einmal schnurzpiepegal. Sie ist ihm nun mal heilig.

Weil das aber nicht ewig so weitergehen kann, entschließt sich Werther, seine Lotte zu verlassen. Er reist für eine Weile im Gefolge eines adligen Gesandten, das ist aber nichts für ihn. So macht er sich erneut fort, zurück in seine Heimat. Doch es hilft alles nichts. Es zieht ihn wieder wie magisch zu Lotten hin, er begreift nicht, wie ein anderer sie lieb haben kann.

Nicht lange mehr, dann ist er sogar zum Sterben bereit. Aber vorher will er sie noch einmal besuchen. Er also zu ihr hin, macht sich ein letztes Mal an sie ran, schlingt seine Arme um sie, presst sie an seine Brust, küsst sie. Doch sie, was macht sie? Sie wehrt ihn ab, eilt ins Nebenzimmer und schließt sich ein. Damit ist der Würfel gefallen, Werther leiht sich von Albert dessen Pistolen und macht Schluss (siehe oben).