Moby Dick, die wahre Geschichte

Einer der bekanntesten Romane der Weltliteratur handelt von der Jagd nach einem Wal: Moby Dick. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.


20. November 1820, 0° 40′ südliche Breite, 119° 0′ westliche Länge, etwa 8 Uhr morgens: Das Walfangschiff Essex fährt auf Äquatorhöhe in Richtung Westen, die Stimmung an Bord ist gut, das Wetter könnte nicht besser sein – da plötzlich entdeckt der Ausguck eine Schule von Walen.

Es wird nicht lange gefackelt, kaum dass sie nur noch eine halbe Meile von den Walen entfernt ist, lässt die Besatzung drei Boote zu Wasser und geht auf Jagd. Das Boot des Ersten Offiziers Owen Chase wird dabei allerdings so schwer beschädigt, dass Wasser einzudringen beginnt.

Da hilft nur eins: Zurück zum Schiff, das leckgeschlagene Boot an Bord hieven und es dort reparieren. Als Chase aber beginnt, ein Stück Leinwand über das Loch zu nageln, entdeckt er mit einem Male einen riesigen Pottwal, den er auf eine Länge von knapp 85 Fuß (ungefähr 28 Meter) schätzt. Mit einer Geschwindigkeit von etwa drei Knoten schwimmt der Wal auf die Essex zu und verpasst dem Schiff einen so schweren Schlag, dass wohl fast jeder von denen, die sich an Bord befinden, kopfüber aufs Deck stürzt.

Damit aber nicht genug: Der Wal, zuvor leewärts davongeschwommen, kehrt nach etwa zehn Minuten zurück – und wie: mit der doppelten seiner normalen Geschwindigkeit wohl, mit zehnfacher Wut und rachedurstig ohne Ende.

Der Wal kommt näher und immer näher – und versetzt dem Schiff schließlich den Todesstoß. Die Essex geht zwar nicht sofort unter, doch sie ist nur noch ein Wrack, das bald zu sinken droht. So bleibt den Männern nur noch eins zu tun übrig. Sie müssen das Schiff verlassen und ihr Glück in ihren kleinen Walfangbooten versuchen.

Um 12.30 Uhr am 22. November ist es dann soweit. 20 Mann gehen von Bord und verteilen sich in zwei Siebener- und einer Sechsergruppe auf die drei Boote, mit denen sie die Küste Chiles erreichen wollen, die etwa 1000 Seemeilen von ihnen entfernt ist. Sie haben Proviant für 60 Tage dabei.

Drei Monate sollte die nun folgende Irrfahrt dauern, von 20 Männern überlebten am Ende nur acht, darunter auch Owen Chase, der die Katastrophe später in einer Broschüre beschrieb, die im Spätherbst 1821 unter dem Titel Narrative of the Most Extraordinary and Distressing Shipwreck of the Whale-Ship Essex bei W. B. Gilley in New York veröffentlicht wurde (2002 im Münchner Verlag Piper als Der Untergang der Essex erschienen, → Chase 2002).

20 Jahre später stach nun ein junger Seemann namens Hermann Melville an Bord der Acushnet in See. Während der Fahrt traf die Acushnet auf die Lima, wo auch William Chase diente, der Sohn Owens. Chase erzählte Melville nicht nur die Geschichte der Essex, er schenkte ihm auch ein Exemplar der Broschüre, die Williams Vater geschrieben hatte. Weitere 10 Jahre später veröffentlichte Melville seinen Roman, Moby-Dick; Or, The Whale.