Werthers wahre Geschichte

Der Briefroman Die Leiden des jungen Werther machte Goethe berühmt. Die Geschichte beruht zum Teil auf wahren Begebenheiten.


Goethe war ungehalten. Anstatt ihm über sein Büchlein etwas Verbindliches zu sagen, wollten sie sämtlich nur wissen, ›was denn eigentlich an der Sache wahr sey?‹ Über welche Frage er ›sehr ärgerlich wurde‹ und sich ›meistens höchst unartig dagegen äußerte‹ (DuW).

Nun, was ist denn wahr an Goethes Werther? Genau können wir es natürlich nicht sagen, aber so viel zum Hintergrund: Von Mai bis September 1772 als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar tätig, hatte Goethe reichlich Zeit, um sich den verschiedensten Lustbarkeiten zu widmen.

So auch am 9. Juni, als er einen Tanzball in Volpertshausen besuchte, wo er die 19-jährige Charlotte Buff kennen lernte, die bereits mit dem Legationssekretär Johann Christian Kestner verlobt war. Goethe, den das freilich wenig kümmerte, machte sich sogleich mit Feuereifer daran, sie zu erobern. Charlotte aber ließ ihn abblitzen – mehr als einen Kuss konnte er ihr nicht rauben.

Am 11. September war dann aber Schluss, Goethe reiste wort- und grußlos aus Wetzlar ab. Auf der Heimfahrt nach Frankfurt machte er nun aber Halt im Hause La Roche, woselbst er sich sogleich in die erst 16-jährige Maximiliane verguckte.

Dies war für Goethe das Normalste auf der Welt, wie wir auch seinen eigenen Ausführungen entnehmen können: Es sei eine sehr angenehme Empfindung, sagt Goethe, ›wenn sich eine neue Leidenschaft in uns zu regen anfängt, ehe die alte noch ganz verklungen ist. So sieht man bey untergehender Sonne gern auf der entgegengesetzten Seite den Mond aufgehn und erfreut sich an dem Doppelglanze der beyden Himmelslichter.‹

Des alten Peter Anton Brentano wegen, der die Vorrechte an Maximiliane hielt, wurde allerdings wieder nichts daraus, Goethe war ein zweites Mal abserviert worden. Als sich nun auch noch einer seiner Bekannten, der Legationssekretär Carl Wilhelm Jerusalem, im Liebeskummer mit seinen Pistolen selbst entleibte, war das Maß endgültig voll: einer, der sich einer Schickse wegen totschießt, und eine, die lieber mit einem anderen rummacht als mit dem armen Goethe – das schreit doch geradezu nach einer entsprechenden Beschreibung.