Hier irrt Goethe

Dass Goethe sich oft geirrt hat, ist bekannt. Nach Ansicht mancher Professoren allerdings auch dann, wenn dies kaum möglich war.


Wann irrte Goethe? Oft genug wohl, mitunter sogar auf eine recht fantastische Weise. Doch was sind schon solche Schnitzer wie seine Farbenlehre gegen die von ihm aufgestellte Behauptung, seine größte Liebe habe der jungen Lili Schönemann gegolten?

Dies nämlich hatte Goethe einst seinem getreuen Eckermann anvertraut, der dies später auch der Nachwelt verkündete:

Ich sehe die reizende Lili wieder in aller Lebendigkeit vor mir, und es ist mir, als fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe. Sie war in der That die Erste, die ich tief und wahrhaft liebte. Auch kann ich sagen, daß sie die Letzte gewesen; denn alle kleine Neigungen, die mich in der Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener ersten verglichen, nur leicht und oberflächlich.

[Gespräche mit Goethe 1848: 5. März 1830, S. 299]

Das aber stimmt nicht. Schon Professor Heinrich Düntzer (1813 bis 1901) soll nämlich in seiner 1885 bei Brockhaus erschienenen Ausgabe der Gespräche – die uns leider nicht vorliegt – in einer Anmerkung auf Seite 283 darauf verwiesen haben, dass Goethe dies nicht mit Recht habe behaupten können – selbst wenn von seiner letzten Liebe zu Ulrike von Levetzow ganz abgesehen werde.

Hier also irrte Goethe. Professoren wussten eben schon immer alles besser.