Väter und Söhne

Zu den großen russischen Autoren zählt auch Iwan Turgenjew. Wir stellen hier seinen bekanntesten Roman vor: Väter und Söhne.


Daten zum Buch

  • Autor: Iwan Turgenjew
  • Titel: Отцы и дети (Otzy i deti)
  • Genre: Roman
  • Erstveröffentlichung: Русскій Вѣстникъ (Russkiy Vestnik)
  • Verlagsort: Moskau
  • Erscheinungsjahr: 1862
  • Deutsche Erstausgabe: Väter und Söhne (Mitau: Bernhard Erich Behre 1869, Übersetzung: unbekannt)

Auch so etwas gibt es also: einen Roman aus Russland, der kaum mehr als 240 Seiten umfasst. Das ist in der Tat erstaunlich, sind die russischen Autoren doch sonst dafür bekannt, das Leben eines Gutsbesitzers, eines Adligen oder einer Offizierstochter in zwei oder drei Bänden zu beschreiben, jeder davon wohl an die 1000 Seiten stark. Das hat Turgenjew nicht nötig, Väter und Söhne ist ein ganz vorzügliches Buch, auch, oder besser: gerade seiner Kürze wegen.

Mit dem deutschen Titel werden wir übrigens auf einen falsche Fährte gelockt. Das Original ist nämlich, wie jeder Kenner der russischen Sprache weiß, nur halb so sexistisch: ›Otcy i deti‹ heißt eben Väter und Kinder, es sind also nur die Mütter ausgeschlossen. (Erinnert werden wir dafür an e. o. plauen, dessen berühmte Comicserie ja auch von einem Vater und dessen Sohn handelt.) Ganz unwichtig ist das alles nicht, da das Thema des Romans, der Konflikt der Generationen, die Frauen wohl genauso betrifft wie die Männer – oder sind wir hier zu politisch korrekt? Ich hoffe nicht.

Es ist der 20. Mai 1859, als ein junger Mann, Arkadi Kirsanow, nach Beendigung seines Studiums auf das Gut seines Vaters Nikolai zurückkehrt. Arkadi kommt nicht alleine, sein Freund Jewgeni Basarow begleitet ihn. Dieser ist Mediziner, der als Naturwissenschaftler die ungeheure Vorliebe besitzt, Frösche zu sezieren, und es sich ansonsten als Nihilist wohl sein lässt, was Arkadis Onkel Pawel Petrowitsch, der den Ansichten Basarows recht verständnislos gegenübersteht, gar nicht gefallen mag.

 (Ein Nihilist ist so eine Art Neinsager, der sich keiner Autorität beugt, der kein Prinzip auf Treu und Glauben hinnimmt und immer nur laut aufschreit: ›Ich bin dagegen‹ – ganz unabhängig davon, wovon das Gesprächsthema gerade handelt.) 

Als die jungen Leute später durch das Gouvernement reisen, kommen sie bald mit der Odinzowa in Kontakt, einer Witwe, die so aufregend ist, dass es beiden den Atem verschlägt. Nun gibt es da aber nicht nur die Anna Odinzowa, da ist auch eine jüngere Schwester, Katja mit Namen. Während Arkadi nach und nach deren Vorzüge zu schätzen beginnt, ist es um Jewgeni schon im ersten Augenblick geschehen: sobald er ihrer ansichtig wird ist er wie von Sinnen. So sind sie halt, die idiotisch Liebenden. Aber ach, es soll nicht sein, Katerina Sergejewna weist ihn doch glatt zurück.

So fahren die jungen Leute zu Basarows Eltern, wo es Jewgeni aber nur drei Tage lang aushält. Das hat natürlich mit seinen Eltern zu tun, den Alten, die mit den revolutionären Gedanken der jungen Generation nichts am Hut haben. Die Jungs kehren also zum Gut der Kirsanows zurück, wo es bald danach zu einem schwer wiegenden Konflikt zwischen Jewgeni und Pawel Petrowitsch kommt, zu einem Konflikt, der, wie könnte es anders sein, natürlich nur mit einem Duell aus der Welt geschafft werden kann. Ja, so sind sie, die Ehrenleute, wenn es denn sein muss, schießen sie sich eben einfach gegenseitig über den Haufen.

 (Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an Alexander Puschkin, der an den Folgen einer in einem Duell erlittenen Verletzung gestorben ist.) 

Jewgeni und Pawel Petrowitsch treten also in aller Stille gegeneinander an, zwei Schüsse fallen, Pawel Petrowitsch wird verwundet, Jewgeni ist unverletzt. Freilich kann er nicht auf dem Gut der Kirsanows bleiben und so zieht es ihn wieder zu seinen Eltern hin.

Auf dem Weg zu ihnen macht er Station bei den Odinzowas, wo sich Arkadi bereits aufhält und um Katjas Hand anhält. Und sie, was macht sie? Sie sagt Ja, nach langem Besinnen zwar, dafür aber mit einem bedeutungsschweren glänzenden Blick – wenn das nicht ein echter Liebesbeweis ist. Basarow hat nicht so viel Glück: Auf dem Gut der Eltern infiziert er sich bei der Öffnung einer Leiche mit dem Typhusvirus und stirbt wenige Tage später. Und die Welt hat einen Nihilisten weniger.