Onkels Erwachen

P. G. Wodehouse ist vielleicht der humorigste aller humorigen Schriftsteller. Eines seiner Bücher liegt auf unserem Nachttisch: Onkels Erwachen.


Daten zum Buch

  • Autor: P. G. Wodehouse
  • Titel: Uncle Fred in the Springtime
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: New York
  • Verleger: Doubleday, Doran
  • Erscheinungsjahr: 1939
  • Deutsche Erstausgabe: Schloss Blandings im Sturm der Gefühle
    (München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1983, Übersetzung: Christiane Trabant-Rommel)

Ja, damals war die Welt noch in Ordnung. Zum Adel zu gehören bedeutete etwas, den Herzögen, Grafen und all den anderen Peers ging es hervorragend (den meisten jedenfalls), das Leben war schön. Aber wer reich ist und privilegiert, der hat mit dem wirklichen Leben zumeist nicht viel am Hut – völlig normal also, dass fast der gesamte englische Adel einen an der Klatsche hatte und mit einem Bein bereits im Irrenhaus stand.

Bestes Beispiel dafür ist wohl der Herzog von Dunstable, der sich gerade selbst eingeladen hat und nun gemeinsam mit seinem Sekretär Rupert Baxter auf Schloss Blandings in der Grafschaft Shropshire weilt und dort für so viel Unruhe sorgt, dass dessen Bewohner geradezu verrückt werden (so sie es nicht schon vorher waren) angesichts der immer neuen Tollheiten, die sich der Herzog auszudenken beliebt. So verlangt er gleich am Morgen nach einem Dutzend Eiern – nicht aber zum Essen etwa, sondern vielmehr, um damit den Pfeifenheini zu bewerfen, der es wagt, das Lied von den schönen Ufern des Loch Lomond zu trällern.

Das alleine wäre an sich ja schon Grund genug für den neunten Grafen von Emsworth und dessen Schwester Lady Constance Keeble, ihn aus dem Hause zu werfen, doch es kommt noch dicker: der Herzog meint doch tatsächlich, dass er des Grafen preisgekrönte Sau, die Kaiserin von Blandings, die immerhin zweimal hintereinander bei der Landwirtschaftsschau die Silbermedaille in der Kategorie ›Mastschweine‹ gewonnen hat, mittels eines ausgewogenen Ernährungsplans und ausreichender Bewegung wieder in Form zu bringen gedenke.

Kein Wunder, dass Emsworth entsetzt ist ob solch eines Frevels, genauso wie Lady Keeble, die ihrem Bruder aufträgt, doch nach London zu fahren, um dort die Hilfe der berühmten Gehirnspezialisten Sir Roderick Glossop in Anspruch zu nehmen. Das ist lieb gemeint, doch Emsworth vertraut lieber einem anderen Spezialisten für abstruse Fälle, dem werten Grafen von Ickenham, Frederick Altamont Cornwallis Twistleton, einem alten Kumpel seines Bruders Galahad.

So fängt sie an, die Geschichte um Dunstable, Ickenham, Emsworth und Co., die der englische Humorist P. G. Wodehouse in seinem 1939 erschienenen Roman Uncle Fred in the Springtime erzählt. Natürlich spielt auch Ickenhams Neffe Pongo Twistleton, der wieder einmal in Geldsorgen steckt, eine Rolle, doch das nur am Rande. Dass Pongo wieder einmal in Geldsorgen steckt, versteht sich von selbst, leider kann da auch Dunstables Neffe Horace Pendlebury-Davenport nicht helfen, denn der hat genug eigene Sorgen, immerhin hat Pongos Schwester Valerie gerade das Verlöbnis mit ihm gelöst.

Die Wirren gehen, wie das bei Wodehouse nun mal so üblich ist, immer schön weiter. So benötigt Pongo dringend 200 Pfund (250 sogar, nachdem er eine Klamottenwette verloren hat), doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Vielleicht ja doch bei Horace schnorren, der sicher seine Spendierhosen anzuziehen bereit ist, wenn Pongo nur den jungen boxenden Dichter Gilpin, einem weiteren Neffen des Herzogs von Dunstable, davon überzeugen kann, dass Horace denn doch nicht Gilpins Herzallerliebster Polly Pott schöne Augen gemacht hat.

Gilpin, der natürlich völlig verarmt ist, benötigt übrigens selbst 500 Pfund, um eine Zwiebelsuppenbar zu erwerben, mit der es zum großen Geschäftsmann bringen will, auf dass er endlich die junge Pott ehelichen kann.

Das Kuddelmuddel kann nur von einem gelöst werden: dem Grafen von Ickenham. Je komplizierter die Sachlage, desto mehr blüht der ewig junge Alleskönner auf, der sich von niemanden etwas sagen lässt (außer natürlich von seiner eigenen Gattin). Wenn einer das Tohuwabohu entknäueln kann, dann nur er.

So macht sich Onkel Fred also auf den Weg nach Schloss Blandings, zusammen mit Pongo und Polly, die freilich in zwei neuartige Rollen schlüpfen müssen: die eines dienstbeflissenen Sekretärs und die einer treusorgenden Tochter. Denn Onkel Fred tritt natürlich nicht als Graf Ickenham auf, sondern als Sir Roderick Glossop. Das kann eigentlich gar nicht gutgehen, auch wenn sie George Threepwood, der sich als Sohn Emsworth’ Lord Bosham nennen darf, noch überlisten können, genauso wie der ebenfalls anwesenden Horace, der es ja nun wirklich besser wissen müsste.

Aber Onkel Fred wäre nicht Onkel Fred, wenn er nicht alle sich ihm stellenden Probleme auf die eigenen, ganz und gar unverwechselbare Art lösen könnte (auch wenn er kurzzeitig mal in einem Kleiderschrank eingesperrt wird).

Wodehouse zu lesen, macht Spaß. Seine Romane sind kurz und knackig, im Gegensatz zu modernen Literaten, die, wahrscheinlich von den Kursen über das kreative Schreiben beeinflusst, auch für die simpelste Geschichte wenigstens 800 Seiten benötigen. Wer soll denn das alles lesen? Aber Wodehouse ist eben auch ganz furchtbar lustig, der humorvollste aller humorvollen englischen Schriftsteller sicherlich. Kein Wunder also, dass auch jemand wie Douglas Adams in ihm ein Vorbild sah.

Sicher, das englische Original ist unübertroffen, doch eins lässt sich mit Fug und Recht behaupten: die deutschsprachige Ausgabe der Edition Epoca (Zürich 2010) mit der Übersetzung Thomas Schlachters ist fast genauso gut. In der Gesamtreihe sind bisher 11 Bände erschienen, fehlen also noch 81. Noch genug Material also, auf das wir uns freuen können.