Brief an Bettine von Arnim

Vorbemerkung Vorbemerkung: Der Hinweis auf die tolle Blutwurst macht deutlich, dass der Eklat, der zum Bruch zwischen Bettine und Goethe geführt hat, schon in der Vergangenheit liegt. Der Brief kann also erst nach 1811 geschrieben worden sein.


Hochverehrte Frau von Arnim,

auch wenn Sie mich nicht kennen, vertraue ich darauf, eine Tür zu Ihrem Herzen öffnen zu können, wenn ich Ihnen kundtue, dass wir zumindest zweierlei miteinander gemein haben. So ward ich nämlich, zum Ersten, in eben jener Stadt entbunden, in der auch Sie, hochverehrte Frau von Arnim, einst das Licht der Welt erblickt, womit hinlänglich bewiesen wäre, dass ich genauso ein Frankfurter Bub bin wie Sie eine Frankfurter Maid.

Doch damit nicht genug, werte Frau von Arnim, es kommt noch besser; denn seelenverwandt sind wir wohl auch deshalb, weil in meinen Adern, zum Zweiten, genau wie in den Ihrigen, ein gut Teil italienisches Blut fließt, wenn auch nicht das Brentanosche. Da ich aber als halber Italiener Ihr Temperament sehr gut einzuschätzen weiß, fühle ich mich durchaus berechtigt, Ihnen einen Ratschlag zu erteilen. Sind Sie damit einverstanden?

Sie sagen Ja? Schön, dann will ich nicht weiter lavieren, sondern frei heraus sprechen und Ihnen raten, dass Sie sich doch bitte endlich den ollen Goethe aus dem Kopf schlagen sollten. Er ist doch viel zu alt für Sie, also wirklich; und denken Sie bloß mal an die Megäre, die ihm den Hausstand führt. Ich weiß ja nicht, ob es der Wahrheit entspricht, aber neulich erst hörte ich wieder, dass sie mit dem Kochlöffel hinter dem Alten steht und ihn damit durch die Zimmer scheucht.

Aber wozu erzähle ich Ihnen das alles, Sie wissen das doch sehr viel besser als ich, oder etwa nicht? Es sollte Ihnen doch wohl klar sein, werte Frau von Arnim, dass mit einer Blutwurst, die toll geworden, nun wirklich nicht zu spaßen ist.

Ich hoffe, Sie sind mir ob meines Ratschlags nicht allzu gram. Aber ich schreibe Ihnen diese Zeilen ja nicht, um Sie zu ärgern, sondern einfach nur deshalb, weil ich Ihnen alles Gute wünsche – mit welchen Worten ich die Ehre habe, Ihr untertänigster Diener zu sein.

Unterschrift

PS: Ihr Ehegespons hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen; vielleicht sollten Sie ihm auch einmal mit dem Holzlöffel drohen.