Die Bräutigame der Babette Bomberling

Ganz oben auf unserem Nachttisch liegt nun auch ein Buch einer heute weitgehend vergessenen Autorin: Die Bräutigame der Babette Bomberling von Alice Berend.


Daten zum Buch

  • Autorin: Alice Berend
  • Titel: Die Bräutigame der Babette Bomberling
  • Genre: Roman
  • Verlagsort der Erstausgabe: Berlin
  • Verleger: S. Fischer Verlag
  • Erscheinungsjahr: 1915

Wer kennt heute schon noch Alice Berend? Kaum einer wohl. Das ist schade. Denn früher einmal, vor gut einem Jahrhundert, gehörte sie zu den erfolgreichsten Autorinnen ganz Deutschlands, deren Bücher damals ein großes Lesepublikum erfreuten. Wie also ist es möglich, dass Berend inzwischen nahezu vergessen ist?

Vielleicht finden wir eine Antwort, wenn wir einen kurzen Blick auf ihre letzten Lebensjahre werfen. Die am 30. Juni 1875 als Tochter eines jüdischen Fabrikanten in Berlin geborene Berend wurde nämlich von den Nationalsozialisten zum Schweigen gebracht. Wie ein Blick auf die berüchtigte Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums zeigt, wo sie sie unter dem falsch geschriebenen Namen Alice Behrend geführt wurde, ließen die Nazis sämtliche ihrer Schriften verbieten – ihre Karriere als Schriftstellerin war damit in Deutschland beendet.

Nachdem sich dann auch noch ihr zweiter Ehemann, der Maler Hans Breinlinger, von ihr hatte scheiden lassen, emigrierte sie 1935 mit ihrer Tochter Carlotta aus erster Ehe über die Schweiz nach Florenz, wo sie nur drei Jahre später am 2. April 1938 starb. Ob der Tod im Exil dazu beigetragen hat, dass ihr Name in Vergessenheit geraten ist? Möglich ist es schon.

Ihre Blütezeit als Schriftstellerin erlebte Berend in den Jahren zwischen 1912 und 1916, als im Berliner Verlag von Samuel Fischer hintereinander ihre Romane Die Reise des Herrn Sebastian Wenzel (1912), Frau Hempels Tochter (1913), Die Bräutigame der Babette Bomberling (1915) und Spreemann & Co (1916) auf den Markt kamen, bevor sie zu Albert Langen nach München wechselte wo sie bis 1933 noch zahlreiche weitere Bücher veröffentlichte.

All die genannten Bücher erlebten hohe Auflagen. Und warum auch nicht? Berend glänzte nämlich vor allem als Humoristin, was zur damaligen Zeit geradezu unerhört gewesen sein muss. Man denke nur daran, wie verblüfft Tucholsky in der Weltbühne (2. Februar 1932, S. 180) reagierte, nachdem er ein Buch von Irmgard Keun gelesen hatte: ›Eine schreibende Frau mit Humor, sieh mal an!‹ – ganz so, als schlösse sich das gegenseitig aus.

Ein merkwürdiges Urteil, das schon Berend zuvor entkräftet hatte, deren mit leichter Hand geschriebenen Romane ihre Leserinnen im besten Sinne des Wortes zu unterhalten verstanden hatten. Eine schwere Kunst, die kaum jemand wirklich beherrscht, heute so wenig wie damals. Berend aber beherrschte sie.

Das beste Beispiel hierfür ist ganz ohne Frage die Geschichte um die junge Babette Bomberling. Die 17-Jährige hat das heiratsfähige Alter erreicht, Zeit also für deren Mutter, einen passenden Bräutigam für die Tochter zu suchen. Ganz leicht ist das nicht. Zum einen besitzt Babette ihren eigenen Willen, zum anderen betreibt der Vater der Braut ein Geschäft, das manch einen Bewerber eher abzuschrecken scheint: Bomberling ist Sargfabrikant.

Angesichts dieser schwierigen Ausgangslage muss die Mutter alle Mittel einsetzen, die ihr zur Verfügung stehen. Was ist denn mit jenem adligen Herrn, der, bevor er die Katze im Sacke kaufe, gerne erst die Mutter der Braut sehen will? Der lehnt ab, weil ihm Frau Bomberling doch tatsächlich zu stark erscheint – alle Wetter. Doch nicht verzagen, der Herr Medizinalrat weiß Rat: Frau Bomberling müsse sich eben einer Schlankheitskur unterziehen. Und das tut sie auch. Vor allem das anempfohlene Kriechen auf allen Vieren verfolgt sie mir geradezu religiösen Eifer. Und warum auch nicht? Hatte der Herr Medizinalrat nicht gesagt, es sei hervorragend wirksam und vollkommen fashionable? Na dann.

Doch es nützt ja alles nichts, Babette bleibt solo. Ob sie am Ende doch noch unter die Haube kommt? Da gibt es doch noch den …

Ein überaus humorvolles Buch, das auch heute noch, gut 100 Jahre nach dem Erscheinen, äußerst lesenswert ist. Nur schade, dass die jetzige Generation das alles gar nicht weiß. Denn wer kennt heute schon noch Alice Berend?