Frau Aja sagt

Goethes Mutter war eine rechte Frohnatur, die in ihren Briefen fast immer den passenden Ton fand. Hier sieben Beispiele.


(I.) Über Familie Brentano

Nur ein Wort von Peter – kein Mensch kann begreifen warum er nicht ins neue Hauß zieht, Bauen thut er auch nicht, da doch jetzt die schönste Zeit dazu wird, die Max darf nichts davon Reden, sonst ergrimmt er im Geist, es ist ihr himmelangst, daß das bißgen Verstandt so noch in seinem Hirn wohnt, nicht auf einmahl mit Extra Post in Mondt reißte.

[Brief an Johann Bernhard Crespel, 16. April 1777: → Köster 1904, 1. Band, S. 17]


(II.) Über gute und schlechte Namen

Sonst stehe ich freylich auch bey so dunckeler Jahrzeit so frühe nicht auf, aber Ihre Niderkunfft jagte mich aus den Federn. Tausendt Element dachte ich wenn die liebe Frau ins Kindbett käme und wüßte unsre nahmen nicht und sie Taufften das arme Kind in der Angst Ursula, Angnes, oder wohl gar Tristmegistus, Diesem allen Vorzukommen berichte dann, daß ich Catharina Elisabetha, mein Sohn aber Johann Wolfgang heisset.

[Brief an Caroline Großmann, 19. Dezember 1777: → Köster 1904, 1. Band, S. 23 f.]

(III.) Über eine Dame

Vor einigen Tagen trafe ich in einer Gesellschafft eine Dame von der so genandten großen Welt an, die vom Hamlet das Urtheil fällte es wäre nichts als eine Farse – O!!! Gevatter! Gevatter! Hamlet eine Farse!!!!! Ich dachte ich kriegte auf der stelle eine Ohnmacht – Ein anderer behaubtete |:noch obendrauf mit dem ausdruck:| Daß ihn der Teufel holen solte, wo er nicht eben so ein Ding voll unsinn schreiben könte, und das war ein Dicker Vierschröderischer Weinhändler.

[Brief an Gustav Großmann, 19. Februar 1779: → Köster 1904, 1. Band, S. 45]

(IV.) Über den Eidam der Sophie La Roche

Theureste Fürstin! Könte Docter Wolf den Tochtermann sehen, den die Verfasserin der Sternheim Ihrer zweyten Tochter Louise aufhengen will; so würde Er nach seiner sonst löblichen Gewohnheit mit den Zähnen knirschen, und gantz Gottloß fluchen. Gestern stellte Sie mir das Ungeheur vor – Großer Gott!!! Wenn mich der zur Königin der Erden |:Americka mit eingeschloßen:| machen wolte; so – ja so – gebe ich Ihm einen Korb – Er sieht aus – wie der Teufel in der 7ten Bitte in Luthers kleinem Catesichmus – ist so dumm wie ein Heu Pferd – und zu allem seinem seinem Unglück ist Er Hoffrath – Wann ich von all dem Zeug was begreife; so will ich zur Auster werden.

[Brief an Anna Amalia, 11. April 1779: → Köster 1904, 1. Band, S. 54]

(V.) Über die Familie Willmann

Die Willmans werden nun bey Ihnen seyn – Das Mädel ist gut – das gibt ihr das gantze Theater Zeugnüß aber der Papa der Papa, das ist ein sehr bößer Mann – vor dem hüten Sie Sich so viel es in Ihrer Macht steht.

[Brief an Karl Wilhelm Ferdinand Unzelmann, 13. November 1788: → Köster 1904, 1. Band, S. 190]

(VI.) Über ihr (später früh verstorbenes) Enkelkind

Auch gratulire zum künftigen neuen Weltbürger – nur ärgert mich daß ich mein Enckelein nicht darf ins Anzeigblättgen setzen laßen – und ein öffendlich Freudenfest anstellen – doch da unter diesem Mond nichts Vollkommenes anzutrefen ist, so tröste ich mich damit, daß mein Häschelhans vergnügt und glücklicher als in einer fatalen Ehe ist – Küße mir deinen Bettschatz und den kleinen Augst – und sage letzterem – daß das Christkindlein Ihm schöne Sachen von der Großmutter bringen soll.

[Brief an Goethe, 24. September 1795: → Köster 1904, 1. Band, S. 286]

(VII.) Über Bettina Brentano

Da hat den doch die kleine Brentano ihren Willen gehabt, und Goethe gesehen – ich glaube im gegen gesetzten fall wäre sie Toll geworden – denn so was ist mir noch nicht vorgekommen – sie wolte als Knabe sich verkleiden, zu Fuß nach Weimar laufen – vorigen Winter hatte ich ofte eine rechte Angst über das Mägchen – dem Himmel sey Danck daß sie endlich auf eine musterhafte art ihren willen gehabt hat.

[Brief an Christiane Goethe, 16. Mai 1807: → Köster 1904, 2. Band, S. 155]