Amanda Ros. Leben und Werk

Amanda Ros ist in Deutschland nahezu unbekannt. Die Erklärung dafür für ist einfach: Ihre Prosa ist im Grunde vollkommen unübersetzbar. Wer sie aber im Original liest, lernt eine ganz und gar ungewöhnliche Dichterin kennen.


Über die Frage, wer denn wohl der größte aller irischen Schriftsteller sei, wird beim Lesepublikum gerne eifrig gestritten. Die einen erklären George Bernard Shaw zu ihrem Liebling, die andern Samuel Beckett, Oscar Wilde oder William Butler Yeats, wieder andere küren Brendan Behan, Flann O’Brien oder James Joyce zu ihrem Favoriten.

Selbstverständlich ist es müßig, darüber zu disputieren, denn im Grunde ist doch alles nur eine Frage des Geschmacks. Ins Auge fällt aber, dass in Fachkreisen kein Zweifel darüber besteht, wer den Titel der hervorstechendsten Autorin Irlands verdient habe. In diesem Fall nämlich haben sämtliche Experten dieselbe Antwort parat: Amanda Ros.

Unglücklicherweise ist die Dame hierzulande eher unbekannt. Dies wiederum liegt in erster Linie an ihrem einzigartigem Werk, das auch von den gewieftesten Übersetzern als nahezu unübersetzbar angesehen wird – selbst Friedhelm Rathjen, der im irland journal (Nr. 03, 2002, S. 30 bis 35) die deutsche Leserin schon früh auf Ros aufmerksam gemacht hat, traut sich nicht so recht. Das ist schade, denn auch bei uns sollte diese unvergleichliche Dichterin, die in jedes Nachschlagewerk aufgenommen zu werden verdient, unbedingt ihren angemessenen Platz finden. Wer also ist Amanda Ros?

Anna Margaret McKittrick kam am 8. Dezember 1860 in Drumaness im County Down auf die Welt. Als Als Referendarin wurde sie 1886 zur Schule nach Larne an die Küste von Antrim geschickt, wo sie am Bahnhof sogleich dem Stationsvorsteher Andrew Ross in die Arme fiel. Nicht lange, und die beiden machten Hochzeit. Die Ehe muss Amandas Kreativität in erstaunlicher Weise befruchtet haben, denn in wenigen Jahren floss ihr ein ganzer Roman aus der Feder, Irene Iddesleigh. Dass das Werk auch veröffentlicht wurde, lag an ihrem Ehegespons, der es als Geschenk zum 10. Hochzeitstag auf eigene Kosten drucken ließ. Ob er wohl ahnte, dass er damit einer Titanin auf die Sprünge geholfen hatte?

Was aber ist das Besondere an Irene Iddesleigh? Die Handlung kann es jedenfalls nicht sein, denn die ist wenig originell: Eine junge Frau heiratet, lässt den Gatten sitzen und brennt mit einer Art Don Juan nach Amerika durch; als aber ihr Liebhaber stirbt, kehrt sie wieder zu ihrem Gatten zurück, der in der Zwischenzeit leider ebenfalls das Zeitliche gesegnet hat – was ihm die junge Heldin sogleich nachmacht. Eine solche Geschichte ist schon oft erzählt worden, auf diese und auf jene Weise, doch niemals so wie Amanda Ros es tut, deren Stil wohl einzigartig ist auf der Welt. Ihre merkwürdigen Metaphern sind genauso bemerkenswert wie ihre wundervollen Wortschöpfungen, ihre blumigen Bilder, ihr schwerer Schwulst und ihre ständigen Stabreime.

Der Roman wurde zunächst nicht beachtet, fand dann aber in dem Londoner Journalisten Barry Pain einen aufmerksamen Leser. Seine vernichtende Rezension machte das Buch so berühmt, dass bald die gesamte Londoner Literaturwelt sich an Amandas kunstvollem Geschreibsel ergötzte. Allerdings war Amanda aus unerfindlichen Gründen über Pains Rezension so empört, dass sie ihn als so etwas wie eine Pestbeule bezeichnete; auch allen anderen Kritikern gegenüber fand sie später ähnliche Worte.

Dennoch ließ sie sich keineswegs entmutigen, sondern schrieb eifrig weiter an ihrem zweiten Werk, Delina Delaney, mit dem ihr Ruhm ungeahnte Höhen erreichte. So entstand in Oxford gar die Amanda Ros Society, die sich wöchentlich zu Leseabenden traf. Danach ging es für kurze Zeit allerdings abwärts. Nachdem sie nämlich von einem Bekannten ihres Gatten ein Kalkwerk geerbt hatte, kam es bald darauf zum Streit mit Nachbarn und Freunden des Verstorbenen; im Zuge der nachfolgenden juristischen Händel wurden ihr Anwälte genauso verhasst wie Kritiker. So ist es kein Wunder, dass ihr Gedichtband Poems of Puncture zur Hälfte aus Tiraden gegen den Berufsstand der Anwälte besteht.

Im Ersten Weltkrieg verlegte sie sich auf das Verfassen patriotischer Pamphlete, in denen sie die deutschen Grausamkeiten anprangerte. Nachdem 1917 ihr Ehemann gestorben war, versuchte sie sich mit einem Tuch- und einem Lebensmittelladen über Wasser zu halten. Doch die Geschäfte liefen schlecht. Zum Glück trat bald darauf Thomas Rodgers in ihr Leben. Nach der Hochzeit mit dem wohlhabenden Landwirt war sie finanziell unabhängig und konnte sich so endlich ihrem dritten Roman widmen, Helen Huddleson, in dem fast alle Charaktere nach einer Frucht benannt sind: Lord Raspberry (Lord Himbeere), Sir Peter Plum (Sir Peter Pflaume), Earl of Grape (Graf Weintraube), Sir Christopher Currant (Sir Christopher Johannisbeere).

Leider konnte sie den Roman aufgrund ihres Rheumas nicht mehr abschließen. Dafür brachte sie noch einen zweiten Gedichtband auf den Markt, Fumes of Formation. Kurz nach der Veröffentlichung starb ihr zweiter Ehemann. Amanda Ros ging zurück nach Larne, wo sie am 3. Februar 1939 im Alter von 78 Jahren starb.