Gewunken

Sprache verändert sich. Das ist normal. Mitunter ist ein Sprachwandel auch nur eine Rückkehr zu alten Zeiten.


Wer bestimmt eigentlich, wie wir sprechen und schreiben sollen? Duden-Redakteure, Professoren, Sprachkritiker? Am ehesten doch wohl das Volk, das sich nicht gerne an die Regeln und Gesetze selbsternannter Oberlehrer halten mag, sondern so redet wie ihm der Schnabel nun mal gewachsen ist. So ist das Volk auch gerade dabei, das schwache Verb ›winken‹ in ein starkes zu verwandeln, lieber also ›gewunken‹ statt ›gewinkt‹ verwendet.

Wann aber hat diese Umwandlung begonnen? Nach Dieter E. Zimmer (→ Sprache in Zeiten ihrer Unverbesserlichkeit 2005, S. 44) ist dies noch vor einer Generation anders gewesen. Freilich wurde schon viel früher als nur vor einer Generation gewunken statt gewinkt.

So verwendet es Ernst Glaeser in seinem in seinem 1928 erschienenen und damals sehr bekannten Roman Jahrgang 1902 gleich an zwei Stellen: im Kapitel ›Gaston‹ des ersten Buches genauso wie im Kapitel ›Pfeiffer‹ des zweiten.

Vielleicht des Reimes wegen spricht auch Wilhelm Busch an einer Stelle nicht anders – und das schon im Jahre 1867:

Jetzt ist die Schildwach’ schon betrunken,
Und schau! Zuleima hat gewunken.

[Die Entführung aus dem Serail]

Aber vielleicht haben sich Glaeser und Busch auch nur an frühere Zeiten erinnert, als der Gebrauch, wie bei Amelung nachzulesen ist, noch ein anderer gewesen war:

Ehedem ging dieses Verbum irregulär, und im Oberdeutschen hat es diese Form noch, ich wunk, Particip. gewunken.

[Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, S. 1564]