Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient

Eines der bekanntesten Zitate überhaupt stammt von Joseph de Maistre (1753 bis 1821): ›Toute nation a le gouvernement quelle mérite.‹

De Maistre wählte diese Worte in einem Brief vom 15. August 1811, um seinen Befürchtungen Ausdruck zu verleihen, dass die neuen Gesetze Alexanders I. dem russischen Volk wahrscheinlich nicht zum Vorteil gereichen würden, da zwangsläufig jedes Gesetz unnütz sei, wenn das Volk seiner nicht wert wäre und nicht dafür geschaffen sei (→ Büchmann 2002, S. 302).

Publiziert wurde der Brief übrigens erst 40 Jahre nach der Niederschrift im ersten Band der Lettres et Opuscules (Paris 1851).

Cervantes im Duell?

Früher war es üblich, seine Ehre formvollendet in einem Duell zu verteidigen. Das galt natürlich auch für Dichter und Denker, wie wir schon bei vielen anderen gesehen haben.

Ganz sicher wissen wir es nicht, doch es könnte sein, dass auch der Autor des Don Quijote in ein Duell verwickelt war.

Es existiert nämlich ein Haftbefehl vom 15. September 1569 für die Festnahme eines Miguel de Cervantes, der Antonio de Sigura in einem Duell verwundet haben soll. Zur Strafe sollte Cervantes seine rechte Hand verlieren und aus der Hauptstadt für zehn Jahre ins Exil geschickt werden. Dazu kam es freilich nicht.

Loch Lomond

The Bonnie Banks of Loch Lomond ist ein altes schottisches Volkslied, das sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreut. Angeblich handelt der Text von zwei Männern aus dem Gefolge Charles Edward Stuarts (1720 bis 1788), der während des zweiten Jakobitenaufstands von 1745 als hübscher Prinz Karl (Bonnie Prince Charlie) Großbritannien zu erobern suchte.

Einer der beiden gefangen genommenen Männern wurde wieder freigelassen und nahm den Weg über die Berge nach Hause (High Road), der andere hingegen konnte als Hingerichteter nur über die Low Road, den Weg der Toten durch die Unterwelt, zu seiner Liebsten zurück.

Johnsons Wörterbuch

In Miss Pinkertons Lehranstalt ist es üblich, den Schulabgängerinnen jeweils ein Exemplar von Dr. Johnsons berühmten Wörterbuch zu übergeben (Jahrmarkt der Eitelkeit). Gemeint ist damit das legendäre A Dictionary of the English Language (London 1755) des ebenso legendären Samuel Johnson (1709 bis 1784), dessen Wörterbuch alle nachfolgenden Lexika über die englische Sprache maßgeblich beeinflusst hat.

Bemerkenswert ist vor allem, dass Johnson mehr als 100.000 literarische Zitate als Belege mit in sein Buch aufgenommen hat. Das hatte es vorher noch nicht gegeben. Johnsons Wörterbuch blieb lange Zeit unangefochten das Standardwerk über die englische Sprache, erst das Oxford English Dictionary, dessen erster Band im Jahr 1884 erschien, machte es schließlich überflüssig.

Schreibweisen

Beim Blättern in Tucholskys Texten stoßen wir auf einen Artikel, dessen Titel ungewöhnlich geschrieben ist. Doch das hat seinen guten Grund. Die amtliche Rechtschreibung ist prinzipiell zwar eine gute Sache, doch letztlich ist niemand gezwungen, sich daran zu halten. Bei Publikationen sind ohnehin Hausschreibungen üblich. So auch bei der Bücherkiste.


Oft sind es die eigentlich eher humorvoll angelegten Texte, die für die größte Aufregung sorgen. Welche Arbeit beispielsweise brachte Kurt Tucholsky die schärfsten Kritiken ein? Eine Satire. Die nämlich forderte fast so viel Widerspruch heraus wie alle seine großen politischen Artikel zusammengenommen. Und warum? Weil er der Deutschen liebstes Kind anzugreifen gewagt hatte – den Hund.

Na, Tucholsky zog aber auch so richtig schön vom Leder. Tier und Tierhalter bekamen gleichermaßen ihr Fett weg, alle Hunde waren ihm ein Graus, alle Hundebesitzer nicht minder. Nein, aus seinem Herzen machte er in der Tat keine Mördergrube. Eins steht jedenfalls fest: Wenn einer mal so richtig Tacheles geredet hat, dann Tucholsky in seinem ›Traktat über den Hund‹ (der am 2. August 1927 zunächst in der Weltbühne erschien, ehe er am 13. August 1927 im Prager Tagblatt nachgedruckt wurde, S. 3).

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Hier irrt Goethe

Dass Goethe sich oft geirrt hat, ist bekannt. Nach Ansicht mancher Professoren allerdings auch dann, wenn dies kaum möglich war.


Wann irrte Goethe? Oft genug wohl, mitunter sogar auf eine recht fantastische Weise. Doch was sind schon solche Schnitzer wie seine Farbenlehre gegen die von ihm aufgestellte Behauptung, seine größte Liebe habe der jungen Lili Schönemann gegolten?

Dies nämlich hatte Goethe einst seinem getreuen Eckermann anvertraut, der dies später auch der Nachwelt verkündete:

Ich sehe die reizende Lili wieder in aller Lebendigkeit vor mir, und es ist mir, als fühlte ich wieder den Hauch ihrer beglückenden Nähe. Sie war in der That die Erste, die ich tief und wahrhaft liebte. Auch kann ich sagen, daß sie die Letzte gewesen; denn alle kleine Neigungen, die mich in der Folge meines Lebens berührten, waren, mit jener ersten verglichen, nur leicht und oberflächlich.

[Gespräche mit Goethe 1848: 5. März 1830, S. 299]

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Cavallotti gegen Macola – ein Duell

Früher war es üblich, seine Ehre formvollendet in einem Duell zu verteidigen. Das galt natürlich auch für Dichter und Denker, wie wir schon bei vielen anderen gesehen haben. Das gilt aber auch für Felice Cavallotti.

Der italienische Dichter duellierte sich am 6. März 1898 in Rom mit Ferruccio Macola, dem Herausgeber der Gazzetta di Venezia, der ihn zuvor als Lügner beschimpft hatte. Das Duell wurde an der Porta Maggiore ausgefochten, und zwar im Garten der Gräfin Cellere.

Die Kombattanten benutzten allerdings keine Pistolen, sondern Schwerter. Cavallotti machte einen Ausfall, traf aber nicht entscheidend, ganz im Gegensatz zu Macola, der ihm mit dem Schwert die Halsschlagader durchbohrte. Cavallotti starb an seinen Verletzungen.

Kafkas Apostroph

Kafkas Prozess endet mit K.s Hinrichtung. Kafka schreibt an einer Stelle von ›K.s Gurgel‹. In der später erschienenen Kritischen Ausgabe wird jener Apostroph dazwischengeschoben, der heutzutage von wenig wohlmeinenden Zeitgenossen gerne als Deppen-Apostroph bezeichnet wird.

Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Genitiv-Apostroph vor noch gar nicht so langer Zeit vollkommen üblich gewesen ist. So haben ihn Thomas Mann und Carl Zuckmayer auch dann noch benutzt (in den 1950ern), als der Duden ihn schon längst als verboten gebrandmarkt hatte.

Heute erlebt der Genitiv-Apostroph gerade eine Renaissance, sehr zum Verdruss aller Sprachpedanten, Schulfuchser und Besserwisser.

Arno Schmidt übersetzt Stanley Ellin

Arno Schmidt war lange Zeit auch als Übersetzer tätig. Ein Buch, das im Original den Titel ›Fool’s Mate‹ trug, gab er im Deutschen einen gänzlich anderen Namen.


Arno Schmidt war ein großer Schachfreund. Dies zeigt sich schon an seinen Texten, in denen er ein übers andere Mal auf das königliche Spiel zu sprechen kam. Tatsächlich lassen sich in seinen Büchern recht viele Schachstellen finden, wie Marius Fränzel auf Musagetes nachgewiesen hat.

Besonders interessant scheint mir dabei allerdings kein eigenständiges Werk, sondern die Übersetzung einer kleinen Erzählung zu sein: ›Fool’s Mate‹, eine im November 1951 im Ellery Queen’s Mystery Magazine (S. 3 bis 16) erstmals veröffentlichte Story um einen gegen sich selbst antretenden Schachspieler.

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Irving Thalberg alias Monroe Stahr

Auch fiktive Figuren sind nach dem Leben gezeichnet, viele davon nach dem Leben eines real existierenden Modells. Einige Beispiele haben wir schon einmal an anderer Stelle betrachtet. Aber auch Monroe Stahr hatte ein reales Vorbild: Irving Thalberg (→ Amos 1985, S. 485).

Scott Fitzgerald nahm sich das Genie des frühen Hollywood zum Vorbild, als er seinen letzten Roman The Last Tycoon schrieb: Der amerikanische Filmproduzent Irving Thalberg (1899 bis 1936) war bereits im Alter von nur 20 Jahren bei den Universal Studios als Produktionsleiter tätig, bevor er 1924 als Stellvertreter von Louis B. Mayer zum neu gegründeten Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer ging.

Bekannte Filme von ihm sind Ben Hur (1925), Anna Karenina (1927) und Meuterei auf der Bounty (1935). Thalberg starb im Alter von nur 37 Jahren an einer Lungenentzündung.